NAMASTÉ               
 
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Nachgedacht & Reingefühlt (fast jeden Sonntag ein neuer Text)

Der Geist wird reich durch das, was er empfängt,
das Herz durch das, was es gibt.

                                                                                                                                                      (Victor Hugo)                      

Patanjali war ein indischer Weiser
und der Verfasser des Yogasutra,
des klassischen Leitfadens des Yoga,
weshalb er auch als „Vater des Yoga“ bezeichnet wird


„Wir sind, was wir denken. Alles, was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt"

Siddhartha Gautama Buddha



Auch dies wird sich ändern

Ein Mann hinterließ seinen beiden Töchtern ein bescheidenes Vermögen; es war gerecht verteilt und er hatte klar bestimmt, was jede erhalten sollte. Nur über eine kleine Schatulle mit zwei Ringen hatte er nicht verfügt. Ein Ring war sehr wertvoll und mit einem großen Diamanten verziert, der andere ein schlichter Silberring.


Die ältere Schwester sagte: „Offensichtlich ist mir als der älteren der Diamantring bestimmt und dir der andere.“ Die jüngere Schwester war bescheiden und wollte nicht streiten. So nahm sie den Silberring.


Jede von den beiden ging ihren Weg. Während die ältere Schwester unter den Folgen ihrer Habgier und großen materiellen Ansprüche zu leiden hatte, lebte die jüngere ein einfaches und zufriedenes Leben. Sie trug auch den Silberring stets bei sich und eines Tages sah sie den Ring genauer an. Sie entdeckte eine kleine Inschrift an der Innenseite des Rings: „Auch dies wird sich ändern.“ stand da geschrieben. Sie erkannte sogleich die große Weisheit dieser Inschrift und je mehr sie sich in jeder Situation, ob angenehm oder unangenehm, deren Vergänglichkeit bewusstmachte, desto ausgeglichener und zentrierter wurde sie und erfuhr in ihrem Leben sich stets vertiefenden Frieden.


Schwamm sie oben auf der Welle des Glücks, so konnte sie es doch genießen, war sich dabei aber immer bewusst, dass wieder Regentage kommen würden. Und wenn sie sich krank oder einsam fühlte, dann wusste sie: „Auch dies wird sich ändern!“


Dies ist eine tiefe Weisheit des Buddha: Wenn wir im Glück den Keim des Unglücks und im Schmerz das Potential der Freude erkennen, so können wir sowohl den Augenblick bewusst erfahren, als auch vermeiden, von plötzlichen Veränderungen überrascht zu werden. Vor allem können wir durch dieses Erkennen einen Bewusstseinszustand jenseits von oberflächlicher Freude und Schmerz erreichen, einen Zustand tiefen inneren Friedens.


Etwas Weiteres können wir aus dieser Geschichte lernen: Dass die Weisheit (des Silberrings) mehr wert ist als der äußere Wert (der Diamantring). Oft trügt der Schein und das Stille, Unauffällige ist dem Glänzenden und Strahlenden überlegen!

(aus "Die spirituelle Schatzkiste" von Arjuna P. Nathschläger)

Der Baum und das Gras


Es war einmal ein großer Baum mit einem mächtigen Stamm und einer gewaltigen Krone. Schon von weitem konnte man diesen Baumriesen sehen, wie er seine gewaltigen Arme in den Himmel streckte. Er war auch sehr stolz auf sich und seine Größe und er blickte ein wenig mitleidig auf das Gras zu seinen Füßen, er, der Herr des Waldes.


Das Gras blickte staunend zu dem mächtigen Baum empor, hörte das Rauschen des Windes in seinem Laub. Das Gras war weich und biegsam und rauschte auch im Wind, aber viel, viel leiser.


Ein Sturm kam auf, und der Wind verfing sich in den Ästen und Blättern des Baumriesen, der mit aller Kraft seiner Wurzeln gerade noch standhielt, aber schon schwer zu kämpfen hatte. Das Gras bog sich bis zur Erde, und der Wind wurde immer stärker.


Dann kam eine plötzliche Windbö, es gab ein Krachen, das ebenso gewaltig war wie der stolze, hohe Baum, und langsam neigte sich der Riese, entwurzelt, zersplittert, ein Bild der Niederlage und der Zerstörung.


Der Sturm legte sich bald, und das Gras begann sich langsam aufzurichten, während der Regen sanft auf den Halmen abperlte.


(aus "Die spirituelle Schatzkiste" von Arjuna P. Nathschläger, www.yogaakademieaustria.de)


Ein Mensch, der sein Ego losgelassen hat, ist wie das kleine, bescheidene und anpassungsfähige Gras in dieser Geschichte, oder wie ein Laubbaum, der im Herbst seine Blätter fallen lässt, um den Stürmen im Herbst und Winter weniger Widerstand entgegen zu setzen: Dieser Mensch wird von den Stürmen des Schicksals weniger geschüttelt als der stolze, eingebildete Mensch, dessen Ego leicht zu verletzen ist.

Das Erblühen der Pflanze "Mensch"


Ich möchte hier einem faszinierenden und inspirierenden Gedanken Ausdruck geben, der zwar selbstverständlich und allgemein bekannt erscheinen mag, aber dennoch viel zu wenig beachtet und vor allem gelebt wird:


Jeder Pflanze, die man zur schönsten Blüte bringen möchte, sucht man das beste Umfeld, die beste Nahrung, Licht usw. zu geben, doch dem Menschen selbst…? DIESE Pflanze vegetiert oft mehr als sie lebt, mehr gleichgültig als freudvoll, mehr krank als gesund: Junk food, Bewegungsmangel, Stubenhocken, Horrorthriller, Angst, Stress - eine lange Liste.
Wenn man nun, dies erkennend, sucht und forscht nach den besten Bedingungen für das beste Gedeihen, das schönste Erblühen der Pflanze „Mensch“? Welche Nahrung braucht sie, welches Umfeld, nach welchen Werten gilt es zu leben? Kurz, wie sieht ein der Menschen Natur gemäßes Dasein aus? Diese Bedingungen zu kennen, zu erkennen und vor allem im täglichen Leben umzusetzen – das ist, was des Menschen vordringlichste Aufgabe ist.


Doch wir sind nicht die ersten, die sich diese Frage stellen – Menschen haben seit vielen hundert und tausend Jahren nach Antworten gesucht. Unter anderem in Indien … Was wir heute als Yoga kennen, IST die Antwort, IST die Erkenntnis und Beschreibung jener Bedingungen, geistigen Umfelder, Werte und Techniken, die die Pflanze „Mensch“ gedeihen und erblühen lässt. Doch wird es uns in der Anwendung des Yoga nicht so sehr um die Techniken (Asanas, Pranayamas, Meditation, Reinigungstechniken) gehen als um ein inneres Ausrichten des Bewusstseins, als um ein Betreten eines neuen geistigen Paradigmas.


Während der Mensch zumeist im Außen nach Antworten und Lösungen sucht – und das Angebot an Systemen, Heilungsansätzen und Lösungsvorschlägen ist inzwischen unüberschaubar geworden -, sollten wir danach streben, die Antworten von INNEN zu bekommen, uns auf die innere Führung einzustimmen:


Erkenne, was dich weitet, erhebt, fördert, dich zu Gesundheit, Reinheit, Schönheit und Freude führt – DEM öffne dich. Erkenne, was dich einengt, hinabzieht, dich schwer und krank macht – dem verschließe dich. Lerne es zu unterscheiden, was deiner Pflanze Leben hinzufügt, und was ihr Energie entzieht. Gleich wie du nicht in einen fauligen Apfel beißen wirst, so wirst du bei verfeinertem Bewusstsein ganz natürlich von Dingen lassen, die dir heute vielleicht verlockend erscheinen, obgleich sie deiner Gesundheit und deinem Gedeihen abträglich sind.


Gesetze, Regeln und Verbote helfen nicht, sie sind Ausdruck von Unbewusstheit – doch die innere Stimme der Weisheit und des Erkennens kennt die rechte Antwort – lerne, ihr zu lauschen und dich von ihr leiten zu lassen.


Einige Anregungen
Hier sind einige Anregungen, was deine innere Stimme der Weisheit sagen könnte:


Sei mehr im Freien
Sei viel in der Sonne, genieße den Wind, umarme die Natur – du bist Teil von ihr!


Bewege dich mehr
Laufe, wandere, verzichte mal auf den Lift, und genieße die Bewegung – der Mensch ist für Bewegung geschaffen; ohne sie „rostet“ er. Zur Bewegung mag man auch spielerische Bewegungen und das Strecken des Körpers zählen, das ja in den Yoga-Asanas systematisiert wurde – also übe Asanas, sodass sich dein Körper freut, da zu sein und sich bewegen zu dürfen!


Ernähre dich bewusster

Ernähre dich mäßig, bescheiden, achtsam und natürlich. Der Mensch ißt im allgemeinen zu viel und dazu noch Nahrung, die den Körper belastet – das Ergebnis kann man am allgemeinen Gesundheitszustand / am Übergewicht der Menschen ablesen … Spüre auch hier, was und wie viel dir gut tut, verbinde dich vor dem Essen mit deiner Nahrung – und genieße sie!


Gebet und Meditation
Bete und meditiere: Was die gute und fruchtbare Erde für die Pflanze, das ist das Verbundensein mit Gott für den Menschen. Im Gebet sprichst du mit Gott, in der Meditation spricht Gott und du hörst zu – und vielleicht gelangst du bald zu dem Punkt, an dem die Verbundenheit mit Gott da ist, OHNE die Form des Gebetes oder der formalen Meditation zu brauchen – wenn du ständig in stiller Achtsamkeit und dem Bewusstsein der Verbindung mit Gott bist, brauchst du dann noch einen Altar oder ein Meditationskissen?


Meide Stress
Stress ist Krankmacher Nr. 1 – Yoga lehrt das Loslassen und die Gelassenheit. Nicht nur durch Entspannungsübungen, sondern vor allem durch geistige Techniken und die rechte innere Einstellung wirst du stressfreier leben können – auch wenn sich dein Umfeld und die Herausforderungen deines Lebens nicht verändern.


Liebe
Liebe, gib und verstehe: Die essentielle Energie des Paradigmas des Lebens ist die Liebe und die liebevolle Verbundenheit mit dem gesamten Sein. Das ist keine schönfärberische Phantasie, sondern kann eine zutiefst lebendige Erfahrung sein, die den Menschen mit seiner wahren Natur und mit anderen Menschen verbindet. Berühre alles, was du berührst, mit Liebe, mit Achtsamkeit und Dankbarkeit. Würdige das Sein, das dich umgibt, deinen Körper und alles, was du hast. Wenn du von all diesen Vorschlägen nur diesen einen befolgst, wird sich dein Leben vollkommen transformieren!


Gierlosigkeit
Lasse Gier los – und du wirst friedvoller und stressfreier leben. Unterscheide: Brauche ich das, wonach mich gerade verlangt, wirklich oder ist es nur eine momentane Laune? Wie werde ich in einem Jahr darüber denken?


Den Kampf beenden
Beende den Kampf: Ein interessanter Aspekt des heute vorherrschenden lebensfeindlichen Paradigmas ist es, das ganze Leben als einen einzigen Kampf anzusehen und zu erfahren: Die berufliche Karriere, der Konkurrenzkampf, die Wirtschaft, Werbung, der Verkehr – überall scheint der Grundgedanke des Kämpfens vorzuherrschen. Ein alter Spruch sagt: „Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin.“ Beziehe dies nicht lediglich auf die klassische Form des Krieges mit Kanonen und Bomben, sondern auch auf die subtileren Formen im täglichen Leben. Lasse den Kampf und das Kämpfen-Müssen los. Keine Pflanze kann in einem Umfeld des Kampfes, des Krieges gedeihen, auch nicht der Mensch.


Ans Ganze denken
Lasse, was du tust, stets gut für alle sein: Strebe in allem danach, nicht dein Ego und deine Gier zu befriedigen, sondern dich harmonisch in das Ganze einzufügen. Wenn das, was du tust, gut für alle ist, ist es auch gut für dich, auf jeder Ebene – auf der materiellen und der spirituellen!


Du brauchst keine Ferien, um all dies zu leben. Du musst nicht warten bis zum nächsten Yoga-Abend, um damit zu beginnen. Lausche deiner inneren Stimme, wo auch immer du bist, was auch immer du gerade tust. Lebe von innen her dieses Paradigma des Lebens, der Natur, des Lichts und der Liebe – dann wirst du wirklich Mensch sein, so wie er gemeint ist, dann wird die Pflanze gedeihen und erblühen! 

(Text von der Seite: www.yogaakademieaustria.com)

Wie Yoga von innen nach außen kommt

Übst du regelmäßig Yoga, wirst du nach einer Weile bemerken, dass sich innere Verschiebungen auch Außen zeigen. Sie regen zum Nachdenken darüber an, wie du bestimmte Dinge in deinem Leben angehst. Vielleicht motivieren sie dich, dein Leben künftig anders zu gestalten. Regelmäßiges Yoga beschleunigt tendenziell die Art und Weise, wie sich deine Beziehungen und dein Lebensplan entwickeln. Anstatt also zehn Jahre lang in einem unbefriedigenden Job oder einer unglücklichen Beziehung festzuhängen, kann es sein, dass du das ganze Szenario nun innerhalb von zwei Jahren hinter dich bringst. Früher oder später stehen wir vor Entscheidungen, die im Inneren ausgelöst werden und die unser Leben radikal umkrempeln können. Hast du dir eine regelmäßige Praxis geschaffen, lernst du an diesem Punkt, Yoga über den Matten-Rand hinweg und mitten ins Leben zu bringen. Die Lehre unterstützt dich dabei, diese Veränderungen zu nutzen, um dein wahres Selbst zu enthüllen. Zudem hilft sie, die Angst und Verwirrung durchzustehen, die ein Lebenswandel meist mit sich bringt.

Mein treuer Freund, die Angst

Große Lebensveränderungen sind angsteinflößend. Besonders, wenn auch das Leben anderer Personen betroffen ist. Oder, wenn man nicht weiß, was einen hinterher erwartet. Allein wenn wir über eine Scheidung, einen Berufswechsel oder einen Umzug an das andere Ende des Landes nachdenken, können Existenzängste aufkommen. Diese zeigen sich oft ganz verschieden: als gesundheitliche Probleme, Albträume, Fluchtreaktionen, in übermäßigem Essen, anhaltender Unentschlossenheit oder in fluchthaften, unüberlegtem Handeln. Tatsächlich tauchen diese Ängste auch dann auf, wenn der Lebenswandel positiv ist. Studien zum Thema Stress zeigen: lebensbejahende Ereignisse wie Heirat, ein neuer Job oder eine langersehnte Chance sind ebenso stressig wie negative Veränderungen. Denk nur mal an eine Braut, die kurz vor der Zeremonie in Tränen aufgelöst zusammenbricht. Oder an einen jungen Mann, der ein vielversprechendes Stipendium in einer anderen Stadt sausen lässt, weil er seine Freunde zu Hause vermisst. Ob positive oder negative Veränderungen – sie sind mit Ängsten verbunden: Was, wenn ich andere Menschen damit verletze? Was, wenn ich die Entscheidung bereue? Diese Fragen schränken ein und lassen uns an schmerzhaften Situationen festhalten. So lange bis eine Kraft im Außen die Entscheidung für uns trifft. Yoga schenkt uns die Stärke und Einsicht, die wir bei einem entscheidenden Lebenswandel brauchen.

Ebenso wichtig wie die Yoga-Praxis sind hierfür einige yogische Grundsätze:

Das Wissen, dass wir die äußere Welt durch unsere innere Einstellung beeinflussen, dass hinter der Vielfalt des Lebens eine fundamentale Einheit liegt, dass große Kraft aus der Stille entspringt, und dass unser wahres Selbst nicht diese wandelbare, ängstliche, egobezogene Person ist, die wir manchmal zu sein scheinen.

Wende dich nach innen

An diesem Punkt wird deine Yoga-Praxis auf die Probe gestellt. Jetzt zeigt sich, wie sie dir in Zeiten des Lebenswandels dienen kann. Nicht falsch verstehen.. Die Yoga-Lehre wird dich nicht davor bewahren, dass du dich ängstlich, überfordert oder verwirrt fühlst. Aber du kannst sie nach Innen einladen, sie wie einen weisen Freund willkommen heißen, der dich durch diese Gefühle hindurch begleitet. So verlierst du dich nicht in ihnen. Vielleicht helfen dir die Weisheiten auch dabei, dass du dir mit Entscheidungen nicht so schwer tust. Im Laufe der Jahre habe ich die Angewohnheit entwickelt, mich in Zeiten des Umschwungs und der Verwirrung nach innen zu wenden und um Hilfe zu bitten. Meistens kommen dabei folgende Weisheiten ans Licht.

1. Wandel ist unvermeidbar

Die buddhistische Lehre der Vergänglichkeit, Anicca, vermittelt uns, dass alles im Wandel ist. Ständig. Wenn du das verinnerlichst, bewahrt dich das davor, in die Opferrolle zu schlüpfen. Das, was die Buddhisten als Vergänglichkeit bezeichnen, ist bei den tantrischen Yogis die sich immer verändernden Natur von Shakti. Shakti ist die dynamische Kraft und weibliche Energie. Sie manifestiert Dinge, bewahrt sie für eine Weile auf und löst sie schließlich wieder auf. Alles um uns herum ist Teil dieses natürlichen Flusses von der Entstehung über die Erhaltung bis hin zur Auflösung. Dieser Fluss findet auf makrokosmischer Ebene statt: als Wechsel zwischen den Jahreszeiten, zwischen Ebbe und Flut oder den Tageszeiten. Ebenso gibt es ihn aber auch auf mikrokosmischer Ebene: als Veränderungen in unserem körperlichen Befinden, als gute und schlechte Zeiten in unserem Leben und als wechselnde Gedanken und Emotionen. Sobald du den Lebenswandel als selbstverständlich  erkennst, wird es dir leichter fallen, der Veränderung zu begegnen, vielleicht sogar mit ihr zusammenzuarbeiten.

2. Sehe die Veränderung als Prozess der Initiierung

Früher war es Tradition, jede Lebensphase als Initiierung zu verstehen. Oft wurde das mit einer Zeremonie besiegelt. Es war sozusagen der Schritt ins Unbekannte. Auch heute gibt es noch Initiierungs-Erlebnisse. Vielleicht sogar noch häufiger, als damals: der Berufs-Wechsel, der Umzug in eine neue Stadt oder die Entscheidung, nochmal zu studieren. Sie fordern uns auf, alte Gewohnheiten aufzugeben, die eigenen Fähigkeiten zu prüfen und uns für einige Zeit ins Ungewisse zu begeben. Begleitet wirst du dabei von der Veränderung. Schreitest du von einer Situation in die nächste, wirst du danach nicht mehr dieselbe Person sein. Erlebe den Übergang bewusst und sehe ihn als Chance zu wachsen. Somit schaffst du eine tiefere Beziehung zu dir selbst und zu der Welt. Dass das alles andere als leicht ist, weiß ich. Und doch birgst es die Möglichkeit, dass du dich von einem überholten Selbstbild befreien kannst und einen neuen Weg findest, du selbst zu sein. Also: Sei offen für den Lebenswandel und erlaube ihm, deinen Horizont zu erweitern. Lerne mehr über dich selbst und verschiebe deine Grenzen. Je mehr du die Veränderung als Initiierungs-Prozess akzeptierst, desto eher erkennst du darin verborgene Geschenke.

3. Meditation hilft bei Ungewissheit

Die Ungewissheit ist wohl der erschreckendste Aspekt des Wandels. Veränderung können auch Überraschungen, Rückschläge, Fehlstarts und Einbahnstraßen mit sich bringen. Das wiederum führt zu Angst, Ärger, Reizbarkeit oder Trauer. Und oft gesellt sich hier noch Ungewissheit dazu. Der Bauch verkrampft sich. Der Geist verfängt sich in einer Opfer-Rolle und malt dir schon das Worst-Case-Szenario aus. Vielleicht befürchtest du, für etwas nicht gewachsen zu sein. Was folgt ist oft die Flucht aus der Situation: Handy raus, Fernseher an, die beste Freundin anrufen und jammern. Dabei führst der wahre Weg gegen die unangenehme Ungewissheit mittendurch. Lasse das Gefühl zu und akzeptiere das Unbehagen zunächst. Kein Widerstand. Keine Erwartungen. Je länger du in der Ungewissheit verweilst, desto natürlicher und effektiver lässt du den Wandel geschehen. Meditation kommt dir hier zur Hilfe. Du hast dir schon eine regelmäßige Praxis geschaffen? Super! Denn diese führt dich zu deiner inneren Mitte. Welche Meditations-Technik du übst, entscheidest du. Das kann auch eine Atem–Übung sein oder ein Mantra, das du mehrmals wiederholst. Wichtig ist nur, dass sie dir hilft, im Moment zu bleiben.

4. Finde deine tiefsten Sehnsüchte

Die Erforschung des Selbst, Atma Vichara, ist das Kernstück im yogischen Umgang mit Veränderungen. Dabei stellst du dir Fragen wie: „Was wünsche ich mir von dieser Situation?“ Oder: „Welches Ergebnis wäre für alle Beteiligten am besten?“ Immer, wenn dir eine Antwort kommt, schreibe sie auf. Sitze anschließend eine Weile, meditiere und beobachte deinen Atem. Lausche dem Lehrer in deinem Inneren. Welchen Rat gibt er dir? Vertraue darauf, dass er dir mitteilt was du tun sollst. Komme zu deinen Fragen zurück und schreibe auch diese Antwort auf – selbst wenn sie dir seltsam vorkommen. Lese dir dann alle Antworten durch und versuche, einen roten Faden zu erkennen. Findest du deine tiefste Sehnsucht, ist es einfacher, den ersten Schritt Richtung Lebenswandel zu gehen.

5. Setze starke Intentionen

Der nächste Schritt im Lebenswandel ist, sich ein Sankalpa zu überlegen. Das ist eine klar formulierte Aussage darüber, wie du handeln willst. Wenn du ein klares Sankalpa formulierst, sprichst du die Kraft hinter deinem eigenen Willen an und richtest deinen persönlichen Willen mit dem universellen aus. Hast du ein Gefühl dafür bekommen, wie du auf deine tiefste Sehnsucht zugreifst? Dann kannst du auch ein Sankalpa finden, das im Einklang mit deinen wahren Wünschen steht. Je mehr du damit auf deinen Herzenswunsch eingehst, desto wahrscheinlicher ist eine erfolgreiche Veränderung. Zu bedenken gilt: Das Sankalpa wird sich mit der Zeit und deinen verschiedenen Lebensphasen verändern. Egal zu welchen Zeitpunkt, deine Sankalpas sollten immer in der Gegenwartsform formuliert werden. Das klare Artikulieren deiner Aussage bringt das Ziel direkt in den gegenwärtigen Augenblick. Das verleiht dem Sankalpa die überzeugende Macht, dass dein erwünschtes Ergebnis nicht erst eintreffen muss, sondern bereits existiert.

(Anmerkung: Sankalpa - Absicht, Entschlossenheit, Entschluss, Wunsch, Ziel, aber auch Gedanke und Wille.)

6. Gehe jeden Schritt zu seiner Zeit aber bleib nicht stehen

Das Herz der Yoga-Praxis ist Abhyasa – das Bemühen, das zu erreichen, was du dir vorgenommen hast. Du bist entschlossen, etwas in deinem Leben zu verändern? Dann überlege dir, welche einzelnen Schritte du dafür gehen musst. Wende hier nochmal die Technik zur „Ergründung des Selbst“ an. Schmiede einen Plan. Denke nochmal alle Aspekte durch und finde mögliche Alternativen. Das nimmt dir die Ängste. Und nun kommen wir zum Handeln. Effektives Abhyasa im Lebenswandel bedeutet, einen Schritt nach dem anderen zu machen, um sich nicht überwältigt zu fühlen. Schnell wirst du merken, dass die ersten kleinen Schritte unweigerlich zu den nächsten führen. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten. Wichtig ist nur, nie stehen zu bleiben.

7. Übe das Loslassen

Eine positive Nebenerscheinungen an einer Veränderung ist aus yogischer Sicht die Möglichkeit, Vairagya zu praktizieren – das Loslassen. Loslassen der Vergangenheit. Das Aufgeben der Gewohnheiten. Es geht darum, Ängste, Schmerz, eine Beziehung oder einen Job loszulassen. Das heißt nicht, dass du Dinge auf eine brutale Weise aufgeben musst nur um den Wandel zu erzwingen. Erlaube dir, den Schmerz zu erleben oder die Angst zu fühlen. Atmen dann aus und stelle dir vor, dass du das, an dem du bisher festgehalten hast, zusammen mit dem Atem gehen lässt. Oder schicke es mit einem Mantra hinaus ins Universum. Mache das zu einem kleinen Ritual, bis du das Gefühl von Befreiung spürst. Denn genau das bringt Vairagya mit sich. Meiner Erfahrung nach kann alleine die Erinnerung daran loszulassen – Augenblick für Augenblick – der Schlüssel zu einem positiven und tiefen Wandel sein.

(aus yogaworld.de-Yoga Jornal)


Der wertvolle Krug

Eine ältere chinesische Hausdienerin holte jeden Morgen zwei Krüge Wasser aus dem Fluss im Dorf. Sie legte dafür eine Holzstange über ihren buckligen Rücken und hängte an jedes Ende einen Krug.

Einer der beiden Krüge bekam eines Tages in der Mitte einen Sprung. Fortan verlor er aus diesem Riss auf ihrem Weg vom Fluss bis zum Haus die Hälfte seines Wassers. Der Krug bemühte sich nach Kräften, das Wasser in sich zu bewahren. Doch vergebens. So sehr er sich auch anspannte, stets verlor er einen Teil seiner Fracht.

Der Krug wurde sehr zornig mit sich.

So ging es ein halbes Jahr lang. Der beschädigte Krug wurde von Tag zu Tag trübsinniger. Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Mit Verzweiflung in der Stimme wendete er sich an die alte Chinesin und weinte:
"Verehrte Frau, ich schäme mich so. Stets verliere ich die Hälfte des Wassers auf dem Weg. Bitte schlagt mich in Stücke, ich kann meinen Lebenszweck nicht mehr erfüllen."

Die chinesische Hausdienerin reagierte ganz anders als der Krug erwartet hätte. Liebevoll streichelte sie ihn über den Rand und bat ihn, am nächsten Morgen auf dem Rückweg vom Fluss doch einmal mit Achtsamkeit auf den Wegesrand zu blicken. Verwundert sagte ihr der Krug dies zu. Insgeheim war er sich aber sicher, dass dabei nichts herauskommen würde.

Der kaputte Krug erwachte mit dem ersten Morgenlicht. Er konnte es kaum erwarten, dass die alte Frau ihn holen und zum Fluss tragen würde.

Nun muss man zunächst wissen, dass die Hausdienerin den kaputten Krug immer auf der rechten Seite einhakte. Darum konnte der traurige Krug auf dem Hinweg zum Fluss nichts besonderes am Wegesrand feststellen.

"Geduld", beruhigte ihn die alte Frau, "Rückweg hatte ich gesagt."

Als sie sich endlich auf dem Heimweg befanden, betrachtete der Krug seine Seite des Weges ganz genau. Überall wuchsen dort farbenprächtige Blumen, Bienen und Libellen brummten und summten dazwischen herum. Wie jeden Morgen pflückte die alte Frau einen kleinen Strauß und steckte ihn vorsichtig in ihre Tasche.

Wie hatte er diese Pracht in den letzten Monaten nur übersehen können? Der Krug meinte, es läge an seinen konzentrierten Bemühungen, den Sprung zu verschließen. Er hatte einfach kein Auge für die Natur gehabt.

Am Hof angekommen fragte die alte Chinesin den Krug: "Und, ist dir etwas aufgefallen?"

"Ja, mir ist schon wieder die Hälfte des Wassers aus meinem Sprung geronnen."

"Das meine ich nicht, lieber Krug. Hast du denn die vielen Blumen nicht bemerkt."

"Doch, natürlich. Die haben mich sehr erfreut. Aber was habe ich damit zu tun?"

Die Alte lachte laut auf. "Lieber kaputter und wertvoller Krug du. Ist dir denn gar nicht aufgefallen, dass auf dem gegenüberliegenden Wegesrand nur sandiger Staub zu sehen ist? Das war früher auch auf der jetzigen Blumenseite so. Seitdem du den Sprung bekommen hast, verlierst du auf dem Rückweg immer einen Teil des Wassers auf diesen Wegesrand. Irgendwann begannen die Blumen zu wachsen ... Seit dieser Zeit ist es für mich immer eine Freude, diesen Weg entlang zu gehen.

Jeden Morgen pflücke ich einige Blumen und lege sie meinem Herrn auf den Frühstückstisch. Er ist voll des Lobes. Und das alles dank dir und deinem Sprung. Mögest du noch lange durchhalten, mein Freund."

(aus yoga-welten.de – Peter Bödeker)

 

Auch wenn die Dinge im Leben nicht ´mehr´ perfekt sind, können sie uns unter Umständen mit mehr Freude erfüllen als gedacht. Es gilt nur die Dinge anzunehmen. So auch mit Verletzungen, die uns das Leben zufügt. Ich bin der Meinung alle Verletzungen des Lebens können heilen, aber jede Verletzung lässt auch eine Narbe zurück.

Nun kann ich mich über die Narbe ärgern, ich kann mit ihr hadern, oder ich kann sie als Entstellung meiner Person ansehen.

Sobald ich aber mit meinen Narben Frieden schließe und sie als Teil von mir anerkenne, es vielleicht sogar schaffte, sie als individuellen Teil anzusehen, den kein anderer hat. Ja vielleicht sogar als etwas Schönes zu sehen, oder auch als Erinnerung, dass ich etwas Besonderes erleben durft, wird sich dieser Teil in mein Leben fügen. An Kraft und Angst verlieren und mich unter Umständen sogar trösten und voller dankbarer Freude erfüllen.

Alles eine Sache der Aufmerksamkeit und der Sicht auf die Geschehnisse des Lebens. Ich kam auf diese Gedanken, nachdem ich über Tattoos nachgedacht habe.


Ökologische Gerechtigkeit

Der Natur zu ihrem Recht verhelfen

Eine intakte Umwelt ist unsere Lebensgrundlage.  Erlangen Flüsse, Berge und Tiere das verbriefte Recht auf Existenz und Regenerierung, wird es viel einfacher, sie vor Zerstörung und Missbrauch zu schützen.
Alle Menschen haben ein Anrecht auf eine

 gesunde Umwelt und intakte Natur.  Nicht alle Menschen haben aber die gleiche Teilhabemöglichkeit, es gibt stark Benachteiligte uns stark Begünstigte. Offensichtlich geht ökologische Gerechtigkeit mit sozialer Gerechtigkeit einher. Maßlose Waldrodungen, unaufhaltbares Artensterben und der Verlust natürlicher Lebensräume, Verschmutzung und Überfischung der Weltmeere, aber auch Beschneidung der Grünbereiche, Lärmbelästigungen und Luftverschmutzung im Siedlungsbereich haben direkte soziale Auswirkungen.

Ökologische Gerechtigkeit heißt nicht nur gleiche Teilhabe an Natur und gleiches Recht auf Naturerleben, sondern auch, die Rechte der Natur, die Rechte aller Lebewesen sowie den Umgang mit Naturgütern im Ganzen in die Betrachtung einzubeziehen und zu respektieren. Die Global Alliance for thr Rights of Nature ist eine weltweite Bewegung von Einzelpersonen und Organisationen, die sich dafür engagiert, dass die Achtung der und Achtsamkeit gegenüber der Natur einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert erhält. Dafür fordert sie ein eigenständiges Recht der Natur – sprich dass Bäume, Meere, Tiere, Berge gleiches Recht wie auch wir Menschen haben sollten.

Die Allianz geht davon aus, dass in der Gemeinschaft viel erreicht werden kann, sei es für die Sensibilisierung, für das Bewusstmachen von ökologischen und sozialen Zusammenhängen oder für das Initiieren von Lösungsmöglichkeiten und Vorschlägen für die konkrete Umsetzung. Sie sehen sich als Fürsprecher(innen) für das Recht der Natur, sie klagen die Verusacher(innen) von Naturzerstörung an, diese müssen sich rechtfertigen und das bringt einen Diskussionsprozess in Gang. Das Projekt trägt weltweit enorm zur Aufklärung über Umweltzerstörung und ihre Folgen bei. Es legt den Finger in die Wunde und sorgt für die notwendige Empörung über das gesellschaftliche und globale Machtgefüge, das ein nachhaltiges Leben auf unserem Planeten gefährdet.

Zivilgesellschaft stärker billigen

Eine sozial-ökologische Transformation erfordert die grundlegende Änderung unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Ökologische Fragen und Folgen müssen auch ausschlaggebende Aspekte bei wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen sein und dürfen nicht bei geringsten wirtschaftlichen Bedenken hinten runterfallen. Unser wirtschaftliches Handeln muss die Natur  mit in seine Rechnung einbeziehen. Eine intakte Natur und Umwelt sind unsere Lebensgrundlage. Daher bedarf es eine dringenden Entkopplung von wachsenden Ressourcenverbrauch und der Zerstörung der Natur. All das würde mit einem universalen Recht der Natur, zu existieren, sich zu regenerieren und sich weiterzuentwickeln, beachtet und umgesetzt. Damit nachhaltiges und naturverträgliches Leben erreichbar wird, muss die Beteiligung der Zivilgesellschaft an politischen Entscheidungsprozessen deutlich ausgebaut werden. Die Allianz sollte weiterhin auf die verschiedenen gesellschaftlichen Akteure zugehen und für die Unterstützung ihrer Idee werben. Außerdem sollten der Schutz und das Recht der Natur in den Verfassungen aller Nationen verankert werden.

Des Weiteren müssen sich die Mitglieder der Zivilgesellschaft stärker vernetzen und gemeinsam ökologische Gerechtigkeit vorantreiben, voneinander lernen und vor allem stetig Überzeugungsarbeit bei den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger(innen) leisten. Die Wirtschaft muss endlich die Abwälzung interner Kosten auf Wehr- und Stimmenlose sowie die Natur beenden. Politik und Wirtschaft müssen es als ihre Aufgabe und Verantwortung ansehen, die Umstellung auf ökologisch verträgliche Lebens- und Wirtschaftsformen zu garantieren. Das bedeutet auch, die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen.

(aus Politische Ökologie, Geht doch! Geschichten, die zum Wandel anstiften von Helge Inden-Heinrich – oekom Verlag München – 2017)

Dieser Text erschien vor 6 Jahren und wenn wir uns anschauen, was unsere Industrie macht, dann muss man sich nur wundern. Es geht immer noch nur um Profit und Einnahmen, da hat man das Gefühl, die Natur und Umwelt ist ihnen völlig gleichgültig. Pandemie und Krieg rechtfertigen jedes Vorgehen. Wenn ich mir die Lebensmittelindustrien anschaue, dann scheint ihnen die Not der Menschen richtig gut zu tun. Sie bringen immer mehr ihre Eigenmarken in den Vordergrund. Die Menschen müssen auf diese „nachgemachten“ Produkte zu greifen. Sie vermitteln das gleiche Produkt wie das Original zu verkaufen, obwohl die Inhaltsstoffe meist von minderer Qualität sind. Hier findet man sehr oft immer noch Palmöl, etc.  Die Markenprodukte verschwinden vom Markt und wir können nur noch die miesen Lebensmittel kaufen. Es ist eine Schande, wie hier schleichend Marktanteile errungen werden. Es frustriet mich, wie die Menschen ausgenutzt werden. So viel, dass es zum Konsumieren reicht, aber zu wenig, um sich gesund und wertvoll zu ernähren.
Da fällt mir der schöne Spruch ein: „Wir verbieten den Menschen Lebensmittel aus dem Müll zu holen, erlauben aber einer Lebensmittelindustrie uns Müll als Lebensmittel zu verkaufen.“ Ich weiß leider nicht mehr, von wem der Spruch ist. Aber wir haben ja erst kürzlich erfahren, wie man mit fadenscheinigen Ausreden so weiter macht.

Die Gleichgültigkeit von Industrie und Politik ist sehr traurig. Unvermeidbares macht man, um nach außen sein Gesicht nicht zu verlieren, aber alles andere ließ man mal schön so weiterlaufen. Wir als Masse der Verbraucher hätten die Macht, hier was zu ändern, indem wir immer wieder hinterfragen und nachfragen, damit man merkt, es ist uns nicht alles egal.

Ich habe mich schon vor längerem Entschieden, dass ich mich gegen das ständige Umräumen der Ware in Supermärkten in der Form wehre, dass ich nicht immer lange suche, sondern gleich Nachfrage. Wenn das alle machen würden, glaub ich, würde sich was ändern.


Svetaketu – eine Erzählung aus den Upanishaden

Vor vielen, vielen Jahren lebte in Indien ein Jüngling namens Svetaketu bei seinem Vater, Uddalaka Aruna. Als der Jüngling zwölf Jahre alt wurde, schien es deinem Vater an der Zeit, seinen Sohn u einem Guru zu schicken. Svetaketu ging, wie sein Vater ihm befohlen hatte – und kehrte im Alter von vierundzwanzig Jahren als junger Mann wieder nach Hause zurück. Er hatte viel von einem Guru gelernt, aber zugleich wirkte er auf seinen Vater sehr hochnäsig und eingebildet. Ja, Svetaketu vermittelte seinem Vater sogar das Gefühl, bereits alles begriffen zu haben und nichts mehr lernen zu müssen.

Der Vater war erstaunt über das arrogante Verhalten seines Sohnes und nahm ihn eines Morgens zur Seite. Er fragte ihn: „Mein Sohn, du hast tatsächlich viel gelernt in den letzten zwölf Jahren. Aber hat dir dein Guru in diesen Jahren von den Lehren erzählt, durch die man hört – hört und versteht -, was man nicht hören kann? Oder hast du nach dem gefragt, wodurch man sieht, was man nicht sehen kann, und weiß, was nicht gewusst werden kann?“ Svetaketu war erstaunt, dass es anscheinend noch etwas gab, was er nicht wusste. Das machte ihn neugierig und so antwortete er: „Nein Vater, davon habe ich nicht gehört. Was sind das für Lehren?“

„Nun gut, mein Sohn, ich will dir von ihnen berichten. Wenn du weißt, was genau ein Klumpen Lehm ist, dann weißt du das wesentliche über sämtliche Dinge auf dieser Welt, die aus Lehm gemacht werden. Sie haben alle die gleiche Grundsubstanz und unterscheiden sich lediglich durch ihre äußere Form und ihren jeweiligen Namen voneinander. Genauso verhält es sich mit einem Klumpen Gold. Sobald du verstanden hast, woraus der Klumpen Gold besteht, kannst du das Wesentliche über alle Dinge, die aus diesem Metall hergestellt wurden, erkennen. Auch hier unterscheiden sich alle Dinge die aus Gold hergestellte wurden, lediglich in ihrer äußeren Form und ihren individuellen Namen. Das gleiche gilt für Kupfer, Eisen, Platin und all die anderen Metalle, die du kennst. Kennst du die Beschaffenheit weißt du, dass sie sich lediglich in Form und Namen unterscheiden. Durch solches Wissen erhälst du das Wesentliche und die Grundlage von allem zu Wissenden. Hat dich dein Guru dies gelehrt?“

„Mein lieber Vater, ich glaube, dass mein Lehrer dieses Wissen nicht besaß, sonst hätte er es mich bestimmt gelehrt. Deshalb bitte ich dich vom ganzen Herzen, mich darin zu unterrichten.“ – „Das tue ich gerne mein Sohn, darum höre gut zu. Am Anfang war reines Sein, ein Sein ohne ein anderes. Einige Menschen glauben zwar, dass am Anfang nur das Nichtseiende war, das Nichtseiende ohne ein zweites, und dass dieses das Seiende gebar. Aber sag mir, wie hätte es so sein sollen? Wie hätte sich aus dem Nichtseienden ein Seiendes entwickeln können?“ Er schaute seinen Sohn durchdringend an und fuhr mit seiner Belehrung fort: „Nein, mein Sohn, am Anfang aller Dinge existierte das rein Sein. Das reine Sein aber dachte bei sich selbst: Ich möchte so gerne Viele werden. Ich möchte gerne die verschiedenen Gestalten und Formen annehmen. Und so schuf das eine Sein das Licht. Das Licht aber dachte bei sich selbst: Ich möchte so gerne Viele werden. Und das Licht brachte das Wasser hervor. Und das Wasser dachte bei sich selbst: Ach, ich möchte so gerne Viele sein werden und Form und Gestalt bekommen. Und so erschuf das Wasser die Erde. Auf diese Weise erschuf sich das ganze Universum aus dem reinen Sein.“ Uddalaka Aruna hielt bewusst einen Moment lang inne, bevor er seinem Sohn tief in die Augen schaute und sagte: „Dieses Sein, das die feine Grundsubstanz von allem ist, die höchste Wirklichkeit, das Selbst von allem, was existiert – das bist du, Svetaketu.“

Svetaketu war mit einem Mal hellwach und spürte, dass sein Vater im Begriff war, ihm eine der zentralen Lehren zu vermitteln. Und mit einem Flehen in der Stimme bat er: „Erzähle mir mehr von diesem Wissen, gelehrter Vater.“ Uddalaka Aruna war erfreut über die Reaktion seines Sohnes und fuhr mit seiner Belehrung fort: „Nun gut, mein Sohn. Wenn die Bienen im Sommer den köstlichen Nektar von den verschiedenen Blüten sammeln und ihn zu Honig vermischen, dann denken die einzelnen Teilchen des Naktars nicht darüber nach, woher sie kommen. Genauso verlieren alle getrennten Wesen in dem Augenblick, in dem sie mit dem reinen Sein in Berührung kommen, die Vorstellung von ihrer getrennten Natur. Aber in dem Moment, in dem sie aus dem reinen Sein wieder zurückkehren, haben sie wieder das Bewusstsein einer getrennten Individualität – ob sie nun Bär, Ameise, Tiger, Adler, Mücke oder Fliege sind. Ja, selbst der Floh oder ein Moskito werden wieder ganz sie selbst.“ Und wieder hielt der Vater einen Moment inne, schaute seinen Sohn wieder tief in die Augen uns sagte in feierlichem Ton: „Und dieses Sein, das die feine Grundsubstanz von allem ist, die höchste Wirklichkeit, das Selbst von allem, was existiert – das bist du Svetaketu.“

Svetaketu bat seinen Vater: „Erzähl mir mehr von diesem Wissen, gelehrter Vater.“ Er war schon gespannt, was sein Vater ihm als nächstes erklären würde. „Nun gut, mein Sohn“, antwortete der Vater und fuhr fort „Alle Flüsse und auch alle Bäche, ob sie nun von Osten oder Westen kommen, fließen in das Meer. Wenn sich die Flüsse erst einmal im Meer vereint haben, dann denken sie nicht länger: Ich bin dieser Bach, und ich bin jener Fluss. In der gleichen Art und Weise, mein Sohn, denken alle Wesen, wenn sie sich wieder mit dem Sein vereint haben, nicht mehr an die gewundenen Pfade, die sie im Leben gingen.“ Und auch an der Stelle hielt der Vater wieder inne, schwieg jetzt etwas länger, bis er gewiss war, wieder die volle Aufmerksamkeit seines Sohnes zu haben und sagte dann: „ Dieses höchste Sein, das die feine Grundsubstanz von allem ist, die höchste Wirklichkeit, das Selbst von allem, was existiert – das bist du, Svetaketu.

„Erzähl mir mehr von diesem Wissen, gelehrter Vater“, bat Svetaketu. „So soll es sein, mein Sohn. Gehe hin, und bringe mir eine Feige von dem Feigenbaum dort drüben.“ Svetaketu tat, wie sein Vater ihm befohlen hatte. „Hier ist sie mein Vater.“ – „Öffne die Feige, und berichte mir, was du im Innern der Frucht siehst.“ – „Ich sehe viele winzige Samen, mein Vater.“ – „Nimm einen der Samen, öffne ihn, und sag mir, was du darin siehst.“ – „Ich sehe in seinem Inneren ganz und gar nichts, mein Vater.“ Darauf sagte der Vater: „Die feine Grundsubstanz, die Lebenskraft der Feige, erscheint dir als Nichts, aber glaube mir, mein Sohn, aus diesem großartigen Nichts ist dieser Feigenbaum emporgewachsen. Dieses Sein, das die feine Grundsubstanz von allem ist, die höchste Wirklichkeit, das Selbst von allem, was existiert – das bist du, Svetaketu.

„Erzähl mir mehr von diesem Wissen, gelehrter Vater“, bat Svetaketu. Er war erstaunt über die Wahrheit seines Vaters. „Gut mein Sohn, so soll es sein. Hole etwas Salz aus der Küche, und gib es in das Glas, das hier vor dir steht.“ Der Sohn tat wie ihm befohlen. Dann sagte der Vater: „Komm morgen früh wieder zu mir. „Svetaketu konnte es kaum abwarten, am nächsten Tag wieder zu seinem Vater zu gehen und zu hören, welche Belehrungen er ihm über das Salz und das Wasser geben würde. Als der Sohn erwartungsvoll vor seinem Vater stand, sagte dieser „Bring mir das Salz, das du gestern Abend in das Wasser gegeben hast. „Svetaketu schaute seinen Vater überrascht an, weil in dem Glas kein Salz mehr zu sehen war. Es hatte sich über Nacht völlig aufgelöst. „Ich kann dir das Sal nicht bringen.“ Der Vater aber sprach zu ihm: „Nimm einen Schluck Wasser, ganz von oben aus dem Glas, und sage mir, wie es schmeckt.“ – „Es schmeckt salzig, Vater.“ – „Schütte etwas fort, und trinke einen Schluck Wasser, aus der Mitte des Glases. Wie schmeckt es?“ – „Nicht weniger salzig als der erste Schluck, Vater.“ – „Und jetzt schütte wieder ein wenig fort, und trinke einen Schluck Wasser vom Boden des Glases. Wie schmeckt es?“ Auch hier tat der Sohn wieder, wie ihm geheißen war. „Es schmeckt genauso salzig wir der erste und der zweite Schluck.“ – „Nun gut, mein Sohn. Schütte das salzige Wasser weg, und komme zu mir.“ Svetaketu ging zu seinem Vater und sagte: „Jeder Tropfen schmeckte salzig.“

Und wieder schaute Uddalaka Aruna seinen Sohn eindringlich an und sagte: „Das ist richtig, mein Sohn. Du vermagst das reine Sein, wie es alles durchdringt, nicht zu sehen, aber in Wahrheit ist es immer da. Dieses Sein, das die feine Grundsubstanz von allem ist, die höchste Wirklichkeit, das Selbst von allem, was existiert – das bist du, Svetaketu.

Indem sein Vater so eindringlich zu ihm sprach, hatte Svetaketu das erste Mal in seinem Leben das Gefühl, einen weisen Lehrer vor sich zu haben. Von ihm wollte er lernen – und zwar Demut -, denn plötzlich fühlte er sich wie jemand, der zum ersten Mal in seinem Leben eine spirituelle Begegnung erhielt. „Erzähle mir mehr von diesem Wissen, gelehrter Vater“, bat Svetaketu seinen weisen Vater. „Gut, mein Sohn, so soll es sein. Stelle dir einen Mann vor, der gänzlich erblindet ist. Er hat sich weit von seinem Zuhause entfernt und sich in der Wildnis verloren. Er wird hoffnungslos und ohne Richtung umherirren und ausrufen: Ich bin mit Blindheit geschlagen und verlassen. Aber wenn jemand käme, ihm die Blindheit nähme und ihn die Hauptrichtung zurück in seine Heimat zeigen würde, dann könnte er möglicherweise mithilfe seiner Intelligenz und dem nötigen Willen und mit Entschlossenheit von Dorf zu Dorf gehen und dort nach der Richtung fragen und letztendlich sein Ziel erreichen. In der gleichen Art und Weise kann ein Mensch, der einen Lehrer gefunden hat, der ihn den rechten Weg lehren kann, wissen, dass er auf dem richtigen Pfad ist und dass er mit viel Ausdauer und Geduld sein Ziel erreichen kann.“

Und ein letztes Mal hielt Uddalaka Aruna inne und sprach dann zu seinem Sohn: „Dies es Wesen, das die feine Grundsubstanz von allem ist, die höchste Wirklichkeit, das Selbst von allem, was existiert – das bist du Svetaketu.

(aus „Alles ist Yoga“ von Doris Iding, Schirner Verlag)


Gedanken zum Leben - wie soll mein Leben denn sein?

Warum sagen wir das war ein gutes, oder ein schlechtes Jahr? Im Grunde ist es immer ein Zeitraum, wir müssen es nicht am Jahr fest machen. Es ist einfach eine Zeit und es kann sich jederzeit ändern. Das Jahr, oder die Zeit ist immer unschuldig und macht gar nichts, wir sind es, die der Zeit einen bestimmten Wert geben.

Das ist so ähnlich, wie zu warten, bis man endlich im Ruhestand ist und dann mache ich dies und das. Doch das Leben ist manchmal ein mieser Verräter und hat andere Pläne. Wir werden krank und können nicht mehr machen, was wir uns aufgehoben haben, oder wir verabschieden uns aus diesem Leben und hatten noch so viele Pläne.

Ich musste in der jüngsten Vergangenheit leider einiges erfahren, was mich gerade noch sehr beschäftigen. So ist ein Arbeitskollege, mit dem ich in der Ausbildung war und auch später kreuzten sich unsere Wege noch einmal für eine längere Zeit in der gleichen Firma. Nun ist er mit 50 Jahren von heute auf Morgen verstorben. Der Mann eines befreundeten Paares leidet an einem Tumor, der ihm sein normales Leben gerade nicht mehr ermöglicht, er ist genauso alt wie ich. Und dann traf ich kürzlich eine frühere Arbeitskollegin, ganz in schwarz beim Einkaufen. Ich dachte, es ist etwas mit ihrem Schiegervater, weil dieser schon länger krank war. Dann erfuhr ich von ihr, dass ihr Mann vor 4 Wochen verstorben ist, mit fast Mitte 40.

So habe ich mir vorgenommen, viele Dinge nicht auf die lange Bank zu schieben und die Sachen einfach zu machen. Und wenn es auch nur ganz einfach Dinge sind, wie mal wieder auf der Wiesent Kanu fahren, in einen See hüpfen, oder unterwegs einfach in den nächsten Biergarten gehen, um gemütlich was zu trinken. Oder einem netten Menschen einfach mal zu sagen, dass er nett ist und die nicht so netten Menschen ein wenig mehr zu ignorieren.

Wir bewerten die Dinge und geben ihnen ein Gewicht, bzw. lassen unsere Laune und unsere Empfindungen dadurch beeinflussen. Zwei Menschen sitzen im Auto und fahren gerade der untergehenden Sonne entgegen, die sehr tief am Horizont steht.

Der Beifahrer: „Was für ein toller und wunderbarer Sonnenuntergang. Einfach herrlich anzuschauen.“

Der Fahrer denkt sich dabei, so eine verflixte Sonne, die nervt, ich kann fast nix sehen. Sehe die Straße ja nicht einmal mehr richtig vor mir. Scheiß Sonne.

So hat jeder beim selben Anblick eine völlig andere Empfindung. Und was ist denn tatsächlich. Die Sonne scheint und geht in Kürze unter, nicht mehr und nicht weniger. Wir bewerten, urteilen und dadurch entsteht unsere innere Stimmung, unsere Laune.

Und durch unsere innere Stimmung entsteht unser Umfeld, die Menschen, die uns begleiten und begegnen. Wir können im Grunde selbst entscheiden, wollen wir unser Leben positiv und fröhlich gestalten, oder lassen wir uns runterziehen, umgeben uns mit Menschen, die ins gleiche Horn stoßen und unser Leben wird trist und negativ.

Sie du selbst das Licht, wenn du Licht und Freude im Leben haben willst. Gestalte deine Einstellungen überwiegend positiv und du wirst feststellen, dass viele positive Aspekte in dein Leben treten werden. Es wird sicher nicht alles gelingen, aber die Grundtendenz wird eine positive und das hilft dir auch Krisen gut zu meistern.

Entscheide also DU, wie dein Leben sich gestalten soll. Wandere auf der Sonnenseite und du wirst bei Regen immer darauf vertrauen können, dass die Sonne wieder scheint.


Auszüge aus einem kleinen Büchlein von Jorge Bucay

Ich will …
… dass du deine Meinung sagst, ohne mir Ratschläge zu erteilen

Ratschläge haben immer etwas Besserwisserisches an sich, und das passt nicht zu der Art von Beziehung, die ich gerne hätte. Deine Meinung interessiert mich, und ich schätze sie, insbesondere dann, wenn ich dich darum gebeten habe.

Ich will …
… dass du mir vertraust, ohne etwas zu erwarten

Dein Vertrauen ermutigt mich, denn es bedeutet, dass du an mich glaubst, und das ist sehr wichtig für mein Selbstwertgefühl. Es zeigt mir, dass du von meinen Fähigkeiten überzeugt bist, an denen ich manchmal zweifle. Doch wenn du Bedingungen stellst, geschieht etwas ganz anderes: Es weckt meinen Widerspruchsgeist, weil es mir deine Macht zeigt, statt mich in meiner Kraft zu bestärken.

Ich will …
… dass du mir hilfst, ohne für mich zu entscheiden

Deine Hilfe ist zu wertvoll, um auf sie zu verzichten. Manchmal bin ich auf sie angewiesen, nachdem ich es zuerst allein versucht habe. Aber entscheiden muss ich selbst, dann sonst werde ich nie die volle Verantwortung für mein Handeln übernehmen können.

Ich will …
… dass du mich siehst, ohne dich in mir zu sehen

Es ist nicht genug, wenn du zulässt, dass ich mich in dir sehe. Aber noch schlimmer ist es, wenn du dich in mir siehst und mir Eigenschaften zuschreibst, die nichts mit mir zu tun haben. Wenn du mich drängst, Dinge zu tun, die du dich selbst nicht zu tun traust. Wenn du dich als das Maß aller Dinge betrachtest und als Filter für meine Gefühle. Ich bin ich, und du bist du. Das eine ist so wichtig, wie das andere. Wir sind zwei eigenständige Personen, und das soll auch so bleiben.

Ich will …
… dass du mich umarmst, ohne mir den Atem zu rauben

In deiner aufrichtigen Umarmung fühle ich mich sicher und geborgen. Doch wenn du mich darin einsperrst, nimmst du mir die Luft zum Atmen, und diese Luft brauche ich noch nötiger als dich, auch wenn ich es nicht gerne sage. Als Gefangener deiner Umarmung bin ich zu keiner Handlung fähig; ich kann dich nicht einmal lieben, denn Liebe ist ein Akt der Freiheit.

Ich will …
… dass du dich näherst, doch nicht als Eindringling

Wenn wir uns nahe sind, ist das eine beidseitige Entscheidung. Doch wenn sich einer aufdrängt, ist das nur seine Entscheidung. Es gibt einen Raum, den ich mit dir teilen will, und es gibt einen Raum, der ganz alleine mir gehört. Diesen privaten Ort dürfen nur jene betreten, die ich dazu auffordere, und das auch nur für diesen Moment. Du bist eine der Personen, die häufig von mir eingeladen werden, und doch sollst du wissen, dass es an diesem Ort kleine Ecken und Winkel gibt, zu denen ich niemanden Zutritt gewähre, nicht einmal dir.

Ich will …
… dass du erkennst, was dir an mir missfällt, dass du es akzeptierst, versuche nicht, es zu ändern

Ich will, dass du genau weißt, wer ich bin, denn nur so kannst du mir helfen, es ebenfalls herauszufinden. In unserem vertrauten Verhältnis sollten auch die Anteile von mir Platz haben, die dir nicht gefallen. Denn ich wüsste nicht, was ich mit ihnen machen sollte, wenn ich sie nicht in unsere Begegnung einbringen könnte. Ich bin nicht genau so, wie du es dir wünschst, und genauso wenig gefällt mir alles an dir. Unser Miteinander wird das Beste in uns beiden zum Vorschein bringen und uns verändern. Aber ich ändere mich nur für mich, und du änderst dich nur für dich.

(„Ich will … Das kleine Buch über die Liebe“ von Jorge Bucay – Fischer TaschenBibliothek)

Der allergrößte Weihnachtswunsch

Weihnachtsgeschichte von K. Hoffmann und K. Haferkamp

Kennst du das? Du wachst auf und fühlst die kühle Luft, die über deine nackten Zehen streicht. Du fröstelst, ziehst die Füße reflexartig zurück unter die Bettdecke und drehst dich noch einmal um, denn dir bleibt noch ein bisschen Zeit, bis der Wecker klingelt. Und dann bist du plötzlich hellwach. Denn du spürst, dass etwas anders ist. Die Geräusche, die durch das leicht geöffnete Fenster zu dir hereindringen, sind sanfter. Das Licht des beginnenden Tages ist milder. Und das Bellen des Nachbarhundes aus seinem ersten Morgenspaziergang ausgelassener.

In Nullkommanichts bin ich auf den Beinen, reiße die Vorhänge auf, starre mit wild klopfendem Herz hinaus und fühle mich weit zurückversetzt in meine Kindheit, als die Winter noch richtige Winter waren. Über Nacht hatte es geschneit. Und der Schnee hat die Welt vor meinem Schlafzimmerfenster komplett verwandelt!

Ich lasse das Fenster sperrangelweit auf, laufe, so schnell es geht, die Treppe hinunter, streife meine Winterjacke über, schlüpfe in meine Gartenschuhe und öffne die Terrassentür. Flocken wirbeln durch den Luftzug herein. Einen Moment verharre ich auf der Schwelle, kurz nur und mit geschlossenen Augen und atme tief ein. Die kalte Winterluft füllt meine Lungen. Dann öffne ich die Augen wieder. Nur ein paar Schritte, die Verandatreppe hinunter und ich bin mittendrin, im Weihnachtswinterwunderland.

Der kleine Tisch, die Gemüsebeete, der Grillplatz am Ende des Gartens, alles ist von einer dicken Schicht watteweichen Schnees bedeckt, der in der aufgehenden Morgensonne magisch funkelt. Die Wipfel des angrenzenden Waldes biegen sich ebenso unter der Schneelast wie die Äste des Apfelbaumes in meinem Garten. Ein sanfter Windhauch löst ein paar Kristalle von seinen Zweigen, treibt sie vor sich her, als würde es immer noch schneien. Ich spüre, wie die Flocken mein Gesicht berühren, ein kurzer prickelnder Moment, ehe sie schmelzen, und fühle mich wie ein Kind, für das Geburtstag und Weihnachten auf einen einzigen Tag fallen. Ich weiß: Dieses kostbare kleine Glück muss ich festhalten! Denn es zergeht genauso schnell wie der Schnee auf meinen Wangen.

Das Vogelhäuschen, das ich Anfang September noch mit meinen Enkeln aufgehängt habe, schaukelt sanft vor und zurück, als ein Rotkehlchen darauf landet. Hungrig pickt es ein Korn nach dem anderen auf. Wie sehr würden sich die Zwillinge freuen, könnten sie das sehen! Aber sie sind weit weg, am anderen Ende der Welt.
„Dunedin? Noch nie gehört.“, brummte ich, als mir meine Tochter Marie im Sommer davon erzählte. Wir saßen auf den Stufen der Veranda und schauten den Kindern zu, die in dem gerade erst angeschafften Planschbecken herumtollten.

„Das ist eine Stadt in Neuseeland, Papa, auf der Südinsel. Kein Ort ist weiter von uns entfernt als dieser“, erklärte Marie fröhlich.

Na das klingt ja fabelhaft, dachte ich, sagte aber: „Eine Chance wie diese bekommt man nicht alle Tage.“ Denn ich freute mich für meine Tochter. Irgendwie zumindest.
„Du meinst, ich sollte den Job annehmen?“, fragte sie. Hoffnung lag in ihrem Blick. Die Hoffnung, dass ich es ihr nicht allzu schwer mache.
Ich dachte an einen alten Kalenderspruch: Was man liebt, das muss man ziehen lassen – dann kommt es auch zu einem zurück. Und obwohl mir gar nicht danach war, breitete ich die Arme lachend aus und rief: „Aber natürlich! Was denn wohl sonst!“
Ein paar Wochen später schon standen wir am Flughafen. Marie, die Zwillinge und ich. Und Bent, mein Schwiegersohn, der seine Gefühle von uns allen noch am besten im Griff hatte.
„Wenn Opa in seinem Garten ein Loch in die Erde gräbt, tiefer und immer tiefer und gar nicht mehr aufhört, was glaubt ihr, wo er dann wieder herauskommt?“, fragte er die Kinder munter und gab sich die Antwort gleich selbst: „Ganz genau, bei uns in Neuseeland. Ist das nicht toll?“

„Ja, das ist es“, flüsterte meine Tochter. „Also bist du ja gar nicht so weit weg.“

Eine letzte Umarmung, ein letzter Kuss, Hände, die sich noch einmal berührten, dann waren sie alle fort, auf dem Weg in den Frühling, während bei uns der Herbst gerade vor der Tür stand. Der Herbst und der Winter…

Das raue Krächzen einer Krähe reißt mich aus meinen Gedanken. Der schwarze Vogel landete elegant auf dem Wipfel der Tanne am Ende des Gartens. Schnee rieselte herab. Wann hatte es eigentlich das letzte Mal so geschneit? Noch dazu an Weihnachten? Es ist 07.30 Uhr am 24. Dezember. Ich stehe in Socken und mit nackten Beinen schlotternd in meinem Garten und habe noch wahnsinnig viel zu tun! Denn ich bin verabredet zu einem Weihnachts-Video-Meeting mit Marie, Bent und den Zwillingen. Jetzt gleich, wegen der Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Neuseeland.

„Das wird trotzdem ein tolles Fest, du wirst schon sehen“, höre ich mich Mitte November während eines Video-Calls zu meiner Tochter sagen und wunderte mich selbst, wie glaubhaft mir diese Notlüge über die Lippen kam.

Es war ein trüber, grauer Tag. Einer von jenem, an denen man nicht so genau weiß, wo die Regenwolken beginnen und wo sie aufhören – oder umgekehrt. In meinem Kamin prasselte ein behagliches Feuer, doch seine Wärme erreichte mich kaum.

„Aber wie soll das gehen“, fragte meine Tochter. „Wir an Weihnachten in Neuseeland und du alleine zu Hause.“

Ich winke ab. „Mach dir um mich mal keine Sorgen, ich komme schon klar!“ Dabei wünschte ich mir nichts sehnlicher, als das Fest mit ihr und Bent und den Zwillingen zu feiern. Doch um mich ging es jetzt nicht. Deswegen sagte ich gut gelaunt: „Ihr müsst in eurem neuen Zuhause Fuß fassen. Verbringt die Feiertage am Meer! Die Füße im Sand, die Sonne auf der Nase, eine frische Brise in den Haaren … Was will man denn mehr?“

„Weihnachten am Strand, das wäre wirklich mal etwas ganz anderes“, gab Marie zu. „Bent und die Kinder hätten bestimmt Spaß daran …“ Aber sie zweifelte noch. Das sah ich ihr an. Also zog ich meinen allerletzten Trumpf aus dem Ärmel. „Mir wird der ganze Weihnachtstrubel langsam auch zu viel“, sagte ich. „Die Vorbereitungen, die Einkäufe, das volle Haus, die tobenden Kinder …“ Und dann mit Nachdruck: „Ich bin nicht mehr der Jüngste. Bestimmt tut mir die Ruhe an Weihnachten auch mal gut.“

Marie runzelte die Stirn und fragte: „Bist du dir sicher?“

Ich nickte kräftig. „Aber natürlich“, sagte ich:
Einen Moment schaute sie mich fest an, versuchte zu erkennen, ob ich tatsächlich meinte, was ich sagte. Aber wenn es drauf ankommt, kann ich ein ziemlich guter Schauspieler sein!

„Die Kinder haben schon ihre Wunschzettel geschrieben“, erzählte sie schließlich und hielt zwei bunte Blätter in die Kamera. „Sie wollen auf Nummer sicher gehen, dass das Christkind noch rechtzeitig von ihren Wünschen erfährt …“

Ich brauchte einen Moment, bis ich erkannte, was auf den Bildern zu sehen war: eine Ritterburg auf dem einen, ein Piratenschiff auf dem anderen. Aber in beiden Zeichnungen schneite es kräftig. Und im Hintergrund stand jeweils ein Tannenbaum. Mit brennenden Kerzen und roten Schleifen. Und einem übergroßen Stern auf der Spitze. In diesem Moment kam mir die rettende Idee mit dem Video-Meeting.

„Was hältst du davon“, sagte ich. „Um 9 Uhr zünde ich die Kerzen an meinem Weihnachtsbaum an und setzte den Stern auf die Tannenspitze. Die Kinder, Bent und du, ihr schaut mir über die Webcam live dabei zu. Und dann werden die Geschenke ausgepackt. Die muss ich euch vorher natürlich schicken. Und ein paar von meinen leicht verbrannten Plätzchen bekommt ihr als Zugabe noch obendrauf. An Weihnachten darf schließlich nichts fehlen, oder?“

„Das stimmt, an Weihnachten darf nichts fehlen“, wiederholte Marie und lachte. Nein sie strahlte über das ganze Gesicht. Mir wurde warm ums Herz, als ich sie so sah, und plötzlich war ich mir sicher, dass das wirklich ein schönes Fest werden würde. Für sie und für mich.

Als ich mich umdrehe, um zurück zum Haus zu laufen, entdeckte ich Pauline. Sie wohnt nebenan, unsere Gärten sind bloß durch eine niedrige Hecke voneinander getrennt. Energisch stapfte sie durch den tiefen Schnee zu ihrer Garage, dick eingemummelt in eine Winterjacke und auf dem Kopf die schöne gelbe Strickmütze, unter der sich ihre weißgrauen Locken wild hervordrängeln.

Ende November waren wir mit Paulines altem Auto in die Stadt gefahren. Um unsere Weihnachtseinkäufe zu machen. Außerdem wusste sie, dass mich der kleine Ausflug auf andere Gedanken bringen würde. Denn auch, wenn ich mir die ganze Zeit das Gegenteil einzureden versuchte: Das bevorstehende Fest ohne meine Tochter, meinen Schwiegersohn und meine Enkel machte mich traurig.

Wir bummelten gemütlich durch die festlich beleuchteten Straßen, statteten dem Spielwarengeschäft einen ausgiebigen Besuch ab, einem wahren Kinderparadies, in dessen Schaufenster auch in diesem Jahr eine kleine Eisenbahn ihre Runden durch das Dorf des Weihnachtsmannes drehte. Danach ins Kaufhaus, wo im Eingangsbereich ein großer prachtvoll geschmückter Weihnachtsbaum stand. Und zum Schluss auf den Weihnachtsmarkt mit seinen schlichten Holzbuden und all den wunderbaren, verlockenden Düften. Grillwürstchen, Backfisch, frische Waffeln, heißer Kakao, Zimt.

Wir standen etwas abseits, lauschten der Musik, die der Wind von der Bühne zu uns herüberwehte, und genossen entspannt das bunte Treiben um uns herum. Ich sah, wie Pauline ihre Handschuhe anzog, wie sich ihre klammen Finger um die Tasse mit heißem Glühwein schmiegten, sah ihre fröhlichen Augen. Und die Locke, dies ich unter ihrer Mütze hervorgewunden hatte. Ohne nachzudenken, streckte ich meine Hand aus und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Pauline lachte.

„Ich habe immer von feinem und glatten Haar geträumt“, erzählte Pauline, „schon als Kind.“

Dazu fiel mir nichts ein. Denn ich fand ihre störrischen Locken wunderschön. Ich fühlte mich leicht in diesem Moment. So leicht wie lange nicht mehr.
Nach dem Stadtbummel und dem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt packten wir die Geschenke für Marie, Bent und die Zwillinge ein.

„Dein Paket muss natürlich früh auf den Weg – es wird ja eine ganze Weile brauchen, bis es in Neuseeland ankommt“, erklärte Pauline. „Ich habe noch einen großen Karton, den du als Verpackung nehmen kannst.“

Während sie den Karton holte, strich ich das Geschenkpapier glatt. Es war ein bisschen knittrig, aber die Kinder würden die silberne Prägung lieben: lauter kleine Sterne, wie der, der an Heiligabend auf meinem Weihnachtsbaum stehen würde. Ich hatte die letzte Schleife gerade gebunden, da war Pauline mit ihrem Karton zurück. Auf seiner Seite prangte das Bild eines kleinen handlichen Kugelgrills.

„Nicht gerade weihnachtlich, aber vor allem sehr stabil“, sagte sie schnell und begann, den Karton mit zerknülltem Zeitungspapier auszustopfen. „Besser als nichts“, antwortete ich grinsend.

Während wir die Päckchen vorsichtig in den Karton legten, die Lücken mit Zeitungspapier, bunten Kugeln und Sternen aus Schokolade füllten, malte ich mir aus, wie sehr die Zwillinge sich freuen würden, dass das Christkind ihre Wünsche selbst im fernen Neuseeland erfüllte. Es kennt nun mal jeden Winkel dieser Welt, wieso sollte es da ausgerechnet Dunedin nicht finden?

Als ich zum Schluss noch den Beutel mit meinen selbst gebackenen Plätzchen obenauf legte, fragte Pauline: „Soll ich es morgen mitnehmen?“

„Was?“, fragte ich.

„Na, dein Paket“, sagte Pauline. „Ich muss noch eine Sendung abholen, da kann ich doch dein Paket gleich mitnehmen und aufgeben.“
„Ach, was!“ Ich winkte ab. „Das kann ich genauso gut selbst machen.“

Aber Pauline ließ nicht locker und im Grunde hatte sie ja auch recht. Warum sollten wir beide zur Post fahren und uns in die Schlange stellen? „Bevor du es dir anders überlegst“, sagte sie und nahm mir den Karton aus den Händen. „Jetzt muss ich los, ich habe noch etwas Dringendes zu erledigen. Danke für den schönen Tag!“
Dann war sie weg. Und mit ihr mein Paket …

Das jetzt wieder da ist. Oder besser: Immer noch! Auf dem Karton, mit dem Pauline gerade aus ihrer Garage kommt, prangt der altbekannte Kugelgrill. Ich mache mich ganz klein, damit Pauline mich nicht entdeckt, weiß nicht, wie ich reagieren soll. Ich sehe, wie sie durch ihren Garten stapft, ganz selbstverständlich, so, als wäre überhaupt nichts. Mit dem Paket unter dem Arm, steigt sie die Verandastufen hoch, verschwindet im Haus und schließt die Terrassentür.

Ich bin wie versteinert. Kann das sein? Nein! Pauline weiß doch, wie wichtig mir dieses Paket ist, was Marie und ich geplant haben, dass die Kinder sich auf die Bescherung freuen. Das muss ein anderes Paket sein. Ja, ganz bestimmt! Aber wie viele Kugelgrille kann ein einzelner Mensch besitzen …? Ich spüre nicht die Kälte in meinen Füßen, nicht die in meinen Händen. Mein Paket ist noch hier, ich bin mir sicher. Es ist nicht in Dunedin, am anderen Ende der Welt, dort, wohin ich gelange, wenn ich ein sehr, sehr tiefes Loch in meinen Garten grabe.

Pauline hat vergessen, es zur Post zu bringen. Ich hätte es ihr nicht überlassen sollen. Oder mal nachfragen können, ob es auf dem Weg ist. Wenigstens das! Aber ich habe nur davon geträumt, wie sehr sich alle freuen. Gleich sehe ich sie, meine Tochter, die Zwillinge und Bent. Aber es gibt nichts, was sie vor der Webcam auspacken könnten. Denn ihre Geschenke, das Papier mit den silbernen Sternen, die Schokokugeln und Schokosterne und die Plätzchen sind alle noch hier.

Ich schaue auf meine Uhr. Eine Stunde noch bis zum Video-Call. Wenn ich es nicht ganz vermasseln will, muss ich mich wenigstens um den Rest kümmern. Wie in Trance gehe ich zurück ins Haus. Wische den geschmolzenen Schnee vom Parkett, gehe duschen und mache mir einen Kaffee.

08.45 Uhr – Ich stelle den Rechner auf, positioniere ihn so, dass der Tannenbaum gut zu sehen ist. Seit gestern steht er in meinem Wohnzimmer, die Nadeln noch frisch und leuchtend grün, geschmückt mit gold-glänzenden Kugeln, echten weißen Kerzen und den roten Schliefen, die Marie als Kind so sehr geliebt hat.

08.50 Uhr – Ich nehme den Stern für die Baumspitze vorsichtig aus seiner Verpackung. Er ist aus Kristall und funkelt im Kerzenlicht wie ein echter Diamant.
Wenn schon keine Geschenke, dann wenigstens das, denke ich, wenigstens der Baum, die Kerzen, die Schliefen. Und der Stern.

Die Kinder lieben diesen Stern!

08.55 Uhr – Ich wähle mich in das Video-Meeting. Am anderen Ende tut sich noch nichts. In dem kleinen Fenster auf meinem Bildschirm sehe ich nur mich. Und den Baum hinter mir. Ich versuche mich an einem Lächeln und es gelingt. Sogar ein echtes Lächeln, eines, das von Herzen kommt. Ich freue mich, meine Familie gleich zu sehen. Und ist das nicht sowieso das Wichtigste? Dass wir einander haben und füreinander da sind? Das Paket, die Geschenke, können auch später noch ankommen und ausgepackt werden. Dann dauert das Weihnachtsfest für meine Familie in diesem Jahr eben ein wenig länger.

Die Uhr an meinem Rechner springt um: 09.00 Uhr. Immer noch Stille im Äther. Die Minuten vergehen. 09.01 Uhr – 09.02 Uhr – 09.03 Uhr … Das Schrillen meiner Türklingel schreckt mich auf. Ich will jetzt nicht zur Tür, aber wer auch immer da draußen steht, ist energisch. Es klingelt noch einmal, länger und beharrlicher, und dann noch mehrmals hintereinander.

„Schon gut!“, rufe ich gegen den lauten Ton an. „Schon gut, ich komme ja!“

Widerwillig renne ich in den Flur, drücke die Klinke herunter. Noch abgeschlossen. Fahrig drehe ich den Hausschlüssel im Schloss, drücke die Klinke erneut, reiße die Tür auf und dann …

„Frohe Weihnachten Papa!“

Marie fällt mir um den Hals und will mich gar nicht mehr loslassen. Die Zwillinge drängen sich vor, Bent kann sie kaum zurückhalten.

„Überraschung!“, ruft er und lacht.

Und was für eine, denke ich. Womöglich die größte, die ich je erlebt habe!

Die Kinder stürmen an uns vorbei ins Haus.

„Der Stern, der Stern!“, rufen sie und sind ganz aufgeregt.

„Frohe Weihnachten“, sagte Bent.

Unter seinem Arm klemmt ein Paket.

Mein Paket.

„Was für ein Glück, dass Pauline es nicht auf den Weg gebracht hat!“

„Glück?“, fragte meine Tochter und wirft Pauline einen vielsagenden Blick zu.

Die steht am Fuße der Treppe und grinst wie ein Honigkuchenpferd. Und plötzlich mir wird bewusst: Das Christkind hatte in diesem Jahr einen ganz besonderen Helfer. Sonst wäre mein allergrößter Weihnachtswunsch nicht in Erfüllung gegangen: Weihnachten mit meiner Familie! „Manchmal braucht eben auch das Christkind ein bisschen Unterstützung“, sagte Marie.

Und als ich in die Augen meiner erwachsenen Tochter schaue, die strahlen wie die eines zehnjährigen Kindes kurz vor der Bescherung, weiß ich, dass es auch ihr größter Wunsch war. Weihnachten zu Hause. Weihnachten mit mir.

„Vielleicht solltet ihr wieder anfangen, Wunschzettel zu schreiben“, schlägt Bent augenzwinkernd vor. „Das Christkind kann schließlich nicht alles wissen – schon gar nicht von so geheimen Weihnachtswünschen wie euren.“ Er schiebt sich an uns vorbei ins Haus. Marie folgt ihrem Mann und wirkt so glücklich wie schon lange nicht mehr.

Pauline lächelt still. Sie trägt immer noch den Wintermantel und die Mütze. Und auch die Locke ist noch da. Ich strecke die Hand aus. Aber nicht, um ihr das Haar aus dem Gesicht zu streichen, sondern um sie ins Haus zu bitten.

Es ist früh am Morgen, aber an unserem Weihnachtsbaum gehen schon jetzt die Lichter an. Die Kinder helfen mir, die Kerzen anzuzünden. Marie setzt den Stern auf die Spitze des Baumes. Einen Moment halten wir inne und genießen den Anblick, ehe Bent das Paket mit dem Kugelgrill auf den Boden stellt und laut „Geschenke!“ brüllt.

Pauline legt eine Hand auf meinen Arm. „Frohe Weihnachten“, sagt sie leise.

„Frohe Weihnachten“, antworte ich und lege meine Hand auf ihre.

Sie lässt sie dort. Genau, wo sie jetzt ist.


Die Angst verwandeln, die uns umgibt

Viele von uns handeln sehr oft aus Angst vor der Vergangenheit oder der Gegenwart. Damit beeinflussen wir nicht nur einander, sondern auch die weitere Gesellschaft. Wir erzeugen eine Kultur der Angst. Wenn wir Angst haben und aufgewühlt und besorgt sind, müssen wir uns dies zunächst eingestehen. Wir können die Angst erkennen und umarmen, statt sie auszuleben. Überall um uns herum gibt es Menschen, die sich ängstigen und aus dieser Angst heraus handeln. Inmitten dieser Angst sehnen wir uns alle nach Frieden und Sicherheit.
Zuweilen kann es verlockend sein, sich über die Angst anderer lustig zu machen, weil sie uns an die eigene erinnert. Wir haben gelernt, unsere Furcht unter Verschluss zu halten und sie uns nicht einzugestehen. Wir können wir die Angst und damit auch die Wut und die Gewalt loslassen, die sie in uns schürt? Wir müssen tief zuhören und lernen, so zu praktizieren, wie auch der Buddha praktizierte, um seine Angst und seine Gewalttätigkeit loszulassen.
Wenn wir üben, uns unserer Angst gewahr zu sein und tief in ihren Ursprung hineinschauen, werden wir die Antwort finden.

Angst vor Terrorismus

Wenn wir heute mit dem Flugzeug fliegen, ist jeder verdächtig. Jeder könnte ein Terrorist sein. Jeder könnte Sprengstoff oder eine Bombe bei sich tragen. Alle müssen durch die Sicherheitskontrolle. Jeder hat Angst vor allem und jedem. Sogar, wenn man wie ich eine Mönchsrobe trägt, wird man gescannt oder durchsucht, weil die Angst so allgegenwärtig ist. Die Menschen vor uns haben dieses Klima der Angst geschaffen, das nun immer weiter wächst. Kaum einer weiß, wie er seine Furcht loslassen kann.
Wir entwickeln den Wunsch nach Rache. Wir wollen die Menschen bestrafen, die unser Leiden verursacht haben, und glauben, dadurch ließe es nach. Wir wollen ihnen Gewalt antun, um sie zu bestrafen. Wenn ein Terrorist Sprengstoff in einen Bus oder ein Flugzeug bringt, sterben alle. Sein Bestrafungswunsch ist aus seinem Leid geboren. Er weiß nicht, wie er damit umgehen soll und versucht, es dadurch zu lindern, dass er andere bestraft.
Der Buddha sagt: „Ich habe tief in den Geisteszustand unglücklicher Menschen hineingesehen und entdeckt, dass unter ihrem Leiden ein sehr scharfes Messer verborgen ist. Weil sie nichts von diesem Messer wissen, fällt es ihnen schwer, ihr Leiden zu bewältigen.“
Ihre Angst ist tief in Ihrem Herzen vergraben – ein scharfes Messer, das unter vielen Schichten verborgen ist. Dieses scharfe Messer ist die Ursache für ihr unfreundliches Verhalten. Sie sehen weder das Messer, noch den Pfeil in ihrem Herzen, aber sie veranlassen Sie dazu, anderen Menschen Leid zuzufügen. Sie können lernen, dieses Messer in Ihrem Inneren zu erkennen. Und wenn Sie es gefunden haben, können Sie es aus Ihrem Herzen entfernen und anschließend auch anderen helfen, das Messer in ihrem Herzen zu finden und herauszuziehen. Sie leben schon lange mit dem Schmerz, den es Ihnen zufügt. Solange Sie daran festhalten, wird er immer weiter wachsen, bis Sie diejenigen bestrafen wollen, die Sie für die Verursacher Ihres Leidens halten.

Eine Revolution des Mitgefühls

Jeder Mensch trägt die ursprüngliche Angst in sich, aber nicht nur die Einzelnen ängstigen sich. Viele Länder und Regionen der Erde brennen vor Angst, Leid und Hass. Wir müssen zu uns selbst zurückkehren und zu verstehen versuchen, weshalb wir in so viel Gewalt und Angst gefangen sind – und sei es nur, um das eigene Leiden zu lindern. Was bringt Terroristen dazu, so sehr zu hassen, dass sie bereit sind, das eigene Leben zu opfern und anderen so großes Leid zuzufügen? Wir sehen ihren großen Hass, aber was schürt ihn? Vermeidliche Ungerechtigkeit. Natürlich müssen wir eine Möglichkeit finden, die Gewalt ein Ende zu bereiten. Möglicherweise müssen wirr manche Menschen sogar von anderen isolieren, solange sie eine Gefahr für sie darstellen. Wir müssen uns aber auch fragen: „Welche Verantwortung tragen wir für die Ungerechtigkeit der Welt?“
Wir wollen uns nicht ängstige. Wenn wir an unserer Angst festhalten, verwandelt sie sich oft in Wut. Wir sind wütend darüber, dass wir Angst haben. Wir sind wütend auf alles oder jeden, den wir für die Ursache unserer Angst halten und von dem wir glauben, er würde uns auch weiterhin in Angst versetzen. Manch einer versucht sein Leben lang nur, sich an allem zu rächen, was er für die Ursache seines Leides hält. Eine solche Motivation kann nur weiteres Leiden nach sich ziehen – nicht nur für andere, sondern auch für diesen Menschen selbst.
Hass, Zorn und Wut sind wie lodernde Feuer, die durch Mitgefühl gelöscht werden können. Wo aber finden wir Mitgefühl? Im Supermarkt bekommen wir es nicht, denn dann müssten wir es nur mit nach Hause nehmen und könnten spielend leicht den ganzen Hass, die ganze Gewalt auf der Welt auflösen. Aber Mitgefühl lässt sich nur durch die eigene Praxis im eigenen Herzen erzeugen.
Manchmal sagt oder tut ein geliebter Mensch – unser Kind, unser Ehepartner, unser Vater, unsere Mutter – etwas Grausames, und wir fühlen uns verletzt. Wir denken, nur wir würden darunter leiden. Aber auch der andere leidet, denn sonst hätte er uns nicht mit seinen Worten oder seinem Verhalten verletzt. Der geliebte Mensch weiß nicht, wie er sein Leiden verwandeln soll, und lässt deshalb einfach seine ganze Angst und Wut an uns aus. Wir sind dafür verantwortlich, die Energie des Mitgefühls zu erzeugen, die zuerst unser eigenes Herz beruhigt und es uns anschließend gestattet, dem anderen zu helfen. Wenn wir den anderen bestrafen, leidet er nur noch mehr und er Kreislauf setzt sich fort.
Reagieren wir auf Gewalt mit Gegengewalt, werden wir nicht nur denjenigen, die wir bestrafen wollen, sondern auch uns selbst noch mehr Gewalt, noch mehr Ungerechtigkeit und noch mehr Leiden zufügen. Diese Weisheit trägt jeder in sich. Wenn wir tief atmen, können wir ihren Samen in uns berühren. Ich weiß, könnte man die Energie der Weisheit und des Mitgefühls auch nur eine Woche lang in allen Menschen nähren, würde dadurch das Ausmaß der Angst, der Wut und des Hasses in der Welt verringert. Ich möchte uns alle dazu auffordern, und darin zu üben, unseren Geist zur Ruhe zu bringen und zu konzentrieren, den Samen der Weisheit und des Mitgefühls zu wässern, den wir bereits in uns tragen, und die Kunst des achtsamen Konsumierens zu erlernen. Gelingt uns dies, werden wir eine wahrhaft friedliche Revolution auslösen – die einzige Art von Revolution, die uns aus dieser schwierigen Lage befreien kann.

Mitfühlendes Zuhören

Ein gr0ßer Teil unseres Leidens entsteht durch falsch Wahrnehmung. Um die Verletzung zu heilen, müssen wir unsere falsche Wahrnehmung beseitigen. „Ich glaube, er oder sie tut dieses oder jenes. Aber vielleicht sieht die Wirklichkeit ja etwas anders aus. Es gibt eine Reihe von verborgenen Aspekten, die ich nicht kenne. Ich muss ihm oder ihr besser zuhören, um besser zu verstehen.“ Vielleicht nehmen uns die Menschen, die wir für die Verursacher unseres Leidens halten, ebenfalls falsch wahr. Wenn Sie sich bemühen zuzuhören und sich die andere Seite der Geschichte anhören, wächst Ihr Verständnis und Ihre Verletztheit schwindet.
In einer solche Situation können wir uns zunächst im Stillen eingestehen, dass die Bilder in unserem Kopf – das, was unserer Ansicht nach geschehen ist – möglicherweise nicht ganz den Tatsachen entsprechen. Wir üben uns im Atmen und im Gehen, bis wir ruhiger und entspannter sind.
Wenn wir bereit sind, können wir den Menschen, die uns unserer Ansicht nach verletzt haben, zweitens sagen, dass wir leiden und dass wir wissen, unser Leiden könnte die Folge unserer falschen Wahrnehmung sein. Statt dem oder den anderen Vorwürfen zu machen, können wir sie um Hilfe und eine Erklärung bitten, um besser verstehen zu können, weshalb sie diese Dinge gesagt oder getan haben.
Wir müssen noch eine dritte Sache tun – wenn wir können. Sie ist sehr schwierig, vielleicht sogar die schwierigste. Wir müssen uns die Antwort des anderen ganz genau anhören, um wirklich zu verstehen und zu versuchen, unsere Wahrnehmung zu korrigieren. Dabei entdecken wir vielleicht, dass wir unserer falschen Wahrnehmung zum Opfer gefallen sind.  Höchstwahrscheinlich ist auch der andere Opfer falscher Wahrnehmungen.
Das tiefe Zuhören und das liebevolle Sprechen sind sehr wirkungsvolle Übungen. Wir können damit eine gute Kommunikation aufbauen und herausfinden, was tatsächlich vor sich geht. Wenn wir die Wahrheit wirklich wissen wollen und die sanfte Rede und das tiefe Zuhören beherrschen, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass wir die echten Wahrnehmungen und Gefühle der anderen hören werden. Dabei entdecken wir vielleicht, dass auch sie manches falsch wahrnehmen. Nachdem wir ihnen bis zum Schluss zugehört haben, haben wir die Gelegenheit, sie bei der Korrektur ihrer falschen Wahrnehmungen zu unterstützen. Wenn wir auf diese Weise mit unseren Verletzungen umgehen, können wir unsere Angst nd unsere Wut in Chancen auf tiefere, ehrlichere Beziehungen verwandeln.

                                                                                                                                                                                                           (aus „Der furchtlose Buddha“ von Thich Nhat Hanh – arkana Verlag)

Heute habe ich Dir einen meiner derzeitigen absouten Lieblingstexte rein geschrieben. Ein Text von Wolfgang Neidenfind. Idealerweise machst du nach jeder Antwort der Liebe  eine kleine Pause, damit die Worte wirken können. Oder du hast jemanden der sie dir vorliest, bzw. nimmst sie dir auf: Ich baue diesen Text auch immer mal gerne in meine Yogastunden mit ein. - Danke Wolfgang!


Die Geschichte von Liebe und Angst

Du wirst geboren und

die Angst sagt: Pass auf, die Welt da draußen ist gefährlich und voller Gefahren
die Liebe sagt: Komm, lass uns die Wunder des Lebens entdecken

Du machst deine ersten Schritte und

die Angst sagt: Du kannst das nicht. Hör auf mich, sonst werde ich dir weh tun
die Liebe sagt: Lass dir Zeit. Und wenn du hinfällst, helfe ich dir wieder auf

Du entdeckst deinen Willen und

die Angst sagt: Nein, so geht das nicht. Glaubst du, du bist allein auf der Welt?
die Liebe sagt: Willkommen! Schön, dass du da bist

Du denkst magisch und voller Fantasie und

die Angst sagt: Mach nicht zu lang, schließlich kannst du nicht ewig Kind sein
die Liebe sagt: Setz dich zu mir, ich erzähle dir eine Geschichte

Du gehst zur Schule und

die Angst sagt: Schluss mit lustig! Jetzt reden wir über den Ernst des Lebens
die Liebe sagt: Du wirst staunen, es gibt so vieles zu lernen und zu entdecken gibt

Du verliebst dich zum ersten Mal und

die Angst sagt: Sei vorsichtig, sonst wird dir dein Herz gebrochen
die Liebe sagt: Kannst du dein Herz spüren, wie es vor Freude springt?

Deine Sexualität erwacht und

die Angst sagt: Was soll das denn sein? Das ist ja eklig!
die Liebe sagt: Ich habe ein Geschenk für dich!

Du führst eine Beziehung und

die Angst sagt: Tu alles, damit es nicht wieder endet
die Liebe sagt: Sei dankbar und erblühe

Du findest deine Identität und

die Angst sagt: Jetzt kann ich dir zeigen, wer hier das Sagen hat
die Liebe sagt: Bleib offen für Veränderung

Du arbeitest in einem Beruf und

die Angst sagt: Ordne dich unter und stell keine Fragen
die Liebe sagt: Vergiss nie, warum du in die Welt gekommen bist

Du streitest mit einem Mitmenschen und

die Angst sagt: Gib nicht nach, schließlich bist du im Recht
die Liebe sagt: Vergebt einander

Du hast Kinder und

die Angst sagt: Gib mir mehr Raum, wo sollen denn all die Sorgen hin?
die Liebe sagt: Sei da, öffne dein Herz, hör gut zu und lerne

Du erreichst etwas in der Gesellschaft und

die Angst sagt: Das reicht noch nicht, du brauchst viel mehr
die Liebe sagt: Viel Spaß beim Spielen

Du stürzt in eine Krise und

die Angst sagt: Du bist zu nichts zu gebrauchen
die Liebe sagt: Zeit aufzuwachen, meine Liebe!

Du überlegst, völlig neue Wege im Leben zu gehen und

die Angst sagt: Echt jetzt? Mach dich doch nicht lächerlich!
die Liebe sagt: Gratuliere! Geh los, ich werde immer bei dir sein

Jemand, der dir nahesteht, stirbt und

die Angst sagt: Wie soll es denn jetzt nur weitergehen?
die Liebe sagt: Ich bin immer noch da

Du ziehst Bilanz über dein Leben und

die Angst sagt: Ich hätte alles anders machen sollen
die Liebe lächelt dir zu

Du liegst im Sterben und

die Angst sagt: Was, wenn das alles war?
die Liebe sagt: Komm mit mir nach Hause

Die wichtige Entscheidung

Du lieber Mensch da draußen. Es ist dein Leben. Es sind deine Beziehungen. Es ist deine Verantwortung. Du hast das Recht zu wählen. Du kannst nicht immer entscheiden, was in deinem Leben passiert. Aber du kannst entscheiden, wie du darauf reagierst.

Wir alle wissen, wie es sich anfühlt, den Weg der Liebe oder den Weg der Angst zu gehen. Du bist nicht allein auf dieser Welt. Sieh dich um, all die Menschen in deiner Umgebung wollen dasselbe wie du: Den Weg der Liebe gehen. Hilf dir selbst, indem du den andern hilfst!


Zusatz:

Deine Gefühle kannst Du nicht beherrschen - aber Dein Verhalten schon:

Schau immer nach Vorne, tue jeden Tag etwas Neues. Und lebe Dein Leben so intensiv Du kannst.

Behandle andere stets so, wie Du gerne behandelt werden möchtest.



Man kann sich über so vieles aufregen,

über große und kleine Dinge. In dem Augenblick, in dem man >>aus der Haut fährt<< (was glücklicherweise niemals passiert), wird aber auch das Kleinste immer riesengroß. Ost sind es ja wirklich nur Kleinigkeiten. Beispielsweise ein Autofahrer, der trotz freier Fahrbahn ausprobiert, wie langsam sein Auto denn fahren kann. Es gibt nicht wenige, die sich selbst über eine solche Lappalie so erregen, dass sie den Schleicher am liebsten von der Fahrbahn drängen würden. Manchmal geschieht das (oder Schlimmeres) tatsächlich. Und dabei geht es doch nur um ein paar Minuten, die man früherer an sein Ziel wäre. 

Andererseits kann man sich natürlich auch über wirklich üble Dinge erregen: Ein Mord an einem Kind beispielsweise berührt wohl jeden fühlenden Menschen. Doch zu dem verständlichen Mitleid für das Kind oder die Eltern gesellt sich oft der Wunsch nach harter Strafe; und oft wird dabei sogar der Ruf nach der Todesstrafe laut. Ein völlig sinnloser Krieg (sind Kriege das nicht immer?) kann uns so wütend machen, dass wir am liebsten eingreifen würden, um den Verursacher – notfalls mit Waffengewalt – in seine Schranken zu weisen, Hungersnöte, die reiche Länder leicht verhindern könnten, Ungerechtigkeit, korrupte Politiker, raffgierige Manager oder Nachbarn, die einem mit ihren Unverschämtheiten den Tag verderben – all das kann Wut, Hass und Gewalt in uns auslösen. Manchmal kommt auch vieles zusammen. 

Es ist nicht so einfach, niemals in Wut zu geraten. Vielleicht haben ja auch Sie daher hin und wieder das Gefühl, dass Sie kurz vor dem Platzen stehen. Das ist ein Gefühl, das nicht angenehm ist. Und doch fällt es den meisten von uns schwer, völlig ohne Aggression zu leben. Der Glaube, dass Aggression zwar nicht schön ist, aber – zumindest in bestimmten Fällen – doch notwendig, ja, dass ein wenig Aggression sogar gut ist, ist sehr weit verbreitet. 

Rantan, der Skorpion, war eigentlich ein netter Kerl. Aber oft war er so aggressiv, dass ihn die anderen mieden . Er hatte schon viel von der weisen Schildkröte Kurma gehört, und so suchte er sie eines Tages auf, um Rat zu erhalten. „Meisterin, was kann ich dagegen tun, dass ich so schnell in Wut gerate?“ Kurma lächelte ihn an, sprach aber kein Wort. „Meisterin habt ihr mich nicht gehört?“ Ratan spürte, wie die Wut in ihm aufstieg, und sein Stachel begann zu zittern, Kurma sagte immer noch nichts, sondern lächelte ihn nur freundlich an. „Ach mögt ihr doch vom Krokodil gefressen werden!“, schrie er schließlich und wandte sich zum Gehen. Da lachte Kurma lauf auf und sprach: „Rantan, mein Lieber, sei doch nicht so hart zu dir selbst!“

Wut richtet sich nicht nur gegen jemand anderen, sondern vor allem gegen den Wütenden. Wut ist immer schädlich. Am allermeisten für den, der wütend ist. Der römische Philosoph Publius Syrus sagte einmal: „Der Zornige wird gegen sich selbst wüten, wenn er zur Vernunft zurückgekehrt ist.“ Und das trifft eigentlich immer zu. Denn in der Regel hält die Wut nicht lange vor. Im Zorn bricht sich die Gewalt Bahn; mit Worten oder sogar in Taten. Die wenigsten Morde und kein einziger Amoklauf werden kaltblütig ausgeführt. Wieder bei klarem Verstand kommt oft die Scham, meist die Reue, immer aber ein neuer Ärger – der Ärger über sich selbst. 

(aus Die 7 Geheimnisse der Schildkröte von Aljoscha Long&Ronald Schweppe – Heyne Verlag)

Perspektivenwechsel

Als ich vor einiger Zeit mit dem Auto unterwegs war und wegen Bauarbeiten kurz anhalten musste, sah ich durch die Windschutzscheibe nach draußen. Die Scheibenwischer bewegten sich hin und her Der Regen ans sich war gar nicht so stark, heftig aber waren der Wind, der Donner und die Blitze, die das Gewitter begleiteten.

Ich watete darauf, dass die Baustellenampel wieder auf Grün umsprang, und blickte aus dem Seitenfenster auf das Feld neben der Straße. Ein frisch geborenes Kalb versuchte gerade, auf die Beine zu kommen, was ihm auch gelang. Der Mutterkuh leckte es ab, obwohl bereits der Regen dafür sorgte, dass es tüchtig gewaschen wurde. 

Ich fragte mich, wie es sein musste, während eines solchen Gewitters zur Welt zu kommen, und überlegte, dass dies nun die allerersten Eindrücke des kleinen Kalbs waren. Würde es sich wundern, wenn die grauen Wolken vorbeigezogen waren und der Regen und der Wind aufgehört hatten; würde es sich fragen, was los sei, weshalb der Himmel mit einem Mal blau war und wohin das ganze nasse Zeug verschwunden war, das zuvor herabgefallen war? Würde dieses kleine Wesen nun immer auf Gewitter warten, damit sich das Leben wieder normal anfühlte, denn schließlich hatte es so die Welt kennengelernt?

In einem Tal, in dem es viele Rinder und Milchbetriebe gibt, sieht man öfter neugeborene Kälber, was ich natürlich herrlich finde. Als ich kurz darauf ein anderes Kalb sah, das soeben geboren worden war – es war ein trockener, heißer Tag, kam mir unwillkürlich der Gedanke, wie unterschiedlich diese zwei Kälber die Welt sehen mochten. Wahrscheinlich würden sie gar nicht drüber nachdenken. Sie würden einfach die Milch ihrer Mütter trinken und herumtollen, wie es Jungtiere eben tun.

Da ich aber im Laufe der Jahre mit diversen Kühen Freundschaft geschlossen habe, zweifle ich nicht im Geringsten an ihrer Den- und Lernfähigkeit. Es beschäftigt mich also tatsächlich, inwiefern sich ihr Blick auf das Leben voneinander unterscheidet und wie sich das auf ihre jeweiligen Erfahrungen auswirkt. 

Vor einigen Wochen hatte ich etwas in der Stadt zu erledigen. Als ich dort meinen Lieblingsladen ansteuerte, um mich erneut mit Chai einzudecken, ging eine ältere Dame vor mir her. Sie musste Osteoporose oder eine andere Krankheit haben, denn ihr Rücken war so stark gebeugt, dass sie beim Gehen nur zu Boden blicken konnte. Ihr Oberkörper knickte ab der Hüfte nahezu im rechten Winkel nach vorn ab. 

Natürlich empfand ich sofort großes Mitleid mit ihr, schließlich konnte sie beim Gehen nicht sehen, was um sie herum vorging. Aber dann dachte ich an die kleinen Kälber und die Sache mit der Perspektive. Vielleicht nahm diese Frau die Dinge ja anders wahr. Vielleicht war sie dankbar, dass sie in ihrem Alter noch gehen konnte, wohin sie wollte, während vermutlich viele andere, die so alt waren wie sie dazu nicht mehr in der Lage waren.

Ich musst an all die Menschen danken, ob jung oder alt, die an einer Krankheit leiden oder drinnen eingesperrt sind und die viel lieber in einer solchen Situation wären als in ihrer eigenen. Mir fielen Menschen ein, die so krank waren, dass sie nicht mehr an die frische Luft konnten, die gar nicht mehr laufen konnten oder zu schwach waren, um ihre Einkäufe selbst zu tragen. Und ich musst auch an jene Frauen denken, die ich früher im Gefängnis unterrichtet habe. Ich bin mir sicher, dass jede von ihnen sofort mit der älteren Dame getauscht hätte. Es mag ja sein, dass sie einen stark gekrümmten Rücken hatte und daher die Welt aus einem anderen Winkel sah als die meisten Menschen. Aber sei war unabhängig und mobil. Und sie hatte ein ziemliches Tempo drauf.

Es ist ganz egal, wie beschwerlich das Leben zuweilen ist. Wenn wir die Perspektive wechseln, sieht alles gleich ganz anders aus. Denn was dem einen Menschen wie ein Gewitter vorkommt, ist für den anderen möglicherweise ein Segen.
Wenn Sie das Leben mit den Augen eines anderen Menschen ansch

auen, hilft Ihnen das, auch Ihr eigenes Leben aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Dadurch öffnet sich vielleicht unbemerkt ein Zugang zu jener Weisheit, die in Ihnen steckt, und neue Antworten ergeben sich ganz von allein. Alles ist eine Frage der Perspektive. Den meisten Situationen lässt sich etwas Gutes abgewinnen, auch wenn es manchmal verborgen ist und sich nur durch eine neue Betrachtungsweise entdecken lässt.
Wenn ich an jene kleine Frau denke, wie sie die Straße entlangmarschierte, dann ruf mir das wieder ins Bewusstsein, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sich scheinen. Ja, sie sind oft viel, viel besser.

(aus „Leben ohne Reue“ von Bronnie Ware – arkana Verlag)

Das schaffst du nie!

Eines Tages entschieden die Frösche, einen Wettlauf zu veranstalten. Um es besonders schwierig zu machen, legten sie als Ziel fest, auf den höchsten Punkt eines großen Turms zu gelangen.

Am Tag des Wettlaufs versammelten sich viele andere Frösche, um zuzusehen.

Dann endlich – der Wettlauf begann.

Nun war es so, dass keiner der zuschauenden Frösche wirklich glaubte, dass auch nur ein einziger der teilnehmenden Frösche tatsächlich das Ziel erreichen könne. Statt die Läufer anzufeuern, riefen sie also “Oje, die Armen! Sie werden es nie schaffen!” oder “Das ist einfach unmöglich!” oder “Das schafft Ihr nie!”

Und wirklich schien es, als sollte das Publikum recht behalten, denn nach und nach gaben immer mehr Frösche auf.
Das Publikum schrie weiter: “Oje, die Armen! Sie werden es nie schaffen!”

Und wirklich gaben bald alle Frösche auf – alle, bis auf einen einzigen, der unverdrossen an dem steilen Turm hinaufkletterte – und als einziger das Ziel erreichte.
Die Zuschauerfrösche waren vollkommen verdattert und alle wollten von ihm wissen, wie das möglich war.

Einer der anderen Teilnehmerfrösche näherte sich ihm, um zu fragen, wie er es geschafft hätte, den Wettlauf zu gewinnen.

Und da merkten sie erst, dass dieser Frosch taub war!

(von den Seiten www.kasa-yoga.eu)

In jedem von uns steckt ein Held; sprich zu ihm, und er wird zum Vorschein kommen.“     (Unbekannter Verfasser)


Die Stimme des Ansagers auf dem Video zittert vor Aufregung: „Meine Damen und Herren, Sie sehen nun eine Spitzenleistung, die David Seale zum ersten Mal in seinem Leben vollbringt, ein Meisterstück, das totale Konzentration, Wagemut und Koordinationsvermögen erfordert. Was sie jetzt gleich beobachten werden, hat David nicht von einem Tag auf den anderen geschafft. Es erforderte monatelange Vorbereitung. Und hier kommt er auch schon!“

Eine Gestalt erscheint auf dem Bildschirm. David macht einen entspannten, zuversichtlichen Eindruck. Er wird gleich eine Reihe komplexer Bewegungen vollführen, die einen guten Gleichgewichtssinn erfordern. Ein paar Sekunden lang steht er zögernd am Startpunkt, dann beginnt er sich zu bewegen, den Blick nach vorne gerichtet und hundertprozentig auf die Aufgabe konzentriert, die vor ihm liegt, aber dennoch ganz entspannt.
Plötzlich geht ein Zittern durch seinen Körper. Er strauchelt und wäre beinahe gestürzt! Doch rasch fängt David sich wieder. Ohne auch nur eine Sekunde seiner kostbaren Zeit mit Gefühlen wie Zorn oder Angst zu verschwenden, rappelt er sich wieder auf und bewegt sich weiter auf sein Ziel zu. Sein Gesichtseindruck ist konzentriert und doch ruhig und gelassen.

Als David sich dem Ziel nähert, gerät er noch einmal ins Schwanken, doch auch diesmal erlangt er das Gleichgewicht wieder. Mit strahlendem Gesicht streckt er die Arme aus. Noch ein letzter spannender Augenblick, in dem alle Zuschauer die Luft anhalten; dann atmen sie erleichtert auf und applaudieren begeistert, als der zehn Monate alte Meisterathlet David Seale sich in die ausgestreckten Arme seiner Mutter fallen lässt. David hatte zum ersten Mal in seinem Leben ganz allein den Wohnzimmerteppich überquert und sein Vater hat dieses denkwürdige Ereignis auf Video festgehalten.

In unserer Kindheit haben wir alle Körper, Geist und Seele beherrscht, frei von Ängsten und Sorgen und ganz auf den jetzigen Augenblick konzentriert. Unser Körper war entspannt, sensibel und elastisch und bewegte sich in harmonischem Einklang mit den Gesetzen der Schwerkraft, und wir ließen unseren Emotionen spontan und ohne Hemmungen freien Lauf. Noch heute steckt in jedem von uns ein Meisterathlet, der nur darauf wartet, geboren zu werden.

Wenn wir am Anfang unseres Lebens stehen, verfügen wir über nahezu unbegrenzte Möglichkeiten. Doch die meisten von uns verlieren den Kontakt zu den Begabungen ihrer Kindheit. Wir belasten uns mit Ansichten und Vorstellungen, die uns einengen, beginnen unsere Gefühle zu verleugnen, und unser Körper verspannt sich.

                                                                                                                                                                                                                                                                                       („Die Kraft des friedvollen Kriegers“ – Dan Millman, Ulllstein Taschenbuchverlag)


BAO – Erkenntnisse eines Pandas

Bao blieb noch eine ganze Weile bei Yuke am Fluss sitzen und übte sich in der Kunst des „In-die-Tiefe-Schauens“. Je länger er in den Fluss blickte, desto mehr wuchs sein Erstaunen drüber, schon etwas näher an die Ahnung von innerem Frieden gelangt zu sein. Und dabei hatte er gar nichts weiter dafür getan. Er bedankte sich bei Yuke und nahm Abschied von ihm. Bevor er ging, schreib er die folgenden Punkte auf ein Blatt: 

1. Auch wenn dein Ziel in weiter Ferne liegt, musst du den ersten Schritt tun.
2. Schon indem du nach innerem Frieden suchst, rückt dieser näher.
3. Du wirst niemals alles unter Kontrolle haben.
4. Du brauchst keinen Plan. Wenn du ein Ziel vor Augen hast, wirkt es wie ein Kompass, der dir die richtige Richtung zeigt. Und das selbst dann, wenn du den Weg, dem du folgst, nicht kennst!
5. Befreie dich selbst. Trage keinen unnötigen Ballast mit dir herum. Loslassen macht vieles einfacher.
6. Kämpfe nicht gegen dich selbst. Das ist ein Kampf, den du nicht gewinnen kannst!
7. Sei freundlich und liebenswürdig zu dir selbst. Stell dir vor, du bist dein bester Freund, den du ohne Bedingungen einfach umarmen willst.
8. Du hast Meinungen und Ansichten. Aber es gibt keinen einzigen Grund, an diesen festzuhalten. Denn das hindert dich daran, neue Wege zu gehen.
9. Hege niemanden gegenüber Groll. Dieser Mensch wird es nicht einmal bemerken, aber du selbst wirst darunter leiden.
10. Lächeln macht dich immer ein bisschen fröhlicher und sanfter.
11. Erwartungen sind immer überzogen. Du kannst dich nur über den Moment wundern und an ihm erfreuen, an dem du deine Erwartungen losgelassen hast.
12. Was immer auch geschieht, es geht vorbei. Bewahre dieses Mantra in deinem Geist und wirf es im Notfall wie einen Anker aus.
13. Das zu tun, was du gerne tust, ist immer richtig. Die Freude ist ein guter Lehrmeister.
14. Alles ist ein Spiel. Denke nicht zu viel nach. Spiele das Spiel!

(aus „Bao, der weise Panda und das Geheimnis der Gelassenheit“ Aljoscha Long, Ronald Schweppe, Lotos Verlag)

Vor langer Zeit lebte eine Königin mir ihrer Tochter in einem fernen Land. Die Tochter war wunderschön und hatte zahlreiche Verehrer. Als sie alt genug war, um zu heiraten, sollte sie sich ihren zukünftigen Mann aussuchen. Die Prinzessin wählte drei Verehrer aus, aber sie konnte sich nicht entscheiden, welcher von ihnen wohl der beste Ehemann wäre.
Also bat sie ihre Mutter um Hilfe. Die Königin ließ die drei Männer auf den königlichen Hof kommen und stellte ihnen eine Aufgabe: „Geht in den Wald und bringt meiner Tochter frischen Honig!“
Am nächsten Tag zogen die Verehrer los. Noch am selben Abend fand der erste einen kleinen Bienenstock. Langsam näherte er sich an, Schritt für Schritt. Doch dann stach ihn eine Biene mitten auf die Nase. Erschrocken wandte sich der Mann um und rannte, also ob es um sein Leben ginge. Ohne Honig kam er am Palast an und überbrachte der Prinzessin die enttäuschende Nachricht.
Der zweite Mann hatte ebenfalls den kleinen Bienenstock gesehen, doch er wollte der Prinzessin gleich ein ganzes Fass mit Honig bringen. So setzte er seine Suche fort nach einigen Tagen fand er tatsächlich einen riesengroßen Bienenstock. Mutig marschierte er darauf zu, doch auch er wurde im Gesicht gestochen. Da fasste ich eine große Wut und er begann wild um sich zu schlagen. Durch seine hektischen Bewegungen wurde das gesamte Bienenvolk aufgescheucht und während er noch versuchte, den begehrten Honig einzusammeln, griffen ihn immer mehr Bienen an, denn sei wollten ihr Heim verteidigen. Völlig übersäht mit Stichen, gab er schließlich auf und kehrte mit leeren Händen zu der Prinzessin zurück. Er konnte von Glück sagen, dass er überhaupt lebend aus dem Wald herausgefunden hatte.
Auch der dritte Verehrer fand einen Bienenstock, weder zu groß noch zu klein. Vorsichtig näherte er sich, doch auch er wurde gestochen. Anstatt jedoch in Panik wegzulaufen oder die Bienen anzugreifen, setzte er sich in einiger Entfernung auf einen umgefallenen Baum und wartete. Er beobachtete das fleißige Treiben der kleinen Tierchen und überlegte, wie er ihr Vertrauen gewinnen könnte. Schließlich hatte er eine Idee: An einem Bach füllte er eine alte Baumrinde mit Wasser und stellte diese neben den Bienenstock. Schon bald fingen die Bienen an, ihren Durst zu löschen. Mehrere Tage verbrachte der Mann in unmittelbarer Nähe des Bienenvolks. Immer wieder brachte er den Bienen frisches Wasser und wartete geduldig, in der Hoffnung, dass sie ihn bald nicht mehr als Gefahr ansehen würden. Und tatsächlich: Nach einer Woche näherte er sich ihnen behutsam und keine der Bienen stach ihn. Sie gingen einfach ihrer Arbeit nach und ließen es sogar zu, dass er sich etwas von ihrer süßen Nahrung nahm. Er bedankte sich bei den Bienen und kehrte mit einem vollen Glas Honig zum Palast zurück.
Schon in der folgenden Woche fand die Hochzeit statt und von da an lebte Prinzessin glücklich mit ihrem Mann zusammen.
Einige Jahr später fragte die Prinzessin ihre Mutter, woher sie gewusst hatte, dass die Prüfung mit der Honigsuche helfen würde, den richtigen Ehemann auszusuchen.
„Die Liebe ist wie ein Bienenschwarm“, sagte die Königin daraufhin. „Sie kann dich verletzen, dich sogar töten – sie kann dir aber auch den süßesten Honig geben, den du je gesehen hast. Um den Honig zu bekommen, darfst du nicht gierig sein und den Bienen alles wegnehmen wollen. Du musst sie gut behandeln und sie stets respektieren. Und du darfst keine Angst davor haben, dass die wehgetan wird. Ansonsten rennst du bei dem ersten Stich davon …“

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              (aus „Der kleine Buddha“ von Claus Mikosch, Herder Verlag)


Von der Liebe

Sprich zu uns von der Liebe. Und er hob den Kopf und blickte auf die Menschenmenge und es verstummten alle.
Und er sagte mit mächtiger Stimme: „Wenn die Liebe euch ruft, folgt ihr
auch wenn die Pfade beschwerlich und steil sind. 

Und wenn ihre Schwingen euch umfangen, gebt euch ihr hin, auch wenn das Schwert zwischen ihren Fittichen euch verwunden mag.

Und spricht sie zu euch, schenkt ihr Glauben, auch wenn ihre Stimme eure Träume zerschlagen mag, so wie der Nordwind den Garten verwüstet.

Denn so wie die Liebe euch krönt, wird sie euch kreuzigen. So wie sie zu euren Gipfeln emporsteigt und eure zartesten Zweige liebkost,
die im Sonnenlicht zittern. Wird sie zu euren Wurzeln hinabsteigen und sie erschüttern in ihrem Erdverhaftetsein.

Wie Graben sammelt sie euch und drückt sich euch an die Brust. 

Sie drischt euch, um euch zu entblößen.
Sie siebt euch, um euch von eurer Spreu zu befreien.
Sie malt euch blütenweiß.
Sie knetet euch, bis ihr geschmeidig seid;
Und dann überantwortet sie euch ihrem heiligen Feuer, damit ihr heiliges Brot für Gottes heiliges Festmahl werdet.

All das wird die Liebe euch antun, damit ihr die Geheimnisse eures Herzens erkennt und in diesem Erkennen zu einem Bruchteil vom Herzen
des Lebens werdet. 

Solltet ihr aber aus Angst nur den Frieden der Liebe und die Freuden der Liebe erstreben,
dann ist es besser für euch, wenn ihr eure Blöße bedeckt und die Tenne der Liebe verlasst und hinaustretet in die Welt ohne Jahreszeiten,
wo ihr lachen werdet, aber nicht all euer Lachen, und weinen, aber nicht all eure Tränen. 

Die Liebe gibt nichts als sich selbst und nimmt nichts als von sich selbst.

Die Liebe besitzt nicht, noch will sie Besitz sein.
Denn der Liebe ist die Liebe genug.

Wenn ihr liebt, sollt ihr nicht sagen: >>Gott ist in meinem Herzen<< sondern: >>Ich bin im Herzen Gottes.<<

Und meint nicht, ihr könntet den Lauf der Liebe bestimmen, denn befindet sie euch für würdig, bestimmt vielmehr sie euren Lauf.

Die Liebe wünscht nichts, als sich selbst zu erfüllen. Doch wenn ihr liebt und Wünsche haben müsst, dann wünscht euch dies:

Zu verschmelzen und gleich einem rauschenden Wasser zu werden, das der Nacht seine Weise singt. Die Qual zu größer Zärtlichkeit kennen zu lernen.
Verwundet zu werden von eurem eigenen Verständnis der Liebe;

Und bereitwillig und freudig zu bluten.

Im Morgengrau mit einem Lerchen-Herzen aufzuwachen und für einen neuen Tag des Liebens Dank zu sagen;
In der Mittagszeit zu rasten und dem Entzücken der Liebe nachzusinnen:

Am Abend dankbar heimzukehren; Und dann einzuschlafen mit einem Gebet für den Geliebten im Herzen und einem Lobgesang auf den Lippen.

Kahlil Gibran (1883 - 1931), Dichter, Philosph und Künstler, wurde im Libanon geboren und emigriete in jungen Jahren  in die USA, Boston. Sein Lebenswerk galt der Versöhnung der westlichen und arabischen Welt. Der Prophet, erschienen 1923 (dt. Erstausgabe 1925)und gilt als Hauptwerk, zugleich  wohl als sein bekanntestes Werk.

Über die Selbstliebe

Der Weg in die Selbstliebe ist mitunter ein langer, steiniger, tiefer und dunkler. Er hat viel mit Selbsterkenntnis zu tun und mit dem Mut, das Licht dorthin zu werfen, wo der Schatten liegt.
Wo wir in unserer Selbstliebe verletzt wurden. Dorthin, wo wir als Kinder nach Liebe riefen und dieser Ruf nicht gehört wurde. Es ist essentiell wichtig, den Blick auf das zu richten, was uns wehtut. Auf jenes, das immer wieder hochkommt und Schmerzen verursacht. Auf alles, was uns im Außen herausfordert und an unsere Grenzen bringt.
Selbstliebe beginnt mit der Bereitschaft, aus dieser Reise alles anzunehmen, wie es ist. Aus der Bewertung und dem Urteil gegenüber dir selbst auszusteigen und zu lernen, mit den schwierigen und schmerzhaften Gefühlen zu sein. Du kannst nur lernen, die Person zu lieben, die du jetzt bist – denn es gibt keine andere. Dich in allem so anzunehmen, wie du bist, ist der erste Schritt in Richtung Selbstliebe. Kein Widerstand, kein Kampf, sondern Hingabe an alles.
Selbstliebe bedeutet, alles in deinem Leben zu lieben, die Siege, die Niederlagen, die guten und die nicht so guten Tage, die Freude und die Trauer. Sie bedeutet, die duale Essenz der Welt, in der wir als Menschen leben und atmen, vollkommen zu akzeptieren.
Der Weg in die Selbstliebe geht über das Fühlen, Erkennen, Spüren, Atmen – es ist ein Prozess. Selbstliebe kommt nicht auf Knopfdruck, sie ist eine Praxis.

(Auszug aus einem Artikel aus der Yoga-Aktuell Febr./März 2019 von Nives Gobo von www.gapyoga.de)


Der unglückliche Bauer

Es war einmal ein Bauer, der hatte den ganzen Tag über an allen etwas auszusetzen, an seiner Arbeit, seiner Ehefrau und an dem Ort, an dem er lebte.
Eines Tages verletzte er sich am Rücken und konnte die harte Arbeit auf dem Feld nicht weiter verrichten. Doch statt sich eine andere Arbeit zu suchen, blieb er von da an zu Hause und nörgelte noch viel mehr.
Einige Monate vergingen, dann verließ ihn seine Frau. Der Bauer war am Boden zerstört und schrieb ihr viele Briefe, in denen er sie beschuldigte, wie unglücklich sie ihn gemacht hatte. Und obwohl er mit ihr zusammen auch nicht glücklich gewesen war, flehte er sie an zurückzukommen. Doch sie kam nicht.
Alleine und ohne Arbeit igelte er sich in seinem Haus ein. Dabei wurde seine Laune immer schlechter und er beklagte sein Los mehr denn je. Dann geschah es, dass er eines Abends einen Stuhl zu nah am brennenden Kamin stehen ließ. Der Stuhl fing Feuer und kurz darauf stand das ganze Haus in Flammen. Nachdem er bereits seine Arbeit und seine Frau verloren hatte, wollte der Bauer unter keinen Umständen auch noch sein Haus verlieren. Er war fest entschlossen, sein Eigentum gegen das Feuer zu verteidigen. Doch es war ein vergeblicher Kampf und es dauerte nicht lange, bis der Bauer in Rauch und Flammen umkam.
Als er im Himmel Gott begegnete, beklagte er sich wütend und enttäuscht: „Ich wollte einfach nur glücklich sein, doch anstatt mir zu helfen, hast du mir ständig Steine in den Weg gelegt.“
„Da hast du mich leider falsch verstanden“, erwiderte Gott. „Als ich gesehen habe, dass du nicht glücklich bist und nur gemeckert hast, wollte ich dir sehr wohl helfen. Zuerst habe ich also dafür gesorgt, dass du die Arbeit auf dem Feld aufgeben musst, damit du dir einen anderen Beruf suchst. Dann habe ich dir deine Frau weggenommen, damit du nach einer glücklicheren Beziehung Ausschau hältst. Und schließlich wollte ich dich aus deinem Haus vertreiben, damit du einen Ort findest, an dem du nichts zu bemängeln hast. Aber du hast dich gegen alle diese Veränderungen gewehrt …“

                                                                                                                                                                                                                          (aus „Der kleine Buddha“ von Claus Mikosch – Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau)


Der fehlende Baustein

Während einer Reise erhielt ich ein Fax von meiner Sekretärin: „Es fehlt ein Glasziegel für den Umbau der Küche.“ – Ich schickte Ihnen die Baupläne und die Vorschläge des Maurers, was man machen kann.

Einerseits gab es eine Zeichnung, die meine Frau gemacht hatte: harmonische Reihen mit Lüftungsöffnungen. Anderseits die Bauzeichnung, bei der der Ziegel weniger vorgesehen war: ein wahres Puzzle von Glasquadraten, ohne ästhetisches Konzept.

„Kauf den fehlenden Ziegel“, faxte meine Frau zurück. So wurde es gemacht und der ursprüngliche Entwurf beibehalten.

An jenem Nachmittag habe ich lange über die Frage nachgedacht, wie häufig wir wegen eines einzigen fehlenden Bausteins unseren ursprünglichen Lebensentwurf vollkommen verfälschen.

(aus "Sei wie ein Fluß, der die Nacht durchströmt" von Paulo Coelho, Diogines Verlag)


Lebenskraft und Ermutigung – Segensspruch aus dem Buch "In deiner Weite lass mich Atem holen"

Du leuchtende Antwort

Mögest du gerne auf dieser Welt sein,
die so schön ist in ihrer Sanftheit
und so erhaben in ihrer Wildheit,

mögest Du sorglose Nächte erleben
unter gütigen Sternen
und unbeschwerte Tage im Gold der Sonne.

Mögest Du die Kostbarkeiten der Dinge begreifen,
wenn Sand durch Deine Finger rinnt,
wenn Schnee auf Deiner Zunge schmilzt
und wenn das Abendrot unter Deinen
sehnsüchtigen Blicken erlischt.

Mögest Du den Schatz erkennen,
der im Lachen eines wahren Freundes liegt
und in einer tröstenden Umarmung,
im leisen Begehren, das zu Liebe werden will,
und im Kuss, der Deine Grenze verwischt.

Mögest du fragen und zweifeln,
hadern und ringen,
wie Menschen es tun,
die bereit sind, bis zum Grund zu tauchen
und der Welt die Perle zu schenken,
die sie finden.

Mögest Du aufgehoben werden, wenn Du fällst,
von Einem, der das Unverletzte in Dir sieht
und das Verwundete in Dir zu lieben vermag,
von Einem, der hört, was Du zu sagen hast,
und sagt, was Du hören musst.

Möge in Dir die Gewissheit reifen,
dass Du gewollt bist mit jedem Harr auf Deinem Haupt,
mit jedem Deiner Gedanken, auch jenen,
die ratlos sind am Ende des Tages,
dass Du geliebt bist vom ersten Atemzug
bis zum letzten, wenn Dein Weg vollendet ist.

Mögest Du ein Glück finden,
das größer ist als jedes Besitzen, jedes Wollen
und jedes Wissen:
ein Glück, das an Begegnungen reift
und an dem Wunsch, sich zu verschenken,
um Hoffnung für viele zu sein.

Mögest Du wissen,
dass Du genug Güte in Dir trägst,
um eine Wunde zu schließen,
einen Alptraum zu beenden,
ein Leben zu retten
und eine leuchtende Antwort
auf jemandes dunkle Frage zu sein.

(„In deiner Weite lass mich Atem holen“ – Giannina Wedde, Vier-Türme Verlag)


Statuten des neuen Jahrtausends

Artikel 1: Alle Menschen sind verschieden. Sie sollten alles daran setzen, dass es so bleibt.

Artikel 2: Jedem Menschen stehen zwei Wege offen, der des Handelns und der der Kontemplation. Beide führen zum selben Ziel.

Artikel 3: Jeder Mensch hat zwei Geistesgaben: Ihm wurden die Fähigkeiten zu entscheiden und Begabung gegeben. Die Fähigkeit zu entscheiden, führt den Menschen seinem Schicksaal entgegen, seine Begabung hilft ihm, das Gute in sich mit andern zu teilen.

("Sei wie ein Fluss, der die Stille durchströmt" - Paulo Coelho)


Über die Selbstliebe

Der Weg in die Selbstliebe ist mitunter ein langer, steiniger, tiefer und dunkler. Er hat viel mit Selbsterkenntnis zu tun und mit dem Mut, das Licht dorthin zu werfen, wo der Schatten liegt.

Wo wir in unserer Selbstliebe verletzt wurden. Dorthin, wo wir als Kinder nach Liebe riefen und dieser Ruf nicht gehört wurde. Es ist essentiell wichtig, den Blick auf das zu richten, was uns wehtut. Auf jenes, das immer wieder hochkommt und Schmerzen verursacht. Auf alles, was uns im Außen herausfordert und an unsere Grenzen bringt.

Selbstliebe beginnt mit der Bereitschaft, aus dieser Reise alles anzunehmen, wie es ist. Aus der Bewertung und dem Urteil gegenüber dir selbst auszusteigen und zu lernen, mit den schwierigen und schmerzhaften Gefühlen zu sein. Du kannst nur lernen, die Person zu lieben, die du jetzt bist – denn es gibt keine andere. Dich in allem so anzunehmen, wie du bist, ist der erste Schritt in Richtung Selbstliebe. Kein Widerstand, kein Kampf, sondern Hingabe an alles.

Selbstliebe bedeutet, alles in deinem Leben zu lieben, die Siege, die Niederlagen, die guten und die nicht so guten Tage, die Freude und die Trauer. Sie bedeutet, die duale Essenz der Welt, in der wir als Menschen leben und atmen, vollkommen zu akzeptieren. Der Weg in die Selbstliebe geht über das Fühlen, Erkennen, Spüren, Atmen – es ist ein Prozess. Selbstliebe kommt nicht auf Knopfdruck, sie ist eine Praxis.

(Auszug aus der Yoga-Aktuell Febr./März 2019 von Nives Gobo)



Auch dies geht vorbei

Eine der unbezahlbaren Lehren, die Depressionen entgegenwirken, ist gleichzeitig eine der einfachsten. Allerdings aufgepasst: Lehren die einfach erscheinen, kann man sehr leicht missverstehen. Wir können die folgende Geschichte nur dann begreifen, wenn wir tatsächlich von Depressionen befreit sind.

Der neue Häftling im Gefängnis war voller Angst und sehr deprimiert. Die steinernen Wände seiner Zelle saugten jegliche Wärme auf, die harten Eisengitter höhnten dem Mitgefühl, der Klang aufeinander prallenden Stahls ließ erahnen, hinter wie vielen Toren die Hoffnung weggeschlossen wurde. Das Herz des Gefangenen war schwer, denn er hatte viele Jahre abzusitzen. Am Kopfende seines Lagers entdeckte er folgende Worte in die Wand geritzt: AUCH DIES GEHT VORBEI.
Dieser Satz half ihm durch diese schwierige Zeit, genau, wie er wahrscheinlich dem Häftling vor ihm Mut gegeben hatte. Ganz gleich, wie schlimm es wurde. Er sah dann auf die Inschrift und dachte daran: „Auch dies geht vorbei.“ Am Tag seiner Entlassung erkannte er die tiefe Wahrheit hinter diesen Worten. Er hatte seine Strafe abgesessen. Auch die Zeit im Gefängnis war tatsächlich vorbeigegangen.

Als er wieder ins normale Leben zurückkehrte, dachte er oft an diese Botschaft. Er schrieb sie auf Fetzen Papier, die er an seinem Bett, in seinem Auto und auf der Arbeit deponierte. Sogar in ganz schlechten Zeiten erfasste ihn nie wieder eine Depression.

Er entsann sich in scheinbar aussichtslosen Lagen immer der Worte: „Auch dies geht vorbei“ und kämpfte sich durch. Wenn gute Zeiten anbrachen, genoss er sie, aber nie allzu sorglos. Er entsann sich der Worte: „Auch dies geht vorbei“ und arbeitete hart an seinem Leben, ohne auch nur das Geringste als selbstverständlich hinzunehmen. Die guten Zeiten schienen immer ungewöhnlich lange anzudauern.

Dann wurde bei ihm Krebs diagnostiziert. „Auch dies geht vorbei“ gab ihm Hoffnung. Hoffnung gab ihm Kraft und die positive Einstellung, die Krankheit zu besiegen. Eines Tages bestätigte der Facharzt, dass „der Krebs vorbeigegangen war.“
Am Ende seines Lebens flüsterte er seinen Liebsten zu: „Auch dies geht vorbei“, und er fand einen ruhigen Tod. Seine Worte waren der letzte Liebesdienst für Familie und Freunde. Sie hatten von ihm gelernt: „Auch die Trauer geht vorbei“
Depressionen sind ein Gefängnis, in das viele von uns eingeschlossen sind. „Auch das geht vorbei“, hilft uns. Und dieser Spruch sorgt zudem dafür, dass wir eine der großen Ursachen von Depressionen meiden und die guten Zeiten nicht zu selbstverständlich hinnehmen.

(aus „Die Kuh, die weinte“ von Ajahn Brahm – Lotus Verlag)


Der kleine Buddha war auf seiner Wanderschaft einer jungen Witwe begegnet, die wie er auf dem Weg in die Stadt war, um dort zu leben.

Der kluge Professor

Gegen Abend kamen der kleine Buddha und die junge Frau in ein entlegenes Dorf. Eigentlich hätten sie noch etwas Zeit gehabt, weiter in Richtung Stadt zu gehen, aber sie beschlossen, die Reise erst am nächsten Tag fortzusetzen. Sie waren beide müde von dem langen Tagesmarsch.

Das Glück wollte es, dass noch genau zwei Betten in der einzigen Gaststätte des Dorfes frei waren. Der Wirt nahm die beiden freundlich in Empfang, zeigte ihnen ihre Zimmer und begann, ein leckeres Abendessen für die hungrigen Reisenden vorzubereiten. Bald roch es im ganzen Haus so köstlich, dass einem das Wasser im Mund zusammenlief. Und als ob das alles noch nicht genug des Guten gewesen wäre, hatte die Gaststätte noch etwas anderes zu bieten: eine Terrasse mit fantastischem Blick auf ein weites, wunderschönes Tal.

Während der kleine Buddha und die junge Frau auf das Essen warteten, machten es sie sich in zwei Hängematten auf der Terrasse bequem. Es gab nichts Schöneres, als sich nach einem anstrengenden Tag ein wenig auszuruhen und dabei die langsam untergehende Sonne zu bewundern.

Das Essen übertraf seinen eigenen Duft. Der kleine Buddha und die junge Frau fühlten sich wie im Paradies. Nachdem sie zu Ende gegessen hatten, blieben sie noch eine Weile sitzen und tranken Tee.

Der kleine Buddha dachte darüber nach, was ihn wohl in der Stadt erwarten würde. Er war noch nie in einer großen Stadt gewesen. Er stellte sie sich vor wie zehn große Dörfer. Ein Riesendorf. Voll mit Menschen und Möglichkeiten.

Die junge Frau freute sich ebenfalls auf die Stadt, aber sie hatte gleichzeitig auch ein bisschen Angst. Sie fühlte sich unsicher, denn sie hatte nie einen Beruf gelernt. Sie war noch nicht einmal richtig zur Schule gegangen. In ihrem Dorf hatte sie sich seit ihrer Kindheit immer nur um das Haus gekümmert. Waschen, Putzen, Einkaufen, Kochen. Zuerst in ihrem Elternhaus, später im Haus der Familie ihres Mannes. Sie hatte nie ihr eigenes Geld verdient, weil sie nie welches gebraucht hatte. Jetzt war ihre Situation jedoch auf einmal ganz anders. In der Stadt brauchte man viel Geld, um zu überleben. Und um Geld zu verdienen, musste man arbeiten.

„Ich weiß nicht, wie ich in der Stadt Arbeit finden soll“, sagte sie dem kleinen Buddha, der immer noc über die Möglichkeiten des riesigen Dorfes nachdachte. „Ich fühle mich manchmal ziemlich hilflos, wenn ich bedenke, dass ich keine Fähigkeiten habe, mit der ich Geld verdienen könnte. Als würde ich fischen gehen ohne Angel oder Netz. Wie soll ich da überleben?“  

Der kleine Buddha kehrte von seinem Tagtraum zurück und begann, über die Sorgen seiner Weggefährtin nachzudenken. Es gab bestimmt einen Weg, der jungen Frau zu helfen.

Während er angestrengt grübelte, kam auf einmal ein älterer Mann zu ihrem Tisch herüber. Er hatte eine runde Brille auf der Nase und eine Pfeife im Mund.

„Entschuldigung“, sagte der Mann zögerlich, aber bestimmt. „Ich saß am Nachbartisch und habe zufällig mitgehört. Wenn ihr mir erlaubt, möchte ich euch gerne eine Geschichte erzählen. Eine wahre Geschichte, die ich kürzlich von einem Freund gehört habe.“

Der alte Mann zog an seiner Pfeife und guckte dabei die junge Frau halb fragend, halb überredend an. „Eine Geschichte über Wissen und Fähigkeiten.“

Die junge Frau war etwas verdutzt, wenn nicht gar leicht erschrocken. Aber sie war auch neugierig herauszufinden, warum der Mann sie auf ihre Sorgen angesprochen hatte.

„Darf ich?“, fraget der Mann, auf einen freien Stuhl am Tisch deutend.

Der kleine Buddha und die junge Frau nickten.

„Danke“, sagte der Mann und setzte sich zu ihnen an den Tisch. „Ich bin sicher, dass euch die Geschichte gefallen wird.“

Obwohl er ein Fremder war, erschien er dem kleinen Buddha und der jungen Frau sehr vertraut. Er hatte eine ruhige und zugleich faszinierende Ausstrahlung.

„Da bin ich jetzt aber gespannt“, sagte die junge Frau mit einem vorsichtigen Lächeln.

Der alte Mann zog ein weiteres Mal an seiner Pfeife und begann mit der Geschichte.

Vor vielen Jahren segelte ein großes Schiff mit Namen ´Desperado´ von der einen Seite des Ozeans zur anderen. An Bord waren der Kapitän und seine Besatzung, die Fracht und ein Professor. Der Professor hatte zwei Jahre lang geforscht und kehrte nun in seine Heimat zurück.

Auf der langen Schifffahrt passierte es recht häufig, dass der Kapitän und seine Besatzung in der Kabine des Professors saßen, um von dessen Weisheiten zu lernen.

Manchmal prüfte der Professor das Allgemeinwissen seiner Zuhörer.

„Nun sagt mir, was wisst ihr über Geographie?“, fragte er zum Beispiel.

„Wir haben keine Ahnung, was das ist“, antworteten sie. „Was? Ihr wisst nicht, was Geographie ist? Mine Gott. Geographie ist die Wissenschaft der Erde. Was hat ihr bloß mit eurem Leben angefangen?“

Der Kapitän und seine Besatzung waren leicht verlegen. Was hatten sie bloß mit ihrem Leben angefangen? Warum wussten sie nicht, was Geographie war? Sie alle fühlten sich ziemlich dumm.

An einem anderen Tag versammelten sich der Kapitän und seine Besatzung wieder in der Kabine des Professors. Dieser wollte erneut herausfinden, was seine Zuhörer wussten.

„Dann sagt mir doch mal, was ihr über Mathematik wisst?“

„Wir haben keine Ahnung, was das ist.“

„Wie bitte? Ihr wisst auch nicht, was Mathematik ist? Mathematik ist die Wissenschaft der Zahlen. Ihr habt euer ganzes Leben verschwendet, ich kann´s gar nicht glauben.“

Der Kapitän und seine Besatzung waren jetzt noch verlegener. Es schien, als ob sie wirklich sehr dumm wären, und ihr Leben wirkte auf einmal völlig wertlos.

Einige Tage später saßen alle wieder in der Kabine des Professors.

„Ich will euch noch eine Frage stellen: Was wisst ihr über Biologie?“

„Bitte sagen Sie es uns, wir haben keine Ahnung.“

„Das gibt´s doch überhaupt nicht! Ihr wisst auch nicht, was Biologie ist? Biologie ist die Wissenschaft der Zellen und der Tiere und … Was wisst ihr eigentlich? Wie ich euch bereits gesagt habe, ihr scheint wirklich euer ganzes Leben verschwendet zu haben.“

Der Kapitän und seine Besatzung waren wiederum sehr verlegen und sie fühlten sich mittlerweile fast schon deprimiert – was hatten sie bloß mit ihrem Leben gemacht?

Zwei Tage später segelte die ´Desperado´ durch einen schweren Sturm. Auf einmal kam einer der Matrosen zur Kabine des Professors gelaufen und klopfte aufgeregt an die Tür.

„Professor, kommen sie schnell heraus!“

Der Professor öffnete die Tür. „Wie kannst du es wagen, mich bei der Arbeit zu unterbrechen? Was willst du?“

„Der Sturm hat das Schiff schwer beschädigt, wir müssen alle über Bord springen und um unser Leben schwimmen …“

„Hmmm… schwimmen? Ich weiß nicht, wie man schwimmt.“

„Nein, Sie wissen nicht, wie man schwimmt? Oh Professor, dann haben Sie aber ein großes Problem… Ihr ganzes Leben haben Sie verschwendet!“

Die drei schwiegen eine Weile.

„Eine schöne Geschichte“, sage der kleine Buddha schließlich.

„Ja“, fuhr die junge Frau fort, „aber leider bestätigt sie auch meine Unsicherheit. Denn die Geschichte lehrt doch, dass man nicht zur See fahren sollte, wenn man nicht schwimmen kann. Das heißt, wenn man nichts über die Wissenschaften weiß, sollte man vielleicht auch besser nicht in die Stadt gehen.“ Sie schaute den Geschichtenerzähler fragend an. „Oder?“

„Ich verstehe, was du meinst, und du hast durchaus recht. Jeder lernt genau das, was er für seine jeweilige Lebenssituation braucht. Spezielles Wissen, das zum Überleben notwendig ist. Und um in der Stadt zu überleben, braucht man natürlich anderes Wissen, als wenn man ein Leben auf hoher See führt. Das ist die Moral von  Geschichte.

Wissen ist völlig relativ“

Der Mann zündete seine ausgegangene Pfeife wieder an.

„Aber keine Bange, ihr könnt trotzdem in die Stadt gehen, ohne Angst haben zu müssen. Solange ihr bereit seid, neue Dinge zu lernen.“

Es herrschte wieder einen Moment Ruhe in ihrem Tisch. Dann redete der Mann weiter.

„Der Professor war sehr arrogant und hatte die ganze Zeit so getan, als wüsste er bereits alles, was es auf der Welt Wissenswertes gab. Er interessierte sich überhaupt nicht für die Matrosen und den Kapitän, für ihre Geschichten und ihr Wissen über das Leben auf dem Meer. Im Gegenteil, er behandelte sie respektlos und erniedrigte sie. Hätte er mal zugehört, anstatt immer nur selbst zu erzählen, dann hätte er vielleicht erfahren, dass das Wichtigste im Leben eines Seefahrers ist zu wissen, wie man schwimmt. Und hätte er dann etwas Interesse gezeigt, dann hätte ein Matrose ihn vielleicht sogar im Schwimmen unterrichtet. Aber der Professor war nicht bereit zu lernen. Er wollte nur lehren.“

Der kleine Buddha und die junge Frau verstanden die Worte des fremden Mannes. Natürlich würde die große Stadt eine Herausforderung für sie beide sein, aber es gab in der Tat keinen Grund, Angst zu haben. Vor allem nicht wegen fehlendem Wissen, denn Wissen konnte man sich aneignen.

„Es ist eigentlich ganz einfach“, sagte der Mann, während er sich von seinem Stuhl erhob und ein weiteres Mal an seiner Pfeife zog.

„Alles, was ihr machen müsst, ist, der neuen Situation mit Offenheit gegenüberzutreten. Seid neugierig und respektiert die Menschen, die euch begegnen. Und habt vor allem Vertrauen, denn alles ergibt sich so, wie es sein soll.“

Und dann verwand der ältere Mann genauso plötzlich und überraschend, wie er gekommen war.

Nach einer erholsamen Nacht setzten die beiden ihre Reise am nächsten Morgen wieder fort. Der Weg, auf dem sie gingen, war inzwischen kein Weg mehr, sondern eine große Straße. Sie trafen immer mehr Menschen, die auch unterwegs in die Stadt waren. Langsam, aber sicher kamen sie ihrem Ziel immer näher.

Der kleine Buddha dachte an den vorherigen ABnd. Er wollte wissen, ob sie die junge Frau immer noch Sorgen über das Stadtleben machte.

„Was denkst du über die Worte des Mannes? Fühlst du dich besser?“

„Ja, sehr sogar.“ Die junge Frau wirkte viel positiver. „Ich weiß zwar noch immer nicht, wie ich das notwendige Geld verdienen kann, aber der Mann hat mir Mut gemacht. Anstatt mit Sorgen gehe ich nun mit Zuversicht in die Stadt.“

Der kleine Buddha lächelte zufrieden. „Ich bin mir sicher, dass deine Arbeitssuche erfolgreich sein wird. Denn wenn du etwas Gutes erwartest, dann wirst du auch etwas Gutes finden.“

(aus „Der kleine Buddha – auf dem Weg zum Glück“, von Claus Mikosch)

Nachdem es mich gerade sehr beschäftigt - das Leben anzunehmen und die Dinge geschehen zu lassen, die geschehen, obwohl man genau weiß, dass sie nicht gerechtfertigt sind, man aber nichts machen kann, weil man die Gedanken eines anderen Menschen nicht verändern kann. Wenn unsere Gedanken mit uns durch Gehen, mit uns Karussell fahren, die Affen im Geist (Chitta) tanzen, dann sind wir als Betroffene überfordert, wenn wir nicht aufpassen und als Außenstehende völlig machtlos. So habe ich in den letzten Wochen gelernt, dass es nur funktioniert, sein Schicksal dem Leben anzuvertrauen und auf das Gute im Leben zu Hoffen. Es ist so vieles ein Reifeprozess, Veränderung können zu einem Besseren führen, dass man selbst besser wird und das Leben generell besser wird, am Ende wird eh alles gut. So hat mich diese kleine Geschichte gefunden, die mir genau in dieser Situation hilft, die aktuelle Lebenssituation mit Geduld zu ertragen und auf das gute zu Hoffen. Ich bin überzeugt, dass wir im Leben immer genau die Menschen treffen, oder genau das finden, was wir gerade brauchen. Wir müssen uns nur vom Leben leiten lassen und nicht krampfhaft an etwas festhalten, oder etwas suchen.

Viel Spaß beim Lesen!

  


Der geduldige Gärtner

Am späten Nachmittag kam der kleine Buddha bei dem alten Schloss an. Er hatte es sich riesengroß vorgestellt, mit Türmen und dicken Mauern. Was er vorfand, glich hingegen eher einem normalen Landhaus. Ein schönes Haus, keine Frage, aber es sah nicht wirklich wie ein Schloss aus.

Er trat näher. In der Nähe vom Eingang spielten ein paar Kinder und auf dem Rasen vor dem Haus spazierten zwei stolze Pfaue entlang. Wolken zogen langsam am Himmel vorbei und man konnte das fließende Wasser eines nicht weit entfernten Baches hören. Alles wirkte sehr friedlich.

Da er ansonsten niemanden sah, fragte er die Kinder nach dem Schlossgärtner. Eines der Kinder, ein kleines Mädchen, zeigte ihm einen Pfad, der durch den Garten hindurch direkt zu der Hütte des Gärtners führte. Der kleine Buddha bedankte sich für die Hilfe und folgte dem beschriebenen Pfad.

Unterwegs kam er an vielen wundervollen Bäumen, Büschen und Blumen vorbei. Ein herrlich frischer Duft lag in der Luft. „Was für ein schöner Ort zum Leben“, dachte er sich. Die Menschen hier mussten sehr glücklich sein.

Nach einiger Zeit gelangte der kleine Buddha zu der beschriebenen Hütte. Er klopfte an die Tür. Nichts. Er schaute sich um, doch von dem Gärtner fehlte weit und breit jede Spur. Gerade als er sich hinsetzen wollte, um auf ihn zu warten, hörte er aus einiger Entfernung ein leises Pfeifen. Der kleine Buddha ging neugierig um die Hütte herum und dabei wurde das leise Pfeifen langsam etwas deutlicher. Auf der anderen Seite der Hütte angekommen, sah er einen großen Gemüsegarten vor sich und inmitten von diesem Gemüsegarten kniete ein zufrieden vor sich hin pfeifender Mann mittleren Alters. ´Das muss der Gärtner sein´, dachte sich der kleine Buddha.

Als der Mann den Besucher bemerkte, stand er auf und kam auf ihn zu.

„Hallo“, sagte er mit freundlicher Stimme. „Hallo“, erwiderte der kleine Buddha. „Ich suche den Schlossgärtner.“

„Du stehst vor ihm. Was kann ich für dich tun?“

Der kleine Buddha erzählte ihm, dass er bei der blinden Hexe im Wald gewesen war. Er richtete die schönen Grüße aus und fragte den Gärtner, ob es einen Möglichkeit gäbe, für ein paar Tage bei ihm zu bleiben.

„Aber natürlich, du kannst so lange bleiben, wie du möchtest. Ich habe noch ein zweites Bett in meiner Hütte. Eine Frage habe ich nur. Warum hat die Hexe dich zu mir geschickt?“

„Nach der hektischen Stadt wollte ich an einen ruhigen Ort. Da mir die Höhle im Wald zu dunkel war, gab mir die blinde Hexe den Rat, dass ich dich besuchen solle.“

Der Gärtner lächelte wieder.

„Dann sei willkommen und fühle dich wie zu Hause.“

Der kleine Buddha blieb eine ganze Weile bei dem Gärtner in dem Schlossgarten. Er begann wieder, regelmäßig zu meditieren, und dabei genoss er die himmlische Ruhe und die Schönheit der Natur. Es fühlte sich ein bisschen wie zu Hause an, wie unter seinem großen alten Bodhi-Baum.

Manchmal half er dem Gärtner bei dessen Arbeit. Beim Gießen der Blumen, beim Beschneiden der Bäume und Büsche und beim Einpflanzen von neuen Samen. Aber manchmal schaute er ihm auch einfach nur zu, denn der kleine Buddha liebte es, andere Menschen zu beobachten.

Der Gärtner war eine faszinierende Person. Wenn er durch seinen Garten spazierte, blieb er immer wieder stehen und schaute den Pflanzen beim Wachsen zu. So schien es wenigstens. Man hätte meinen können, dass der Gärtner unheimlich langsam arbeitete, aber das stimmte nicht. Er vollbrachte seine Arbeit einfach mit einer unglaublichen inneren Ruhe. Er besaß eine Gelassenheit, die sogar den kleinen Buddha beeindruckte. Nichts schien ihn aus der Ruhe zu bringen. Nicht die spielenden Kinder, die oft viel Lärm machten, nicht ein starker Wind oder gar ein Gewitter, ja noch nicht einmal die beiden Schlosshunde, die immer wieder durch seine Beete liefen.

„Woher nimmst du deine ganze Geduld“, wollte der kleine Buddha eines Abends von ihm wissen, als sie gemütlich vor der Hütte um ein kleines Lagerfeuer herum saßen.

„Ich weiß nicht genau“, antwortete der Gärtner. „Wahrscheinlich hilft mir die Landschaft, geduldig zu sein. Ich lebe hier ja schon mein ganzes Leben. Von einigen Ausnahmen abgesehen bin ich immer von Ruhe umgeben und daher ist es für mich nur natürlich, selbst auch ruhig zu sein.“

„Ich verstehe dennoch nicht, wie du das machst“, sagte der kleine Buddha. „Wenn ich zu Hause unter meinem Baum sitze, dann habe ich keine wichtigen Aufgaben zu erledigen. Ich habe dann also Zeit, nett zu sein, geduldig zu sein oder einfach ruhig zu sein. Aber du hast ein normales Leben, du hast Verpflichtungen und Ablenkungen, jeden Tag hast du viel zu tun. Und dennoch bist du immer freundlich und hast Zeit für alles und jeden. Das ist mir einfach ein Rätsel.“

Der Gärtner verstand die Frage des kleinen Buddha, aber für ihn war es kein Rätsel.

„Ich nehme mir einfach die Zeit“, sagte er.

„Und woher nimmst du die Zeit, wenn keine da ist?“

„Es ist immer Zeit da. Es kommt nur darauf an, was du mit ihr machst.“

Der kleine Buddha wusste, was der Gärtner meinte. Er selbst hatte ja Herrn Singh, dem hektischen Reisenden aus der Stadt, der noch nie auf einer Reise gewesen war, fast das Gleiche gesagt. Trotzdem gab er sich mit der Antwort noch nicht zufrieden.

„Und was ist, wenn du unvorhergesehene Probleme hast? Was ist zum Beispiel, wenn der Brunnen kaputt ist und du den Tag damit beschäftigt bist, Wasser aus dem Bach hierher zu tragen? Woher nimmst du dann die Zeit für deine anderen Aufgaben?“

„Dann hätte ich in der Tat nur Zeit zum Wassertragen. Das wäre aber nicht weiter schlimm. Die Frage ist, was gerade wichtig ist. Manche Probleme kann man nicht vermeiden und daher muss man sie einfach geschehen lassen.“

Sie unterhielten sich an jenem Abend noch lange weiter. Über das faszinierende Mysterium der Zeit, über Probleme und Chancen, über Ruhe und über das Leben. Am darauffolgenden Morgen spazierten sie beide schweigend durch den riesigen Schlossgarten. Es hatte in der Nacht geregnet und somit war die Luft frisch und klarer als normalerweise. Es war eine wunderbare Art aufzuwachen.

Während sie den Spaziergang genossen, dachte der Gärtner über ihr Gespräch vom Vorabend nach. „Ich glaube, ich habe viel von der Natur gelernt“, sagte er auf einmal. Der kleine Buddha war noch nicht völlig wach. „Was meinst du?“

„Na, du hast mich doch gestern gefragt, woher ich meine Geduld habe.“

„Von der Natur. Geduld heißt ja eigentlich nichts anderes, als warten zu können. Und die Fähigkeit zu warten habe ich von der Natur gelernt.“

Der Gärtner schaute sich um und zeigte auf einen großen Baum. „Du kannst dich wochenlang vor diesen Baum setzen und versuchen, ihm beim Wachsen zuzusehen. Vergeblich! Und warum? Wie der Baum ganz langsam wächst, so langsam, dass du sogar von einem Monat auf den nächsten keinen Unterschied erkennst. Doch der Baum wächst. Jeden Tag ein Stückchen. Ein großer starker Baum wie dieser braucht einfach viel Zeit zum Wachsen. Und wenn du nun den Samen eines solchen Baumes einpflanzt uns sehen willst, wie aus einem winzigen Samen dieser riesige, prachtvolle Baum wird, dann brauchst du viel Geduld.

Du musst warten können.

Der kleine Buddha hörte aufmerksam zu und betrachtete dabei den großen Baum, vor dem sie stehen geblieben waren.

„Mit den Menschen verhält es sich ähnlich“, fuhr der Gärtner fort, „auch sie brauchen viel Zeit zum Wachsen. Weißt du, jeder Mensch wächst durch Erfahrungen und Erfahrungen zu machen, das dauert. Daher sollten wir auch mit den Menschen geduldig sein. Wir sollten immer bereit sein, auf ihre volle Entfaltung, auf ihre volle Größe zu warten.“

Sie schwiegen wieder und bewunderten den Baum. „Schade, dass nicht alle Menschen so viel Geduld haben wie du“, sagte der kleine Buddha schließlich.

„Geduld, die guten Dinge im Leben einfach geschehen zu lassen.“

Der kleine Buddha blieb mehrere Wochen bei dem Gärtner. Dann kam der Tag, an dem er seine Reise fortsetze. Die Zeit zum Abschied war gekommen. „Vielen Dank für deine Gastfreundschaft“, sagte er mit einem Lächeln im Gesicht. „Ich hoffe, ich werde eines Tages an diesen wundervollen Ort zurückkehren.“

„Du bist immer herzlich willkommen“, sagte der Gärtner. Dann dachte er kurz nach. „Mach doch einen kleinen Abstecher in das nahe gelegene Dorf. Geh dort zu der Bäckerin am Marktplatz und erkundige dich nach der Bäckerin. Falls sie nicht gerade drinnen in ihrer Backstube Brot backt, sitzt sie wahrscheinlich draußen auf einer Bank und liest ein Buch. Frage sie nach dem Geheimnis ihres Glücks. Sie wird dir dann eine Geschichte erzählen.“

(aus „Der kleine Buddha – auf dem Weg zum Glück“, von Claus Mikosch)



Wie du die Welt siehst

Krishna wollte die Weisheit seiner Könige testen. Er ließ eines Tages den für seine Grausamkeit und seinen Geiz bekannten König Duryodhana zu sich rufen und gab ihm die Aufgabe, durch die ganze Welt zu reisen und einen wahrhaft guten Menschen zu finden und zu ihm zu bringen. Gehorsam machte sich Duryodhana auf die Suche. Er begegnete vielen Leuten und sprach mit ihnen, und nach langer Zeit kehrte er zu Krishna zurück und sagte: „Ich habe auf der ganzen Welt gesucht, wie du mir aufgetragen hast, aber ich habe keinen wahrhaft guten Menschen finden können. Alle sind selbstsüchtig und böse!“

Dann ließ Krishna einen weiteren König namens Dhammaraja zu sich holen. Dhammaraja war bekannt und beliebt für seine Freigiebigkeit und Güte. Krishna gab ihm den Auftrag, die ganze Welt zu bereisen und ihm einen wahrhaft bösen Menschen zu bringen. So machte sich der König auf den Weg und sprach auf der ganzen Welt mit vielen Menschen und kehrte nach einigen Jahren wieder zurück und berichtete Krishna: „Oh Krishna, ich habe versagt. Es gibt Leute, die irregeleitet sind, Menschen, die aus Blindheit handeln, aber nirgends konnte ich einen wahrhaft bösen Menschen finden. Trotz aller ihrer großen oder kleinen Fehler sind sie alle im Herzen gut.“

(Aus "Die spirituelle Schatzkiste" von Arjuna P. Nathschläger)

Ein berühmter Ausspruch aus den Upanishaden lautet: „Tat Tvam Asi“: Du bist das. Du bist, was du siehst, denn was du wahrnimmst, ist durch deinen eigenen Geist, deine Einstellungen, Erfahrungen und Erwartungen gefärbt. So können wir an unserer Umwelt sehr gut ablesen, wie es in unserem Geist aussieht – und daraus lernen!

(von www.yogaakademieaustria.com)


Der vedantische Löwe

Eine Löwin wurde, kurz nachdem sie ihr Junges zur Welt gebracht hatte, von einem Jäger getötet. Das Löwenbaby lag nun allein in der weiten Steppe. Zu seinem Glück kam jedoch noch am gleichen Tag eine Schafherde vorbei und eine mitleidige Schafsmutter beschloss, das Löwenjunge zu adoptieren und gemeinsam mit den eigenen Kindern aufzuziehen.

So wuchs das Löwenkind heran, lernte von seinen neuen Freunden, was ein Schaf wissen muss: Wo man die saftigsten und würzigsten Gräser findet, wie man wie ein Schaf blökt und vor allem, dass man sich vor den großen, gefährlichen Löwen in Acht nehmen muss. Der junge Löwe lernte das alles und beherzigte es; er glaubte tatsächlich, ein Schaf zu sein!

So vergingen einige Jahre, und der Löwe war nun ausgewachsen, groß und mächtig. Obwohl er die anderen Schafe an Größe und Kraft weit überragte, hielt er sich noch immer für ein Schaf. Da kam eines Tages der gefürchtete Löwenkönig aus den Bergen, um sich ein Schaf zu reißen. Er traute seinen Augen kaum, als er inmitten einer Schafsherde einen Löwen friedlich grasen sah!

Erschreckt floh nun die Schafsherde und mit ihr das "Löwenschaf". Der Löwenkönig änderte nun seine Pläne, fing den flüchtenden Schafslöwen ein, der vor Angst zitterte, und brüllte ihn an: „Bist du verrückt? Was machst du hier in der Schafsherde? Frißt du Gras???“

„Was soll ich sonst fressen, ich bin doch nur ein kleines, schwaches Schaf. Bitte tu mir nichts, lass mich laufen. Ich will zu meiner Familie zurück!“

Doch der mächtige Löwe zerrte den Schafslöwen zu einem nahen See und zwang ihn, hineinzuschauen. Da begann es in dem noch immer vor Angst schlotternden Löwen zu dämmern, und allmählich wurde es ihm klar: Er war ein Löwe, und kein kleines, schwaches Schaf.

Er erhob seine Stimme und – nach ein wenig Übung – brüllte er ebenso gewaltig wie sein Lehrer, mit dem er nun in die Berge zog.

(Aus "Die spirituelle Schatzkiste" von Arjuna P. Nathschläge)r



Dein Körper ist dein bester Freund, nie dein Feind - verstehe, was er dir sagen will

von Robert Betz

Wie oft haben Sie sich bei Ihrem Körper schon einmal herzlich bedankt für alles, was er für Sie tut? Dafür, dass er Ihnen rund um die Uhr im besten Sinn dient, sozusagen drei Schichten à acht Stunden lang? Das finden Sie unsinnig? Dürfen Sie, aber wundern Sie sich nicht, wenn er dann irgendwann Symptome und Krankheiten zeigt, die Sie ‚eigentlich‘ nicht haben wollten. Unser Körper ist ein Wunderwerk der Natur, eines der größten Geschenke, die wir in diesem Leben erhalten haben. Aber er hat keinen eigenen Willen und ist dennoch unser perfekter und treuester Diener. Er hört sehr genau hin auf das, was Sie über sich selbst, über Ihr Frau-Sein oder Mann-Sein,  über ihn, den Körper, und über das Leben selbst denken und entsprechend fühlen. Er nimmt Ihre Gedanken, Gefühle, Worte und Handlungsweisen über elektromagnetische Schwingung auf und muss entsprechend darauf reagieren.

Unser physischer Körper könnte allein gar nicht funktionieren, wäre da nicht ein zweiter, nicht-physischer, feinstofflicher Körper (im Gegensatz zum grobstofflichen materiellen Körper), indem unsere mentalen und emotionalen Energien fließen und gespeichert werden. Unser physischer Körper nährt sich nicht nur über unsere Speisen und Getränke, sondern mindestens im selben Maße, eher jedoch noch mehr an diesen nicht-physischen Energien. Vielleicht erinnern Sie sich an den Satz: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein…“Dieser feinstoffliche Körper ist ein Schwingungskörper und wird von seinem Träger durch dessen Gedanken, Gefühle und die Qualität seiner Beziehung zu sich selbst und zum Leben in einen hochschwingenden Zustand versetzt, wenn jemand ‚beschwingt‘, heißt voller Freude und Liebe zu sich durch die Welt geht. Oder er wird belastet und beschwert durch Einstellungen und Verhaltensweisen der Unliebe, durch unser Jammern, Klagen, Ablehnen, Verurteilen und das Unterdrücken unserer Gefühle.

Das Zentrum dieses feinstofflichen Körpers, der den materiellen Körper umhüllt und völlig durchdringt, ist ein Herz mitten in unserer Brust, das kein Chirurg finden kann, das entweder offen oder bei den meisten mehr oder weniger verschlossen ist, seit wir in der Kindheit gelernt haben, uns selbst, das Leben und die ersten Mitmenschen abzulehnen und zu verurteilen. Zusammen mit diesem feinstofflichen Herzen, unserem energetischen Zentrum, besitzt unser Körper zahlreiche Energiezentren oder besser Energiespiralen, von denen bisher den meisten nur 7 als ‚Hauptchakren‘ bekannt sind. Durch diese Chakren empfangen wir ständig Energie aus Mutter Erde und dem Kosmos, so dass jeder Energiemangel oder chronische Erschöpfung völlig unnatürlich ist. Jedes dieser Haupt-Chakren ist unmittelbar mit einer unserer Drüsen verbunden. Fließt die Energie in diesen Chakren nicht so, wie sie das tun will, wird eine unserer Drüsen in ihrer Funktion beeinträchtigt. Zum Beispiel reagiert unsere Schilddrüse darauf, wenn wir unser Hals-Chakra, das Chakra des Selbstausdrucks, einmal verschlossen und glaubten, wir dürften vieles nicht aussprechen, was doch unsere Wahrheit ist und uns nicht so zeigen, wie wir sind. Oder die Bauchspeicheldrüse reagiert auf unser beeinträchtigtes Solarplexus-Chakra, wenn wir uns einmal – oft nach Schicksalsschlägen wie dem Verlust eines Menschen - entschieden, uns jetzt nicht mehr freuen zu dürfen.

Wenn wir uns selbst ablehnen, nicht lieben und uns selbst nicht der erste Freund/die erste Freundin sind, dann erhält dieser Körper nicht nur weit weniger Energie, sondern er wird durch unsere ablehnenden, nicht von Liebe getragenen Gedanken sehr geschwächt. Er tut seine Arbeit, so gut er kann (und er kann eine Menge verkraften) und hat enorme Selbsterhaltungs- und Selbstheilungskräfte. Aber irgendwann, meist zwischen 35 und 50 zeigt er deutliche Spuren in Form von Symptomen oder Krankheiten. Als erstes wünscht sich Ihr Körper, dass Sie ein großes JA zu sich selbst, zum Leben und zu ihm, dem Körper sagen. Er wünscht sich, dass wir ihn mit Freude ‚einwohnen‘ und ihn Dankbarkeit und Liebe zu uns und ihm stehen. Freude, Liebe und Dankbarkeit sind daher seine wichtigsten ‚Nährstoffe‘, die Sie ihm geben oder ihm vorenthalten können.

Bisher betrachten wir und die Schulmedizin unseren Körper eher wie eine Maschine anstatt als ein lebendiges Wesen, das vom Bewusstseinszustand und den Gefühlen seines Trägers komplett abhängig ist. In den letzten Jahren öffnen sich jedoch immer mehr Menschen dafür, dass der Versuch,  Krankheiten und Symptome zu bekämpfen und ‚wegzumachen‘ keine wirklich nachhaltige Lösung ist. Unser Körper möchte uns stets etwas Wichtiges mitteilen, wenn er Schmerzen oder Beeinträchtigungen zeigt. Aber die meisten hören bisher nicht auf ihn, weil sie nicht lernten, seine Sprache zu verstehen. Autoren wie Rüdiger Dahlke und in letzter Zeit besonders die Belgierin Christiane Beerlandt haben viel Licht in die Zusammenhänge zwischen Seele und Körper bzw. Bewusstsein und Materie gebracht. Besonders das Werk von Frau Beerlandt „Der Schlüssel zur Selbstbefreiung“ gehört aus meiner Sicht in jeden Haushalt wie eine alternative ‚Hausapotheke des Geistes‘, durch die der Leser sehr schnell beim Lesen spürt, was aus der jeweiligen Beschreibung auf ihn zutrifft.

Was heute besonders auffällt, ist der dramatische Anstieg der  Erschöpfungszustände von immer mehr Menschen. Obwohl wir weniger arbeiten als vor 50 Jahren, weit weniger Kinder bekommen und kaum noch schwere körperliche Arbeit verrichten, leiden immer mehr Menschen unter ‚Burnout‘. Und dieser Trend wird noch drastisch zunehmen. Wieso geschieht das? Auch hier dürfen wir die beherrschende Rolle des Geistes über die Materie beachten. Der unbewusste Mensch hat sich mit seinen vielen ‚Ich muss‘, ‚Ich sollte‘, ‚Ich kann nicht‘ in eine immer bedrängendere Druck- und Stressspirale manövriert, aus der er bisher keinen Ausweg findet. Durch seine eigenen unwahren und nie überprüften, sondern von anderen übernommenen Gedanken hat er einen inneren Druckmacher und Antreiber erschaffen, als dessen Sklave er sich fühlt und glaubt, er müsse weiter täglich sinnlos in einem Hamsterrad laufen.

Vor allem ist es jedoch das Gefühl der Sinnlosigkeit, das viele immer mehr mit der Frage umtreibt: „Wozu mach ich das eigentlich hier alles? Wofür renne ich, strenge mich an, versuche mitzuhalten und durchzuhalten?“ Ja, das ist die entscheidende Frage, auf die jeder von uns eine sehr klare Antwort finden darf. Wir dürfen vom Unsinn, den wir in unserem Leben betreiben, zum Ur-Sinn unseres Lebens zurückfinden. Darum die Frage an Sie: Wissen Sie wirklich, warum Sie jeden Morgen aufstehen? Und wenn Sie aufstehen, wie tun Sie es, mit welchen Gedanken zu diesem neuen Tag? Die meisten tun es, weil es andere auch machen, weil sie es so gelernt haben, jedoch nicht mit einer großen Freude über diesen neuen Schöpfertag, der uns an jedem Morgen zuruft: „Guten Morgen, großer Schöpfermensch. Hier, ich dieser Tag, das Leben, schenke mich dir. Mach das Allerbeste aus mir und erschaffe, was dein Herz sich zu erschaffen ersehnt!“ Und wir denken häufig: „Ach, wäre doch schon Feierabend!“

Was wir jetzt, in dieser hochschwingenden Transformationszeit, wieder erinnern dürfen und werden: Wir sind nicht unser Körper, sondern wir haben einen Körper, um ihn zu genießen und auf freudvolle und liebevolle Weise zu behandeln. Wir sind von Natur aus ein geistiges Wesen, zurzeit für eine kurze Weile unserer ewigen Existenz in diesem Körper auf Mutter Erde. Wir kamen freiwillig hierher um der Erfahrung willen, das heißt um physische, mentale und vor allem emotionale Erfahrungen hier im Körper zu machen. Wir sind fühlende und mitfühlende Wesen. Und vor allem kamen wir auf die Erde, um hier die Liebe zu leben, die wir von Natur aus sind, in der Verbundenheit mit Mutter Erde und der irdischen Natur, mit unseren Mitmenschen und mit unserer göttlichen Quelle. Niemand wurde hierher strafversetzt, auch wenn das viele zu denken scheinen. Dieser unser physischer Körper gehört zur Erde und wird wieder zu ihr zurückkehren. Aber das, was wir wirklich sind - ein geistiges-göttliches Wesen mit Bewusstsein - wird ewig weiterleben und zu neuen Erfahrungsreisen aufbrechen.

Mit großer Dankbarkeit, mit Genuss und Freude dürfen wir all die vielen Geschenke unseres Körpers annehmen und genießen. Seien es die Geschenke unserer Sinne, des Sehens, Hörens, Tastens, Schmeckens und Riechens. Das Geschenk der Bewegung, des Gehens, Springens, Singen und Tanzens. Das Geschenk des Kochens und Essens in der Gemeinschaft. Das Geschenk der Sexualität. Das Geschenk des Gebens und Empfangens, das Lachen und das Weinen und vor allem das Fühlen so unterschiedlicher Emotionen.

Dieser Körper, der physische wie der feinstoffliche, ist ein System stetig fließender Energien. Unser Blut will fließen, unsere Lymphe, unser Atem und ebenso die elektromagnetischen Ströme unserer Meridiane. Genauso wichtig ist jedoch, dass unsere Liebe fließt, unsere Freude und all unsere Gefühle fließen. ‚E-motion‘ bedeutet, ‚Energie in Bewegung‘. Unterdrücken, verdrängen und lehnen wir unsere Emotionen jedoch ab, fehlt uns das Ja zum und die Freude am eigenen Leben, entstehen auf Dauer Krankheiten.

Alle Druckkrankheiten, ob Migräne, Bluthochdruck oder Bandscheibenvorfall entstehen dadurch, dass wir uns durch viele unwahre Gedanken unter Druck setzen und zugleich Energien (wie unsere Gefühle) unterdrücken. Wir schlucken unseren Ärger runter und sind chronisch ‚sauer‘, weil unsere Magensäure nicht dafür da ist, Ärger zu verbrennen. Magengeschwüre, Gallensteine, Migräne sind nur einige der Folgen unterdrückter Wut. Unsere Gelenke beeinträchtigen wir selbst in ihrer Beweglichkeit, weil wir uns geistig, in unserem Bewusstsein, nicht mehr weiterbewegen und entwickeln, sondern ängstlich, wütend, trotzig in unsinnigen und unstimmigen Lebenssituationen verharren, aushalten, anstatt uns weiter zu bewegen.

Und wenn wir denken oder sagen: „Ich bin krank“, dann ist das ein Unsinn und erschafft durch die „Ich bin“-Formulierung erst Krankheit. Es ist eine (wenn auch unbewusste) Schöpferaussage, die vom Leben entsprechend bestätigt werden muss. „Mein Körper schickt mir eine Botschaft und wünscht sich jetzt eine Unterstützung“, wäre weitaus stimmiger als Gedanke. Er wünscht sich uns als dankbaren Partner, Freund und Schöpfer einer inneren Zufriedenheit durch ein Leben in Übereinstimmung mit der Stimme unseres Herzens, das nichts als lieben will.



Der Schiffbrüchige

Der einzige Überlebende eines Schiffbruches wurde an den Strand einer kleinen, unbewohnten Insel gespült. Er betete inbrünstig zu Gott, ihn aus dieser Lage zu befreien. Jeden Tag untersuchte er den Horizont, ob da nicht ein Schiff zu seiner Rettung auftauchte.

Mit größter Mühe baute er sich eine kleine Hütte aus Holzstücken, die die Wellen an den Strand trieben. Seine wenigen Habseligkeiten waren schnell in der Hütte untergebracht und fieberhaft suchte er weiter den Horizont ab.

Wenige Tage später – er fand kaum noch essbare Früchte und im Fischefangen hatte er auch kein Geschick – fand er, als er zu seiner bescheidenen Unterkunft zurückkehrte, diese in Flammen vor, eine schwarze Rauchsäule stieg empor.

„Oh Gott! Warum tust du mir das an!“ rief er voll Kummer und Verzweiflung.

Am nächsten Tag – er hatte in einer Mulde im Sand geschlafen – weckte ihn das Horn eines Schiffes, das auf seine Insel zufuhr. Es war gekommen, ihn zu retten.

„Wie habt ihr mich gefunden?“ fragte der Schiffbrüchige.

„Wir haben dein Rauchsignal gesehen!“ war die Antwort.

(Aus "Die spirituelle Schatzkiste" von Arjuna P. Nathschläger)


Der Fuchs und der Tiger

Ein Mann, der durch den Wald ging, sah einen Fuchs, der seine Beine verloren hatte und fragte sich, wie er überleben könne. Da sah er, wie ein Tiger mit seiner Jagdbeute im Maul ankam. Der Tiger fraß sich satt und ließ die Reste des Fleisches für den Fuchs übrig.

Am nächsten Tag fütterte Gott den Fuchs mit Hilfe des selben Tigers. Der Mann staunte über Gottes Erhabenheit und sagte sich: „Auch ich werde in einem ruhigen Winkel ausharren, im vollen Vertrauen auf den Herrn, und er wird mich versorgen mit allem, was ich brauche.“

So tat er viele Tage lang, aber nichts geschah, und er war schon am Verhungern, krank und elend, als er eine Stimme hörte, die sagte: „Oh du, der du auf einem Irrweg bist, öffne deine Augen! Folge dem Beispiel des Tigers und höre auf, den behinderten Fuchs nachzuahmen!“

(Aus "Die spirituelle Schatzkiste" von Arjuna P. Nathschläger)



Die fünf Bereiche von Yoga

Die fünf Teilbereiche des Yoga sind (nicht nur im Advent) eine gute Grundlage dafür, die Abhängigkeit von Sinnesvergnügen zu durchbrechen und bleibende Zufriedenheit zu erlangen:

Entspannung: Die Natur macht im Winter Pause. Auch für uns Menschen ist es wichtig, inne zu halten. Nehmen wir uns täglich ein paar Minuten Zeit, still zu werden, den Körper zu spüren und die Gedanken zu beobachten.

Pranayama: Atemübungen unterstützen uns beim Bewusst-Sein und dabei, die Harmonie im Körper (und auch im Geist) zu bewahren. Jeder Atemzug ist ein „Ja-Sagen“ zum Leben. Darüber hinaus kräftigt Pranayama die Lunge und trägt dazu bei, dass wir in den kalten Wintermonaten gesund bleiben.

Asanas: Regelmäßige Yogapraxis sorgt dafür, dass der Körper geschmeidig und beweglich bleibt. Körperliches Wohlbefinden ist die Basis für einen ruhigen Geist.

Bewusste Ernährung: Der Advent ist längst keine Zeit des Fastens mehr, im Gegenteil: Ein Überangebot an Süßigkeiten, Punsch, Glühwein und reichhaltigen Mahlzeiten bei Weihnachtsfeiern erschwert die gesunde Ernährung. Üben wir uns darin, manchmal „nein“ zu sagen.

Meditation: Im Trubel der Vorweihnachtszeit fällt es oft noch schwerer als sonst, innere Ruhe zu finden. Ein paar Minuten des stillen Sitzens bei Kerzenlicht an einem ruhigen Ort helfen uns, die Gedanken auf das, was uns wirklich wichtig ist, zu fokussieren.

(Veröffentlicht auf: www.yogaakademieaustria.com)


Eine Lehrerin versucht sich in der Highschool-Klasse an einer wichtigen Lektion.

Sie lernen etwas über die Hexenprozesse von Salem, und ihre Lehrerin erklärte ihnen, dass sie ein Spiel spielen würden.

"Ich werde zu jedem von euch kommen und euch zuflüstern, ob ihr eine Hexe oder ein normaler Mensch seid. Euer Ziel ist es, die größtmögliche Gruppe zu bilden, in der KEINE Hexe ist. Am Ende bekommt jede Gruppe, in der sich eine Hexe befindet, eine schlechte Note."

Die Jugendlichen stürzten sich darauf, sich gegenseitig in die Mangel zu nehmen. Es bildete sich eine ziemlich große Gruppe, aber die meisten Schüler teilten sich in kleine, exklusive Gruppen auf und wiesen jeden ab, von dem sie glaubten, dass er auch nur einen Hauch von Schuldgefühlen zeigte.

"Okay", sagte die Lehrerin. "Ihr habt eure Gruppen. Es wird Zeit, herauszufinden, wer daneben lag. Alle Hexen heben bitte ihre Hände."

Keiner hob eine Hand.

Die Kinder waren verwirrt und sagten der Lehrerin, sie habe das Spiel vermasselt. "Habe ich das? War irgendjemand in Salem wirklich eine Hexe? Oder haben alle nur geglaubt, was man ihnen erzählt hat?"

Und so reflektieren sie, wie leicht es ist, eine Gemeinschaft zu spalten.

Seid weiterhin einladend, schöne Menschen. Meiden, zum Sündenbock machen und spalten, zerstört weit mehr als es schützt.

(Unbekannter Verfasser/in)


Ich versuche einmal die Geschichte frei nach zu erzählen.

Ein europäischer Forscher wollte in einem kleinen Dorf in Afrika nachweisen, dass Menschen ohne Rücksicht ihren Bedürfnissen folgen.  So versammelte die Kinder des Dorfes und erklärte ihnen folgendes. Er hatte unter einen Baum einen Korb mit vielen süßen, saftigen Früchten platziert. Nun sollten die Kinder auf ein Kommando loslaufen. Wer als erster den Korb erreicht, darf sich so viel davon nehmen wie er möchte und sich satt essen.

Er gab das vereinbarte Kommando und alle Kinder liefen los. Kurz vor dem Ziel nahmen sich alle Kinder an den Händen zu liefen gemeinsam, Hand in Hand zu dem Korb, teilten die Früchte und aßen alle gemeinsam.

Der Wissenschaftler war erstaunt und fragte, warum sie das gemacht hätten? Da antworteten die Kinder „Ubuntu“. „Ich bin, weil wir sind. Wie kann ich mich freuen, wenn du traurig bist?“

Ubuntu, ausgesprochen [ùɓúntú], bezeichnet eine afrikanische Lebensphilosophie, die im alltäglichen Leben aus afrikanischen Überlieferungen heraus praktiziert wird. Das Wort Ubuntu kommt aus den Bantusprachen der Zulu und der Xhosa und bedeutet in etwa „Menschlichkeit“, „Nächstenliebe“ und „Gemeinsinn“ sowie die Erfahrung und das Bewusstsein, dass man selbst Teil eines Ganzen ist.

Damit wird eine Grundhaltung bezeichnet, die sich vor allem auf wechselseitigen Respekt und Anerkennung, Achtung der Menschenwürde und das Bestreben nach einer harmonischen und friedlichen Gesellschaft stützt, aber auch auf den Glauben an ein „universelles Band des Teilens, das alles Menschliche verbindet“. Die eigene Persönlichkeit und die Gemeinschaft stehen in der Ubuntu-Philosophie in enger Beziehung zueinander.

Es war ein herrlicher Montagmorgen, bei schönem Wetter, wir hatten uns in einem kleinen Kloster in Italien eingefunden. Es war die Intensivwoche einer Yogaausbildung. Ich hatte im Vorfeld dieser Woche einiges zu tun und war nun froh, einmal für eine Woche aus dem Alltag zu entfliehen. Aber Yogaausbildung – bedeutet auch wieder lernen und nach Möglichkeit behalten.

Ich hatte mir vorgenommen, mich in dieser Woche ganz auf die Yogaausbildung einzulassen. Ich erinnere mich noch genau, es war im 1. Stock eines Nebengebäudes, ein schöner großer Raum mit herrlichen Panoramafenstern und einem Balkon für unsere Yogaausbildung. Am zweiten Tag begann der Morgen für uns mit Yogapraxis „Sitzen in der Stille“. Ich wusste aus Erfahrung, dass mein Kopf eine kleine Weile brauchte, um die Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen. Der erste Gedanke an diesem Morgen kreiste um die Frage, was erwarte ich von dieser Intensivwoche? Wie sollte denn generell mein Yogaweg aussehen?  Meine Gedanken verselbständigten sich in Bruchteilen von Sekunden. Was wohl mein Weg sei? Sie sollte ein Yogaweg denn überhaupt sein? Wie sieht dieser Weg aus? Was muss man dafür tun? Bin ich überhaupt ein richtiger Yogi?  Wie findet man den richtigen Weg?  Wohin sollte der Weg denn führen? Was ist, wenn man sich auf seinem Weg verirrt? Wie merkt man es? Wohin muss man dann zurück? Zum Anfang oder vielleicht findet man den Abzweig, an dem man falsch abgebogen ist? Ich war in diesem Moment unachtsam und schon waren die Gedanken wie wild in meinem Kopf unterwegs. Die Chittas schwirrten in meinem Kopf wie wild umher und ließen mir keine Zeit, um mir dessen bewusst zu werden. Ich wusste ja, wenn man nicht achtsam ist, dann übernehmen die Gedanken die Herrschaft und unsere Gedanken sind hervorragend, um uns selbst zu manipulieren, damit sie ihren Einfluss nicht an unser Herz oder unsere Seele verlieren. Der Kritiker im Kopf freut sich, wenn er macht über uns besitzt und dafür ist er sehr einfallsreich und gerissen. Je unsicherer wir werden, desto fester sitzt er im Sattel.  

Ich wusste ja, wenn man seine Gedanken nicht beherrscht und ihnen Einhalt gebietet, dann gehen sie sehr schnell mit einem durch. So war es auch in diesem Moment, ich hatte es kurz bemerkt, ärgerte mich ein wenig, aber dann gingen die Gedanken auch schon wieder weiter. Ich hatte wohl den ersten Moment der Wahrnehmung verpasst und ließ es geschehen.

Im Nachhinein sollten sich aber die Gedanken als Erfahrung und Erkenntnis erweisen und waren in diesem Moment genau richtig.

Ich driftete also weiter in meine Gedanken ab. Plötzlich hatte ich das Bild eines Lotos im Kopf, der Lotos, der aus dem Schlamm emporsteigt und sich noch oben zum Licht bewegt und etwa sehr schönes in seiner Blüte erstrahlen lässt. Was ist wohl in meinem Innersten verborgen?

Ich sah mich als Lotos und in meinem Innersten war reines Selbst. Ich wusste zwar nicht, wie dieses reine Selbst aussieht, oder wie es sich anfühlt, aber ich hatte ein Gefühl des Friedens und der Freude in meinem Herzen und diese Freude konnte ich in meinen ganzen Körper wahrnehmen.

Es fühlte sich sehr schön an und mir wurde klar, dass ich mich gar nicht auf den Weg machen muss. Dass das Leben für mich die einzelnen Blätter des Lotos entfernen würde und ich immer näher an meinen wirklichen Wesenskern komme. Ich musste „nur“ das Leben annehmen und es möglichst gut und liebevoll leben. Ich muss im Grunde gar nichts tun, was mir eine innere Freiheit verlieh. Kein Suchen, keine Anstrengung, keine Ängste das falsche zu tun. Ein wunderbares Gefühl von Freiheit, Ruhe, innerer Frieden und Entspannung breitete sich aus.

Meine Gedanken kreisten um die Blätter des Lotos und um die Frage, wie, bzw. wie schnell werden sich die Blätter entfernen?

Da musste ich an Leid denken, an Menschen, denen Leid widerfährt und die schmerzvolle Erfahrungen machen müssen. Ich habe den Lotos gesehen und spürte, dass Leid wie ein heftiger Sturm für eine Pflanze sein kann. Dieser Sturm ist zwar schmerzvoll und mit Leid verbunden, er reißt aber dafür gleich viele Blätter vom Lotos und so kommen Menschen durch erfahrenes Leid schneller vorwärts und haben die Möglichkeit früher zu ihrer Mitte zu finden.

Ich bin für mich zur Überzeugung gekommen, dass der Weg zur Mitte durch ein ganz normales Leben geschehen kann, aber auch über das Leid, das einem widerfährt. Beide Wege führen auf unterschiedliche Weise zum gleichen Ziel.  

Und wenn ich gerade so darüber nachdenke, dann sind es wohl auch die Wege von Siddartha Gaudama und Pantanjali. Ich habe mal gelesen, dass Siddartha den Weg des Leids für sich gewählt hatte. Er durchlebte Entbehrungen und Schmerz und gelangte durch Beobachtung und seine Gedanken zu seinen Weisheiten. Pantanjali hingegen ging den Weg der Güte, ohne sich Schmerz und Leid zuzufügen und gelangte auch zu diesen Weisheiten.

Seit jenem Morgen, weiß ich, dass ich nicht mehr als Suchender durch die Welt irren muss. Alles wird kommen, wie es kommen soll. Und alles wird letztendlich zu meinem Besten und zum Besten für alle Wesen werden.

Namasté

 

Ich bin nicht gut genug

Bei einem Tyrannen lässt die Selbstachtung arg zu wünschen übrig. Das versuchen sie dadurch zu kompensieren, dass sie andere unterdrücken. Wenn sie jamanden einschüchtern können, gibt ihnen das ein gutes Gefühl.

Buddha beschreibt drei Arten des Dünkels:

1.     Sich für etwas Besseres halten

2.     Sich für schlechter zu halten als andere

3.     Sich für jemand anderen zu halten

Diese zweite Form von Dünkel, die oft gar nicht als solche erkannt wird, ist übrigens die Hauptursache für Mobbing. Wenn wir doch bloß aufhören könnten, uns alle gegenseitig zu beurteilen, könnten wir vielleicht auch aufhören, uns selbst zu beurteilen. Und dann müssten wir einander auch nicht mehr so oft verbal oder körperlich drangsalieren.

Auf einem Empfang stellte sich ein gut gekleideter Gast voller Stolz als Doktor der Medizin vor. Ich bin auch Arzt sagte der Gastgeber warmherzig. „Allgemeinmediziner“

„Nur Feld- Wald- und Wiesen-Doktor? Ich bin Hirnchirurg. Das ist natürlich etwas ganz anderes“, meinte der Gast. „Viel komplizierter“, und er trug das Kinn gleich ein wenig höher.

„Ich bin auch Ärztin“, sagte die Frau des Gastgebers, „und zwar bei Ärzte ohne Grenzen. Bis vor einem halben Jahr war ich noch im Nahen Osten und habe die im Krieg verletzten Kinder behandelt. Das war zwar sehr gefährlich, aber irgendjemand muss diesen armen Mädchen und Jungen ja helfen.“

„Sicher, ich kann mir durchaus vorstellen, dass so ein ehrenamtliches Engagement nicht ganz ohne ist“, hielt der Gast dagegen und rechte das Kinn gleich noch ein bisschen höher. „Aber sie werden zugeben müssen, dass die Arbeit eines Hirnchirurgen weit komplizierter ist.“

„Ich habe auch einen Doktortitel“, warf der Sohn der Gastgeber ein, „und zwar in Physik. Augenblicklich bin ich bei der NASA und baue Raketen.“ Daraufhin fiel dem gut gekleideten Gast die Kinnlade runter. Und dahin war auch seine Selbstgefälligkeit.

Wer sich gern für etwas Besseres hält, darf sich nicht wundern, wenn er umgekehrt genauso leidet, wenn er auf jemanden trifft, der ihm überlegen ist. Am besten tut man also daran, sich gar nicht erst mit anderen zu vergleichen.

(aus „Der Elefant, der das Glück vergaß“ von Ajahn Brahm - Lotus Verlag 2015)



Die drei dämonischen Lehrlinge

Eine alte indische Legende erzählt von drei Lehrlingen des Bösen.

Bevor sie aufbrachen, um das Böse unter die Menschen zu bringen und die Menschen in Versuchung zu führen, mussten sie ihrem Meister ihre Strategie vortragen:

Der erste Lehrling erzählte: „Ich werde die Menschen überzeugen, dass es Gott gar nicht gibt.“

Der Meister gab ihm folgendes zur Antwort: „Damit wirst du keinen sonderlichen Erfolg haben. Die meisten Menschen wissen instinktiv, dass es einen Gott gibt, in welcher Form auch immer. Sobald sie in sich selbst hineinfühlen, erkenne sie das göttliche und wissen, dass es einen Gott gibt. Deshalb wirst du wohl nicht viele Menschen auf die Seite des Bösen bringen.“

Der zweite Lehrling tat seine Devise kund: „Ich werde den Menschen erzählen, dass die Geschichte der Hölle frei erfunden ist und es sie gar nicht gibt. Sie werden dadurch das Gefühl bekommen, dass sie alles machen können, was sie möchten. Egal wie schlimm die Tat ist, sie brauchen keine Strafe zu fürchten und können ihre Tat genießen.“

Auch bei ihm war der Meister nicht wirklich zufrieden, er entgegnete: „Auf diese Weise wirst du kaum Menschen für uns gewinnen können. Der aufgeklärte Mensch weiß heute doch, dass es etwas gibt, was seine Tat nach sich zieht. Er weiß, dass sich Karma immer erfüllt und er auch für seine böse Tat entsprechend immer einen Preis zu zahlen hat.“

Nun war der dritte Schuler an der Reihe. Ein besonders fleißiger Schüler während seiner Ausbildung und er erzählte: „Ich werde den Menschen das Gefühl vermitteln, dass ihnen unendlich viel Zeit zur Verfügung steht.  Ich nehme ihnen die Gedanken an das Endliche. So wägen sie sich in Sicherheit und glauben, sie können getrost all das Gute, was sie tun möchten auf später verschieben können. Ich werde ihnen einreden, dass es nichts gibt, was sie hier und jetzt tun müssen, später ist auch noch ein Tag.“

Da war der Meister begeistert und erwiderte: „Mach dich sofort ans Werk! Du wirst Erfolg haben! Es werden ganz viele sein, die das annehmen und den bequemen Weg einschlagen, das Gute irgendwann zu tun. Auch wenn sie spüren, es müsste gleich getan werden. Sie spüren vielleicht sogar Mitgefühl mit ihren Mitmenschen, werden sich aber sagen, das kann ich ja irgendwann wieder gut machen. So werden sie das Böse auf der Stelle tun, in der Absicht es später wiedergutzumachen.“

(frei nacherzählt)

Wenn du einmal in dich hinein spürst, wie oft gehen wir wirklich so mit unseren Mitmenschen oder unserer Umwelt um? Und was ich noch viel interessanter finde, wie oft gehen wir so mit uns selbst um? Wir wissen und spüren was uns im Moment wirklich gut täte, aber entscheiden uns dann letztendlich doch dagegen oder einfach für etwas anderes. Wir können ja morgen damit anfangen, oder wir können es ja morgen tun. Ob es um Ernährung, eine Aufgabe oder einfach darum geht mal ein schönes Buch zu lesen, anstatt jeden Abend vor der „Klotze“ zu verbringen. Oder einfach mal etwas früher zu Bett gehen, um ausgeschlafen zu haben. Ob wir in der Mittagspause mal nach draußen gehen. Vielleicht mal wieder einen lieben Menschen treffen, alte Freunde, oder jemanden einfach mal etwas Nettes sagen. "Heute ...., morgen fang ich dann mit ... an." Es gibt so viele Dinge, die wir gerne machen würden, aber den richtigen Moment verpassen. Man verpasst es sich bei jemanden zu melden, dann kommt noch das schlechte Gewissen hinzu und man meldet sich lieber gar nicht mehr und so verrinnt die Zeit ohne den Momente wirklich genutzt zu haben.

Wann ist denn der richtige Zeitpunkt? – Der richtige Zeitpunkt ist JETZT!

Ich habe dazu einen schönen Spruch gelesen: „Erfolgreiche Menschen sind meist nur konsequent!“

Wann ist denn der richtige Zeitpunkt? – Der richtige Zeitpunkt ist JETZT!

Ich habe dazu einen schönen Spruch gelesen: „Erfolgreiche Menschen sind meist nur konsequent!“


Innere Blockaden und eine trübe Stimmung auflösen

Unbewusste negative Denkmuster können die Vitalität und Lebensfreude erheblich drosseln. Sie ziehen Unzufriedenheit, Ängste, Frustration und Selbstzweigel nach sich und können bis hin zu Depression, Aggression oder Sucht führen.

Wann haben Sie sich zuletzt richtig von Herzen gefreut? Oder das behagliche Gefühl genossen, wohlig-warm-zufrieden in sich zu ruhen? Ein Zustand tiefer Herzensfreude oder satter Zufriedenheit schient für viele Menschen schwer erreichbar zu sein. Oft erliegen wir auch dem Irrtum, dafür etwas tun oder leisten zu müssen oder dass erst alle möglichen Voraussetzungen erfüllt sein sollten: „Ach, wenn meine Partnerschaft glücklicher wäre, meine Karriere erfolgreicher verlaufen würde, wenn ich mehr Geld hätte, wenn ich schlanker wäre, wenn ich mehr Freunde hätte und endlich den Traumpartner finden würde … dann wäre ich glücklich und zufrieden.

Nein, wären Sie nicht, jedenfalls nicht dauerhaft. Denn der Schlüssel zum Glück liegt woanders.

Der bewertende Blick

Unseren Gefühlen liegen stets bewertende Gedanken zugrunde. Täglich treffen wir Hunderte kaum bewusster Bewertungen. Natürlich braucht es im Leben Einschätzungen – allerdings nur in einem bestimmten Rahmen. Vor allem müssen wir diese von Zeit zu Zeit hinterfragen.

Eine kritische Sichtweise macht auch vor selbst nicht halt. Wir meinen, wir sollten uns allen möglichen Optimierungsmaßnahmen unterziehen. Und schon hecken wir wieder eine „Lösung“ für ein „Problem“ aus, das sich doch nur in unserem Kopf abspielt. Als Folge davon, dass wir meinen, wir können erst glücklich sein, wenn wir dies oder jenes haben, kommt es oft zu einer unterschwelligen Anspannung und Unzufriedenheit, weil das nie endet und es in der Außenwelt immer Dinge zu verbessern gibt. Die zahllosen Wünsche und mentalen Wertungen laufen nicht nur wie ein ablenkendes Dauerprogramm im Hintergrund ab, sie bilden auch trübe Schichten auf unserem natürlichen Glückszustand – womit das Glück in weite Ferne zu rücken scheint.

Bewusst im Jetzt sein

Wir haben gelernt, dass die die Verstandeskreativität das Verlässlichste und Wichtigste in unserer Lebensgestaltung sei. Doch wenn wir diese Aktivität analysieren, finden wir viele destruktive Gedankenketten, die uns eher behindern als fördern, denn wir können dann nicht fröhlich und aktiv die anstehenden Dinge erledigen. Gedanken wie „Die Kollegin hätte meine Unterlagen ruhig mit kopieren können – na, das nächste Mal bringe ich ihr keinen Kaffee mit“ vermiesen uns die Laune und führen uns weg vom aktuellen Moment. Dich echte Freude kann man nur im Jetzt genießen. Um den Seelenfrieden zu fördern, geben spirituelle Lehrer die Empfehlung, den Gedankenfluss zur Ruhe zu bringen.

Das ist leicht gesagt. Wer je versucht hat, frei von Gedanken zu meditieren, weiß, sie schwierig das sein kann. Manchmal scheint es, als hätte genau dann eine unsichtbare Instanz einen Startschuss abgefeuert mit dem Kommando: „Alle Gedanken preschen jetzt herbei und tanzen wie eine Horde wilder Affen in meinem Kopf herum!“ So endet mancher Versuch zu meditieren in endlosen inneren Monologen.

Was also tun? Wie können wir angesichts unserer mentalen Überaktivität zur Ruhe finden und wieder die natürliche Harmonie unseres Wesens freilegen? Wie können wir friedlich leben und verliebt sein in das eigene Sein? Tief und wohlig in uns selbst ruhen?

Sie ahnen es – was uns hier wirklich hilft, sind Meditation mit inneren Bildern, die uns wieder an den Ort des Friedens in uns bringen und die Selbstliebe bestärken. Denn schon alleine dadurch, dass der Geist Bilder empfängt, kommt er zur Ruhe, denn er liebt Bilder. Bilder sind die Sprache, die das Unterbewusstsein spricht und versteht. Daher absorbiert es in der tiefen Entspannung sämtliche Bilder wie ein Schwamm, um deren Inhalt so bald wie möglich zu manifestieren.

Wenn wir Glücklichsein ständig in die Zukunft verschieben, entsteht leicht ein Teufelskreis, im Zuge dessen die Anspannung steigt und das Selbstwertgefühl sinkt. Eine solche unglückliche Dynamik kann man daran erkennen, dass man versucht, sich selbst mit permanenter Anstrengung aufzuwerten, weil starke Selbstzweifel an der Persönlichkeit nagen. Die verbreitete Shoppingsucht ist ein Symptom dieser Selbstzweifel innerhalb unserer Leistungsgesellschaft. Das ersehnte Glücksgefühl und der heitere innere Frieden, an die sich jeder von uns noch vage aus frühen Kindheitstagen erinnert, stellt sich aber, wenn überhaupt, nur flüchtig ein. Dann beginnt die Suche von Neuem. Die Ergebnisse daraus können aber nicht dauerhaft „sättigen“, weil sie an der Ursache vorbeigehen.

Echte und langfristige Befriedigung finden wir hingegen, wenn wir uns mit unserem innersten Naturell verbinden – der Glücksoase tief im eigenen Herzen. Wie viel Glückpotential dort verborgen ist, merken wir etwa, wenn wir verliebt sind. Wir können orten, dass dieses Glücksgefühl dem eigenen Herzen entspringt und nicht dem Partner, denn sonst wären ja alle Menschen in denjenigen verliebt. Das Gute daran ist, dass unser Herz diese Glücksstimmung latent besitzt, nicht nur unter besonderen Umständen – diese aktivieren das Glückspotential lediglich.

Wir tun gut daran, wenn wir dafür sorgen, dass sich gar nicht erst Frust, Stress und negative Emotionen ansammeln und das Glückspotential überlagern.

(aus „Meditation mit inneren Bildern“ von Gabriele Rossbach, erschienen im Gräfe und Unzer Verlag 2017)


20 Lektionen für ein Leben im Jetzt

Er zählt zu den bedeutendsten spirituellen Lehrern der Gegenwart. Seine Seminare sind von einer solchen Intensität. Eckhart Tolle selbst von einer derartigen Präsenz, dass die Zuhörer spüren: Ein anderes, ein bewussteres Leben ist möglich. Hier sind seine Lektionen für ein bewusstes Selbst, für unser Leben im Jetzt.

Es war Anfang der 60er-Jahre. Der Dalai Lama war vor Kurzem aus Tibet nach Indien geflohen und gab zum ersten Mal Besuchern aus dem Westen eine Audienz. Einer von ihnen klagte, er leide an einem Mangel an Selbstwertgefühl. „Worunter leidest du?“, fragte der Dalai Lama nach. Der Besucher versuchte es zu erklären, doch der Dalai Lama konnte ihm nicht folgen. Schließlich ging er von einem zum anderen in der Gruppe und fragte, ob auch sie dieses Gefühl kannten. Fast jeder sagte Ja. Der Dalai Lama staunte. Ihm war es völlig fremd, wie sich jemand minderwertig fühlen konnte. Keine andere Lebensform auf diesem Planeten kennt Negativität, nur der Mensch. Hast du jemals eine unglückliche Blume oder eine gestresste Eiche gesehen? Ist dir jemals ein depressiver Delfin begegnet, ein Frosch, der Selbstwertprobleme hat, eine Katze, die sich nicht entspannen kann, ein Vogel, der Hass und Groll mit sich herumträgt?
Kein Tier, und sei es auch noch so klein, hat Probleme mit dem Selbstwertgefühl. Warum also ausgerechnet wir Menschen? Weil wir bewusst, sind. Wir identifizieren uns nicht mit unserem Sein, sondern mit unseren Gedanken und Gefühlen. Ungefähr im Alter von drei Jahren beginnen wir damit, aus dem, was wir denken, tun und fühlen, ein Bild von uns selbst zu konstruieren. Wir erschaffen unser Ego. Für ein Kind ist das ein ganz normaler Entwicklungsprozess. Doch leider identifizieren wir uns im Laufe der Jahre immer stärker mit diesem Ego – und als Erwachsene sind wir dann endgültig davon überzeugt, dieses Ego zu sein. Wir vergessen unser wahres Selbst. Und genau das ist unser Problem. Das Ego hält und davon ab, in der Gegenwart zu leben. Es ist ein reines Gedankenkonstrukt, das sich ständig mit der Vergangenheit und der Zukunft beschäftigt. Von der Gegenwart fühlt es sich auf dem Weg in eine viel bessere Zukunft gestört. Was es in Wahrheit wirklich schätzt, sind Konflikte und Dramen. Denn die halten dich so in Atem, dass du nie zur Ruhe kommst.
Ger nicht spürst, was real ist. Du musst ständig kämpfen, um dich zu behaupten. Oder dir irgendwelche Wünsche erfüllen, weil du dich dann für einen kurzen Moment lebendig und wertvoll fühlst. Doch wie gelingt es uns, uns aus diesen endlosen Gedankenschleifen zu befreien, uns von unserem Ego lösen? Tatsächlich gibt es einen Ausweg: die vollständige Annahme des Jetzt und die Konzentration auf den gegenwärtigen Augenblick. Im Anschluss findest du 20 Lektionen für dein bewusst Sein. Und hier noch ein möglicher Dialog, der dir auf deinem Weg helfen kann.

Akzeptiere das, was ist.
Das kann ich wirklich nicht. Es regt mich auf und macht mich wütend.
Dann akzeptiere das, was ist.
Ich soll akzeptieren, dass ich mich aufrege und wütend bin und dass ich das nicht akzeptieren kann?
Ja, akzeptiere, dass du nicht akzeptieren kannst. Begegne deinem Widerstand mit Widerstandslosigkeit. Und dann sieh, was geschieht.

1.     Widerstandslos sein
Ein buddhistischer Mönch sagte einst zu mir: „Alles, was ich in den zwanzig Jahren als Mönch gelernt habe, kann ich in einem Satz zusammenfassen: Was entsteht, vergeht auch wieder. Das weiß ich.“ Er meinte damit natürlich dieses: Ich habe gelernt, dem, was ist keinen Widerstand entgegenzusetzen; ich habe gelernt, den gegenwärtigen Moment zuzulassen und die vergängliche Natur aller Dinge und aller Umstände anzunehmen. Zeit aus unserem Bewusstsein zu streichen, bedeutet, unser Ego zu streichen. Das ist die einzige wahre spirituelle Praxis. Gemeint ist natürlich die Eliminierung der psychischen Zeit. Also das Ende der unaufhörlichen Beschäftigung unseres Egos mit Vergangenheit und Zukunft und das Ende seiner Unwilligkeit, durch die Ausrichtung auf das unvermeidliche So-Sein des gegenwärtigen Augenblicks eins mit dem Leben zu sein.

2.     Frieden finden
Unser vorrangiges Ziel besteht darin, dafür zu sorgen, dass Bewusstsein in alles einfließen kann, was wir tun. Dabei ist das, was wir durch unser Tun erreichen, zweitrangig. Während wir früher immer ein Ziel in der Zukunft verfolgt haben, gibt es jetzt ein höheres Ziel, das nur im Hier un Jetzt zu finden ist, durch die Aufhebung der Zeit. Unsere Lebensreise besteht immer nur aus dem einen Schritt, den wir in diesem Augenblick machen. Es gibt immer nur diesen einen Schritt, und auf den sollten wir unserer Aufmerksamkeit richten. Das bedeutet nicht, dass wir nicht wissen, wohin wir gehen. Es heißt lediglich, dass dieser eine Schritt vor allem anderen Vorrang hat, das Ziel jedoch nur zweitrangig ist. Und was wir am Ziel vorfinden, sobald wir dort angekommen sind, hängt von der Qualität dieses einen Schrittes ab. Mit anderen Worten: Was auch immer die Zukunft für uns bereithält, hängt von unserem jetzigen Bewusstseinszustand ab.

3.     Dein Ja zum Leben stoppt das Ego
Immer dann, wenn sich ein gewohnheitsmäßiges Nein zum Leben in ein Ja verwandelt und wir diesen Augenblick so zulassen, wie er ist, lösen wir damit sowohl die Zeit als auch das Ego auf. Damit unser Ego überleben kann, muss es dafür sorgen, dass Zeit – Vergangenheit und Zukunft – wichtiger ist als der gegenwärtige Augenblick. Zeit ist die horizontale Dimension des Lebens, die Oberflächenschicht der Wirklichkeit. Daneben gibt es aber noch die vertikale Dimension der Tiefe, die nur durch das Tor des gegenwärtigen Augenblicks zugänglich ist.

4.     So gelingt der Ausstiege aus Dramen
Wenn du die Gegenwart mit der Vergangenheit oder Zukunft überschattest, dann erschaffst du Zeit, psychologische Zeit – jene Substanz, aus der Drama besteht. Immer wenn du den gegenwärtigen Moment nicht dadurch achtest, dass du ihm zu sein erlaubst, erschaffst du Drama. Die meisten Menschen sind in ihr eigenes Lebensdrama verliebt. Ihre Geschichte ist ihre Identität. Das Ego bestimmt ihr Leben, Ihr gesamtes Selbstverständnis ist vom Ego abhängig. Selbst ihre – normalerweise erfolglose – Suche nach einer Antwort, nach einer Lösung, nach Heilung wird zu einem Teil davon. Nichts fürchten sie mehr, nichts wehren sie vehementer ab als das Ende ihres Dramas. Solange du deinem Verstand folgst, gibt es nichts, was du mehr fürchten, nichts, was du heftiger abwehren wirst als dein Erwachen.

5.     Dem Streit die Basis entziehen
Wenn du in völliger Akzeptanz dessen lebst, was ist, dann endet damit alles Drama in deinem Leben. Niemand kann sich mehr mit dir streiten, auch wenn er sich noch so sehr darum bemüht. Mit einer völlig bewussten Person kann man sich nicht streiten. Streit setzt voraus, dass du mit deinem Verstand und einer Haltung identifiziert bist und zugleich auf die Position des anderen reagierst und diese abwehrst. Als Resultat werden die gegenüberliegenden Polaritäten energetisch wirken. Indem wir bewusst sind, unterlaufen wir diesen Prozess.

6.     Leg Achtsamkeit in all dein Tun
Geschirr abwaschen, eine Unternehmensstrategie entwerfen, eine Reise planen – was ist wichtiger: die Tätigkeit oder das Ergebnis, das du mit dieser Tätigkeit erzielen willst? Dieser gegenwärtige Moment oder irgendein Augenblick in der Zukunft? Gehst du mit diesem Augenblick so um, als wäre er ein Hindernis, das zu überwinden musst? Hast du das Gefühl, dass ein zukünftiger Augenblick vor dir liegt, der wichtiger ist?
Fast jeder lebt die meiste Zeit über so. Da die Zukunft nie abbricht, außer in der Gegenwart, ist da eine ungesunde Art zu leben. Sie erzeugt ein dauerndes unterschwelliges Unbehagen, Spannungen und Unzufriedenheit. Sie würdigt das Leben nicht, das sich ausschließlich jetzt vollzieht, nicht vorher und nicht nachher, sondern jetzt.

7.     Lass deine Ansichten los
In Zen heißt es: „Suche nicht nach Wahrheit. Lass einfach deine Ansichten los.“ Was bedeutet das? Wir hören auf, uns mit unserem Denken zu identifizieren. Jenseits des Denkens kommt von ganz allein das zum Vorschein, was uns wirklich ausmacht, was wir wirklich sind. Wir können nicht gegen unser Ego kämpfen und gewinnen, ebenso wenig, wie wir gegen die Dunkelheit ankämpfen können. Erforderlich ist nur das Licht des Bewusstseins. Dann erkennen wir: Wir selbst sind das Licht!

8.     Stille stoppt das Gedankenkarussell
Was uns in unruhigen Zeiten helfen kann, ist die Konzentration auf die Stille. „Das äußere Geräusch entspricht dem inneren Geräusch des Denkens. Die äußere Stille entspricht der inneren Stille. Wann immer Stille um dich herum ist, höre sie. Das bedeutet, du bemerkst sie. Richte deine Aufmerksamkeit auf diese Stille. Die Wahrnehmung der äußeren Stille lässt die Still in dir erwachen, weil du nur durch Stille Schweigen wahrnehmen kannst. In dem Augenblick, in dem du die Stille um dich bemerkst, nimmst du wahr, ohne zu denken.

9.     Gewohnheiten können wir durchbrechen
Ganz ehrlich: Musst du wirklich jede Erfahrung und jede Sinneswahrnehmung mental etikettieren? Musst du wirklich eine von Reaktion beherrschte Beziehung der Hassliebe zum Leben haben, durch die du dich in einem fast ununterbrochenen Konflikt mit den Situationen und anderen Menschen befindest? Oder ist da nur eine tief verwurzelte mentale Gewohnheit, mit der zu brechen kannst? Nicht, indem du irgendwas tust, sondern indem zu zulässt, dass dieser Augenblick so ist, wie er ist. Nichts anderes ist erforderlich.

10.  Bleib offen bei Begegnungen
Wenn du das nächste Mal einem Unbekannten begegnest, dann lenke deine Aufmerksamkeit darauf, wie lange es dauert, bis du dir verschiedene Urteile über einen Menschen gebildet hast. Es ist erstaunlich, dass wir aus einem einzigen Moment so viel schließen, ohne auch nur ein Wort aus dem Mund des anderen gehört zu haben. Aber was ist, wenn du mit deiner Einschätzung dieses Menschen völlig falsch liegst? Was bedeutet das für dein oder sein Leben?

11.  Im Einklang mit dem Leben sein
Wenn du von einem schweren Verlust betroffen bist, wehrst du dich dagegen oder fu fügst dich. Manche Menschen werden dann bitter oder sind voller Groll, während andere Mitgefühl, Weisheit und Liebe entwickeln. Übe dich darin, egal, was geschieht, es innerlich anzunehmen. Dann bist du offen für das Leben. Du gibst dich ihm hin. Wenn du dich innerlich fügst, wenn du dich ergibst, eröffnet sich eine neue Bewusstseinsdimension. Sollte handeln angesagt oder nötig sein, geschieht dies im Einklang mit dem Ganzen und getragen von schöpferischer Intelligenz – von jedem unkonditionierten Bewusstsein, mit dem du im Zustand innerer Offenheit eins wirst, Dann sind die Umstände und Mitmenschen kooperativ und helfen dir weiter. Koinzidenzen ergeben sich. Wenn nichts getan werden kann, ruhst du in dem Frieden und der inneren Stille, die mit Akzeptanz und mit Hingabe einhergehen.

12.  Es ist immer Jetzt
Je aufmerksamer wir werden, desto deutlicher erkennen wir die Bemühungen des Egos: Zweifel an dem, was wir tun, tauchen auf oder – scheinbar aus dem Nichts – Probleme, die unbedingt gelöst werden müssen. Dabei ist es theoretisch so leicht, sich im JETZT aufzuhalten: hinsetzen, die Augen schließen, den Atem fließen lassen und sich einfach nur auf die Gegenwart konzentrieren.
Theoretisch. In der Praxis tauchen ständig Gedanken auf, die uns ablenken. Das Ego kämpft. Und doch ist zwischendurch spürbar: die Kraft der Gegenwart. Die Erlösung – die Loslösung aus dem Hamsterrad. Immer dann, wenn der Verstand schweigt, der Geist zur Ruhe kommt. Wir einfach nur sind. Gegenwärtig. Diese Momente sind so kostbar, so intensiv, do friedlich, dass sie uns motivieren, weiterzumachen und die Widerstände des Egos zu ignorieren.

13.  Du kannst dich ändern. Jederzeit
Eins zu sein mit dem, was ist, bedeutet nicht, dass du dich nicht mehr erändern kannst. Aber die Motivation, etwas zu unternehmen, entspringt nicht mehr dem Ego-Verlangen oder der Ego-Furcht, sondern komm aus größerer Tiefe. Die innere Ausrichtung auf den gegenwärtigen Augenblick erweitert dein Bewusstsein und bringt es mit dem Ganzen in Einklang, von dem der gegenwärtige Augenblick integraler Bestandteil ist. Dann wirkt das Ganze, die Totalität des Lebens, durch dich.

14.  Sei geduldig mit dir selbst
Geduld ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn es uns gelingt, uns auf das JETZT zu besinnen, sind wir auf dem richtigen Weg. Statt nachts darüber zu grübeln, welche Aufgaben wir am nächsten Tag erledigen müssen, können wir uns einfach bewusst machen, dass wir bequem im warmen Bett liegen, die Decke und das Kissen spüren und uns auf das Atmen konzentrieren. Im JETZT haben wir keine Probleme. Und indem wir zur Ruhe kommen, gelingt es uns leichter zu schlafen.

15.  Alles ist verbunden
Buddhisten haben schon immer gewusst, dass alles wechselseitig verbunden ist. Auch die Physik bestätigt: Nichts, was geschieht, ist ein isoliert stattfindendes Ereignis; es scheint nur so. Die Ganzheit des Lebens wird jedoch durch unser Denken fragmentiert. Dabei hat das Leben in seiner Totalität das Ereignis hervorgebracht. Es ist Teil der Gesamtvernetzung, des Kosmos. Und das bedeutet: Das, was es ist, könnte gar nicht anders sein. In den meisten Fällen können wir auch nicht annähernd begreifen, welche Rolle ein scheinbar sinnloses Ereignis innerhalb der Totalität des Kosmos haben könnte, aber die Erkenntnis seiner Unvermeidlichkeit in der Unermesslichkeit des Ganzen kann ein erster Anfang sein, innerlich das, was ist, zu akzeptieren und sich so wieder in die Ganzheit des Lebens einzufügen.

16.  Das Leiden durch Annahme beenden
Es ist wahre Freiheit und damit die Aufhebung des Leidens, wenn du so lebst, als hättest du das, was du in diesem Augenblick fühlst und erlebst, vollkommen selbst gewählt. Diese innere Übereinstimmung mit dem Jetzt beendet das Leiden.

17.  In Notfällen sind wir gegenwärtig
Ein flüchtiges Gefühl von Liebe und Freude oder kurze Momente tiefen Friedens sind möglich, wann immer eine Unterbrechung im Gedankenstrom entsteht. Für die meisten Menschen geschehen diese Unterbrechungen selten und nur zufällig in Momenten, in denen der Verstand „Sprachlos“ ist, manchmal hervorgerufen durch immense Schönheit, außerordentliche körperliche Anstrengung oder sogar durch große Gefahr. Wenn du dich jemals in einer Notsituation auf Leben und Tod befunden hast, wirst du wissen, dass es da kein Problem gab. Der Verstand hatte keine Zeit, mit der Situation herumzuspielen und ein Problem daraus zu machen. In der wirklichen Notlage hält der Verstand an; du wirst vollkommen gegenwärtig im Jetzt, und eine unendlich viel größere Kraft übernimmt die Führung. Deshalb gibt es so viele Berichte von ganz normalen Leuten, die plötzlich unglaublich mutig handeln konnten.

18.  Deine Seele ist unsterblich
Wir erleben uns derzeit als Welle und sehen vor lauter anderen Wellen überhaupt kein Meer. Wir kämpfen ums Überleben und haben Angst, denn die Gefahr, dass die Welle vergeht, ist real. In jedem Moment entstehen und vergehen Trillionen von Wellen auf dem Meer. Sie sind Form an der Oberfläche und im Grunde nichts anderes als das eine Meer. Doch sobald eine Welle tief in sich geht, erkennt sie dass sie unzerstörbar ist, eins mit dem unermesslichen Meer.

19.  Im Jetzt ist alles einfach
Die innere Ausrichtung auf den gegenwärtigen Augenblick erweitert dein Bewusstsein und bring es mit dem Ganzen in Einklang, von dem der gegenwärtige Augenblick ein integraler Bestandteil ist. Dann wirkt das Ganze, die Totalität des Lebens, durch dich. Un in dir herrscht Frieden. Es scheint fast paradox, aber sobald deine innere Abhängigkeit von der Form verschwunden ist, werden sich deine allgemeinen Lebensumstände und äußeren Gegebenheiten wahrscheinlich stark verbessern. Dinge, Menschen oder Umstände, die du für dein Glück zu brauchen glaubtest, kommen jetzt ohne deine Mitwirkung, ohne Mühe auf dich zu, und du kannst dich an ihnen erfreuen und sie würdigen – solange sie da sind. Denn all diese Dinge werden natürlich auch weiterhin wieder verschwinden. Zyklen werden kommen und gehen, aber mit dem Verschwinden der Abhängigkeiten verschwindet auch die Angst vor dem Verlust. Es gibt keinen Grund, darüber unglücklich zu sein.

20.  Erkenne, wie du dir selbst Leid zufügst
Nimm irgendeine Lebenssituation. Wie würdest du dich fühlen, wenn du sie voll und ganz so akzeptiertest, wie sie ist – jetzt in diesem Moment? Du kannst lernen, dass Ungeduld, Gereiztheit, Wut, Grollen und Klagen stets Formen von Leid sind. Erkenne sie, während sie da sind, und sage dir: In diesem Moment verursache ich mir Leid. Verstehe, wenn du gewohnheitsmäßig dir selbst Leid zufügst, verursachst du möglicherweise auch anderen Leid. Die unbewussten mentalen Muster hören meist dadurch auf, dass sie bewusst gemacht und wahrgenommen werden, während sie ablaufen. Du kannst nicht bewusst sein und dir zugleich selbst Leid zufügen.

(Eckhart Tolle im Gespräch mit Christiane Schönemann - aus „Happinez“ – Bauer Premium KG)


Selbstfürsorge

Die meisten Menschen haben nie gelernt, liebevoll und unverbrüchlich zu sich selbst zu halten, für sich einzustehen und auf sich aufzupassen. Viele Menschen wissen nicht mal, dass sie das dürfen und auch müssen, wenn sie gesund bleiben wollen.
In der Selbstfürsorge achten wir darauf, was wir uns geben, was wir brauchen. Aber woher wissen wir, was das ist? Indem wir uns achtsam zuhören. Uns glauben. Und uns ernst nehmen.
In der Selbstfürsorge haben wir die anderen durchaus im Blick. Doch nicht an erster Stelle und schon gar nicht ausschließlich. Denn für andere können wir nur da sein, wenn wir selbst gut versorgt und genährt sind. Wenn ich Geld für eine gute Sache spenden will, mich es übrig haben. Nachdem ich meine Miete, den Strom, die Steuer, meine Nahrung und das Katzenfutter bezahlt habe. Die neuen Schuhe kann ich mir verkneifen, damit ich etwas zum Spenden habe. Aber nicht die gesunde Nahrung für mich und die, die ich versorge. Denn wenn ich selbst bedürftig werde, dann kann ich bald nichts mehr für andere tun.
Es fühlt sich nur deshalb so kompliziert an, gut für uns selbst zu sorgen, weil wir immer versuchen, es anderen recht zu machen statt uns. Und weil wir nie gelernt haben, unsere eigenen Bedürfnisse als das zu erkennen, was sie sind: eindeutige Hinweise unseres Körpers und unserer Psyche, die uns zeigen, was wir tun müssen, um gesund zu bleiben.
Leider sitzen wir oft genug dem Irrtum auf, unsere Bedürfnisse stünden zur Verhandlung seien lediglich Vorschläge, die unser Inneres uns unterbreitet. Wir glauben, wir hätten, die Wahl, ob wir sie erfüllen oder nicht. Nun die Wahl haben wir tatsächlich. Doch die Konsequenzen tragen wir auch, wenn wir uns nicht geben, was wir brauchen. Dann fühlen wir uns von uns selbst im Stich gelassen, und das stimmt ja auch.
Und wir können es uns nicht oft genug bewusst machen, deshalb schreibe ich immer wieder: Wenn wir uns nicht in selbst sicher und gut aufgehoben fühlen, dann suchen wir diese Sicherheit im Außen. Wir verbiegen uns, damit wir sie bekommen. Das funktioniert natürlich nicht auf Dauer. Das spüren wir, verbiegen uns noch mehr und machen alles immer schlimmer.

 

GESUNDE ENTSCHEIDUNGEN

Schlafe, wenn du Müde bist.

Nimm gesunde Nahrung zu dir, wenn du Hunger hast.

Trinke genug Wasser

Bewege dich genügend. Am besten in der Natur.

Beende ungesunde Beziehungen und führe Beziehungen, die dir guttun.

Sorge dafür, dass du eine Arbeit hast, die die erfüllt.

Lebe in einer Umgebung, die dich inspiriert und dir Geborgenheit schenkt.

Entferne alles aus deinem Leben, das dir Kraft raubt. Dinge, Beziehungen, Gewohnheiten.

Finde heraus, wofür du wirklich brennst, und tu das. Egal, ob du damit Geld verdienst oder nicht, ob es deiner Familie gefällt oder nicht. Und egal, wie alt du bist.

Lebe mit Tieren, wenn es dich erfüllt.

(aus „Jede Wunde lässt sich heilen“ von Susanne Hühn – Gräfe und Unzer Verlag GmbH)


Zehn Gebote der Gelassenheit

1.  Nur für heute werde ich mich bemühen, den Tag zu erleben, ohne alle Probleme meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.

2. Nur für heute werde ich mich mit größter Sorgfalt um mein Auftreten kümmern: vornehm in meinem Verhalten; ich werde niemanden kritisieren; ja ich werde nicht danach streben, die anderen zu korrigieren oder zu verbessern, höchstens mich selbst.

3. Nur für heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin, nicht nur für die andere, auch für diese Welt.

4. Nur für heute werde ich mich den Umständen anpassen, ohne zu verlangen, dass die Umstände sich meinen Wünschen anpassen.

5.  Nur für heute will ich eine halbe Stunde meiner Zeit meiner körperlichen oder seelischen Gesundheit widmen, der Entspannung, einer guten Lektüre oder körperlicher Betätigung.

6. Nur für heute werde ich eine gute Tat vollbringen, und ich werde es niemanden sagen.

7. Nur für heute werde ich eine Sache erledigen, zu der ich keine Lust habe.

8. Nur für heute werde ich mir ein Programm aufstellen. Vielleicht halte ich mich daran, aber ich werde mich vor zwei Übeln hüten: der Hetze und der Unentschlossenheit.

9. Nur für heute werde ich fest glauben – selbst wenn die Umstände dem widersprechen sollten -, dass eine gütige höhere Macht sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt.

10. Nur für heute werde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben, mich an allem zu freuen was schön ist, und an die Güte zu glauben.

(Unbekante/r Verfasser/in) 

„In jedem von uns steckt ein Held; sprich zu ihm, und er wird zum Vorschein kommen.“

(Unbekannter Verfasser)


Die Stimme des Ansagers auf dem Video zittert vor Aufregung: „Meine Damen und Herren, Sie sehen nun eine Spitzenleistung, die David Seale zum ersten Mal in seinem Leben vollbringt, ein Meisterstück, das totale Konzentration, Wagemut und Koordinationsvermögen erfordert. Was sie jetzt gleich beobachten werden, hat David nicht von einem Tag auf den anderen geschafft. Es erforderte monatelange Vorbereitung. Und hier kommt er auch schon!“

Eine Gestalt erscheint auf dem Bildschirm. David macht einen entspannten, zuversichtlichen Eindruck. Er wird gleich eine Reihe komplexer Bewegungen vollführen, die einen guten Gleichgewichtssinn erfordern. Ein paar Sekunden lang steht er zögernd am Startpunkt, dann beginnt er sich zu bewegen, den Blick nach vorne gerichtet und hundertprozentig auf die Aufgabe konzentriert, die vor ihm liegt, aber dennoch ganz entspannt.
Plötzlich geht ein Zittern durch seinen Körper. Er strauchelt und wäre beinahe gestürzt! Doch rasch fängt David sich wieder. Ohne auch nur eine Sekunde seiner kostbaren Zeit mit Gefühlen wie Zorn oder Angst zu verschwenden, rappelt er sich wieder auf und bewegt sich weiter auf sein Ziel zu. Sein Gesichtseindruck ist konzentriert und doch ruhig und gelassen.
Als David sich dem Ziel nähert, gerät er noch einmal ins Schwanken, doch auch diesmal erlangt er das Gleichgewicht wieder. Mit strahlendem Gesicht streckt er die Arme aus. Noch ein letzter Spannender Augenblick, in dem alle Zuschauer die Luft anhalten; dann atmen sie erleichtert auf und applaudieren begeistert, als der zehn Monate alte Meisterathlet David Seale sich in die ausgestreckten Arme seiner Mutter fallen lässt. David hatte zum ersten Mal in seinem Leben ganz allein den Wohnzimmerteppich überquert und sein Vater hat dieses denkwürdige Ereignis auf Video festgehalten.

In unserer Kindheit haben wir alle Körper, Geist und Seele beherrscht, frei von Ängsten und Sorgen und ganz auf den jetzigen Augenblick konzentriert. Unser Körper war entspannt, sensibel und elastisch und bewegte sich in harmonischem Einklang mit den Gesetzen der Schwerkraft, und wir ließen unseren Emotionen spontan und ohne Hemmungen freien Lauf. Noch heute steckt in jedem von uns ein Meisterathlet, der nur darauf wartet, geboren zu werden.

Wenn wir am Anfang unseres Lebens stehen, verfügen wir über nahezu unbegrenzte Möglichkeiten. Doch die meisten von uns verlieren den Kontakt zu den Begabungen ihrer Kindheit. Wir belasten uns mit Ansichten und Vorstellungen, die uns einengen, beginnen unsere Gefühle zu verleugnen, und unser Körper verspannt sich.

(„Die Kraft des friedvollen Kriegers“ – Dan Millman, Ulllstein Taschenbuchverlag)


Als ich die letzten Zeilen gelesen habe, kam mir sofort der Yoga in den Sinn.

In unserer Kindheit haben wir alle Körper, Geist und Seele beherrscht, frei von Ängsten und Sorgen und ganz auf den jetzigen Augenblick konzentriert. Unser Körper war entspannt, sensibel und elastisch und bewegte sich in harmonischem Einklang mit den Gesetzen der Schwerkraft, und wir ließen unseren Emotionen spontan und ohne Hemmungen freien Lauf.

Das ist für mich eine ziemlich gute Beschreibung, was wir im Yoga finden können, wenn nicht sogar eine der besten, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Wir lassen wohl unseren Emotionen nicht unbedingt mehr freien Lauf, aber seine Emotionen wieder richtig zu spüren und einordnen zu können, ist auch ein wichtiger Aspekt, der sich entwickeln kann.



„Wichtige Dinge verschwinden nicht. Sie schlummern scheinbar in der Tiefe. Doch wenn ihre Zeit gekommen ist, erwachen sie und erscheinen wie neu.“ 

(Susanne Fischer Rizzi)

Die Kunst des Rückzugs

Ein Krieger des Lichts, der zu sehr seiner Intelligenz vertraut, unterschätzt am Ende die Kraft seines Gegners.
Man darf nie vergessen: Es gibt Augenblicke, da ist die Kraft wirkungsvoller als der Scharfsinn. Und wenn wir uns einer bestimmten Form von Gewalt gegenübersehen, wird kein Geistesblitz, kein Argument, wird weder Scharfsinn noch Charme die Tragödie verhindern können.
Daher unterschätzt der Krieger nie die rohe Gewalt: Wenn sie irrational und aggressiv ist, zieht er sich vom Schlachtfeld zurück, bis der Gegner seine Kraft verbraucht hat.
Allerdings sollte eines klar sein: Ein Krieger des Lichts ist niemals feige. Die Flucht kann ein geschickter Verteidigungszug sein, aber sie darf nie angetreten werden, wenn die Angst groß ist.
Im Zweifelsfalle nimmt der Krieger lieber die Niederlage in Kauf und pflegt seine Wunden, denn er weiß, dass er dem Angreifern durch seine Flucht größere Überlegenheit zugesteht, als dieser verdient.
Physische Wunden lassen sich behandeln, doch spirituelle Schwächen verfolgen einen ewig. In schwierigen und schmerzlichen Augenblicken stellt sich der Krieger der ungünstigen Situation entschlossen, heldenhaft und mutig. Um den rechten Geisteszustand zu erreichen (denn der Krieger des Lichts zieht in einen Kampf, in dem er die schlechteren Karten hat und möglicherweise leiden wird), muss er genau wissen, was ihm schaden kann.

Okakura Kasuko schreibt darüber in seinem Buch über die Teezeremonie:

„Wir schauen auf die Bosheit der anderen, weil wir die Bosheit durch unser eigenes Verhalten kennen. Wir verzeihen denen niemals, die uns verletzt haben, weil wir glauben, dass sei uns auch nie verzeihen werden. Wir sagen dem anderen die schmerzliche Wahrheit ins Gesicht, die wir selbst nicht wahrhaben wollen. Wir zeigen unsere Kraft, damit niemand unsere Zerbrechlichkeit sieht.
Daher sei dir immer bewußt, wenn du über deinen Bruder richtest, dass du es bist, der vor Gericht steht.“

Manchmal kann dieses Bewusstsein einen Kampf verhindern, der nur Nachteile bringen würde. Manchmal hingegen gibt es keinen Ausweg, sondern nur den Kampf mit ungleichen Chancen.
Wir wissen, dass wir verlieren werden, der Feind oder die Gewalt lassen uns keine andere Wahl, denn Feigheit kommt für uns nicht in Frage. Dann müssen wir das Schicksal annehmen. Dazu kommen mir jetzt Zeilen aus der großartigen Bhagavadgita (Kapitel II, 20-16) in den Sinn:

„Der Mensch wird nicht geboren, und er stirbt nie. Er ist auf dieser Welt, um zu leben, er hört nie auf zu leben, denn er ist ewig und unvergänglich.
So wie der Mensch die alten Kleider ablegt und neue anlegt, so legt die Seele den alten Körper ab und erhält einen neuen.
Die Seele selbst aber ist unzerstörbar. Schwerter können sie nicht schneiden, Feuer sie nicht verbrennen, Wasser sie nicht nass machen, der Wind sie nicht austrocknen. Sie steht außerhalb der Macht all dieser Dinge.
Da der Mensch unzerstörbar ist, ist er (auch in seinen Niederlagen) immer siegreich, und daher sollte er nie klagen.“

(Paulo Coelho)


Vorsicht vor negativen Bildern

Liefern wir dem Unterbewusstsein symbolkräftige Bilder, dann kann es gar nicht anders, als zu verwirklichen, was wir ihm zeigen, denn wir benutzen damit seine Sprache. Es ist immer wieder faszinierend, zu beobachten, wie das Unterbewusstsein die Macht besitzt, alles Realisierbare, was wir ihm wiederholt bildhaft zeigen, zu manifestieren. Seien wir als vorsichtig, dem Unterbewusstsein negative Bilder über uns selbst oder angstvolle Zukunftsvisionen zu übermitteln. Es unterscheidet nämlich nicht zwischen dem, was wir uns wünschen, und dem, was wir fürchten.

Wenn wir ihm Bilder oder auch nur die Beurteilung eines visuellen Eindrucks geben, nimmt es das als reale Information.

Doch es kommt es auch auf den Kontext an. Während ein großer, mächtiger Baum ein unzweideutiges Symbol für Stabilität und langsames, aber stetiges Wachstum ist, gibt es viele Bilder, mit denen verschiedene Menschen Unterschiedliches verbinden. Dem können beispielsweise Erfahrungen oder Glaubenssätze zugrunde liegen. Aus einem ursprünglich neutralen Bild kann so ein negatives werden.

Falls sie also in der neuen weißen Jeans vor dem Spiegel stehen und denken: „Meine Güte, hab ich einen fetten Po!“, wird das Unterbewusstsein als Information aufnahmen, dass Sie dick und hässlich sind, verbunden mit dem mitgelieferten Gefühl des Missfallens. Mit diesem im Hintergrund abgespeicherten >>Wissen<<, scheinbar unattraktiv und nicht liebenswert zu sein, wird die Laune erheblich sinken, oder?

Sie können dem Unterbewusstsein aber ebenso gut eine positive Beurteilung des visuellen Eindrucks geben: „Klasse, in der weißen Jeans sehe ich sehr feminin aus.“ Das Unterbewusstsein merkt sich, dass Sie schön und liebenswert sind. Damit mögen Sie sich und sind selbstbewusst und fröhlich. Da wir weibliche Wesen selten an einem Mangel an Selbstkritik leiden, lassen wir uns ohnehin noch genügend „Korrekturmaßnahmen“ einfallen …

Sobald wir die Sprache des Unterbewusstseins kennen und anwenden, erschließen wir uns kreative Fähigkeiten, ein wunderbares Selbstwertgefühl und ursprüngliche Lebensfreude, die vielleicht schon viel zu lange verschüttet sind. Die Bilder, mit denen wir das erreichen, wirken heilsam und harmonisierend auf Psyche, Lebensgefühl und Gesundheit.

(aus „Meditation mit inneren Bildern“ von Gabriele Rossbach, erschienen im Gräfe und Unzer Verlag 2017)


Was kann mir Yoga geben?

In einer Zeit, in der man nicht mehr genau weiß, was man glauben soll? Nicht mehr genau weiß, ob unsere Gesellschaft den richtigen Weg geht. Wenn Menschen mit verfassungskritischen Gedankengut nach Grundrechten in unserem Parlament rufen, fühle auch ich mich manchmal nicht wirklich wohl und mich beschleichen Zukunftsängste.

Aber was kann ich für mich persönlich tun, damit es mir gut geht?

Ein geflügeltes Wort ist Resilienz. Resilienz - psychische Widerstandskraft, die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Wie stärke ich mich gegen die vielen verwirrenden und verunsichernden und verängstigenden Nachrichten? Im Grunde lebt jeder in seiner eigenen Welt und selektiert die Informationen, die man wahrnehmen will. Somit erlebt und lebt jeder seine ganz persönliche Wirklichkeit. Und aus dieser Erkenntnis sollte einem bewusst sein, dass ich auch immer die Wahl habe und entscheiden kann, wie ich auf Einflüsse, Informationen und Nachrichten reagieren möchte.

Natürlich gibt es auch immer Momente, in denen man unaufmerksam ist und einem die Kontrolle entgleitet. Dann steigen unkontrolliert Angst, Wut oder Ärger auf und übernehmen das Zepter.

Aber wie kann ich mich wappnen, welches Rüstzeug hilft mir, damit ich möglichst gut für mich sorge, ich ausgeglichen und entspannt bin. Wenn ich diesen Zustand erreiche, kann ich auch auf schwierige Situation angemessen und ruhig reagieren. Immer wenn ich im Inneren stabil und gelassen bin, ist es leicht, gesund und entspannt zu Leben. Nun stellt sich die Frage, wie kann ich mich möglichst gut rüsten, um den Stürmen des Lebens stand zu halten. Es gibt eine Vielzahl an Seminaren, Werkzeugen und Tipps, Resilienz zu stärken.

Es gibt aber auch eine einfache Möglichkeit, hier kann dich Yoga unterstützen und stärken. Hier hast du die Möglichkeit, deinen ganz persönlichen Raum zu erweitern und dich zu stärken. Der Yoga bedeutet ja nicht nur Körperübungen, sondern ist ein Lebensweg, eine innere Einstellung zu dir selbst und zu deiner Umwelt. Abgesehen von einer friedvollen und gesunden Lebenseinstellung hilft er dir, ein entspanntes Leben zu führen.

Durch regelmäßige Yogapraxis findest du Ruhe und Gelassenheit im Inneren und dies wirkt auch nach außen. Du entwickelst Lebensfreude, innere Stärke, dein Körper wird straff und kräftigt sich, während dein Geist ruhig und ausgeglichen wird. Du weißt, dass du aus deiner eigenen Stärke dein Leben selbst in die Hand nehmen kannst. Du gehörst nicht zu den Menschen, die bei Problemen und Hindernissen in eine ängstliche Starre verfallen und zu nichts mehr in der Lage sind. Vielleicht auch nur noch schimpfen, die negativen Informationen aufsaugen und anderen die Schuld für alles geben. Nein, du behältst die Übersicht, machst dir deine eigenen klaren Gedanken, ziehst logische Schlüsse und lässt dich nicht blenden durch versuche der Manipulation.

Du wirst selbst zum Gestalter deines Lebens, Hindernisse und Probleme lassen dich erst richtig kreativ werden und du bist der Steuermann deines Lebens. Du weißt um deine Stärken, deinem Wert und du brauchst dich vor nichts zu ängstigen. Du weißt, dass alles kommt und auch wieder geht, nur wie du diese Zeit erfährst und erlebst, kannst nur du selbst entscheiden. Du lässt dich nicht leben, du lebst Dein Leben.

Meist unterschätzen Yoga Übende die Kraft, die sich in der Persönlichkeit entwickelt. Nicht selten verändern sich beim Yoga praktizierenden Menschen auch das private Umfeld. Es entsteht Mut und du packst Veränderungen an, von denen du schon immer im Innersten gespürt hast, dass sie genau richtig für dich sind. Auch wenn es durch eine Zeit der Anstrengung und des Umbruchs geht, wird es am Ende deine Zeit.  Aber wie alles im Leben braucht auch das seine Zeit. Du solltest dir auch die nötige Zeit geben.

Es ist wichtig seine Grenzen zu erspüren, aber sie auch liebevoll achten. Im Laufe deiner Praxis werden sich diese Grenzen in allen Belangen des Lebens verändern. Wenn du dich darauf ein lässt, dann wird es eine spannende Zeit, in der du dich verändern darfst. Zu dir finden kannst und deine wahre Natur erkennen kannst.

Ich lade dich gerne ein, es auszuprobieren und selbst zu spüren, ob Yoga etwas für dich ist. Allerdings solltest du schon ein paar Mal Üben, um dir ein realistisches Bild machen zu können. Probiere es einfach aus, lass dich drauf ein und genieße es ohne Erwartungen.

Ich dachte früher auch, dass Yoga nichts für mich ist, bis ich mich darauf eingelassen habe und es ausprobiert habe. Nachdem ich die wunderbare Wirkung am eigenen Körper und Geist erfahren konnte, war ich so fasziniert, dass ich mehr lernen wollte und mich für eine Yogaausbildung entschieden habe.

Ich war lange auf der Suche nach dem passenden Yoga, habe viele Yogastiele und Yogaschulen ausprobiert. Einige Yogalehrer kennen gelernt, bis ich fast zufällig zum Spiraldynamik Yoga kam. Die Asanas waren mir bekannt und vertraut, sie unterschieden sich nur in kleinen Nuancen, aber die Wirkung, die ich danach spüren durfte, war unbeschreiblich. So hatte ich genau mein Yoga gefunden.  Nun praktiziere ich für mich und mit meinen Schülern schon ein paar Jahre und es ist immer wieder ein großartiges Gefühl, gemeinsam zu praktizieren und diese positive Energie zu spüren, die sich durch die gemeinsame Praxis entwickelt. Yoga hat mir wieder mehr Gelassenheit und Entspannung geschenkt und mich zu meinem inneren Wesenskern geführt. Ich fühle mich stark, belastbar und kraftvoll in allen Bereichen des Lebens. Was nicht heißt, dass nicht auch ich graue Tage erlebe. Aber ich sehe sie als notwendig, um die blauen wirklich zu genießen und zu schätzen.


Ein bewusster Atemzug

Der beste Maßstab für deinen Gard an Bewusstheit ist, wie du mit den Herausforderungen des Lebens umgehst, wenn sie auf dich zukommen. Jemand, der schon unbewusst ist, neigt dann dazu, noch unbewusster zu werden. Herausforderungen können unseren Lebensfluss unterbrechen.  Was du vielleicht als unangenehme Unordnung, als Chaos empfindest, kann eine große Chance sein, um deine wahre Natur zu erkennen. Zuerst geht es darum, dir klar darüber zu werden, dass es in der Natur der Dinge liegt, mit dem Chaos des Universums konfrontiert zu werden - ganz gleich, was du in deinem Leben tust. Wenn du das erkennst und annimmst, machst du dich frei von der Illusion der Passivität deiner Existenz. Du kommst in einen Zustand der Gelassenheit und des Vertrauens. Dein Gegenwartsbewusstsein wächst und beleuchtet, was jenseits deiner Ego-Persönlichkeit oder deines physischen Körpers liegt. Je mehr du dein Gegenwartsbewusstsein wächst und beleuchtet, was jenseits deiner Ego-Persönlichkeit oder deines physischen Körpers liegt. Je mehr du dein Gegenwartsbewusstsein kultivierst, desto besser bist du auf diese Unordnungen im Leben, auf das Chaos des Universums vorbereitet.

Manche Menschen verlieren durch einen plötzlichen Vorfall scheinbar alles, was sie haben. Durch einen schweren Unfall, durch eine Krankheit, aber auch durch einen Umweltkatastrophe oder durch politische Übergriffe werden sie mit schweren Verlusten konfrontiert. Dieser Schmerz erscheint uns zutiefst dramatisch und unnötig. Frage dich in solch einem Moment: Wer bin ich, wenn ich mich plötzlich mit nichts mehr identifizieren kann? Die Kontemplation dieser Frage kann für uns zu einem großen Tor in die Tiefe unserer Existenz und unseres Bewusstseins werden. Extreme Situationen können einen Prozess des Erwachens katalysieren. Viele Menschen schieben gerne die Schuld für ihr Unglück auf äußere Umstände. Doch du bist deinem Schmerzkörper und der Ego-Identität nicht ausgeliefert, sondern kannst dich selbst bewusst verändern und kannst wachsen. Du trägst eine Verantwortung für deine eigene Transformation. Die ideale Situation für deine spirituelle Praxis ist immer im Hier und Jetzt.

Nimm einen bewussten Atemzug. Der Atem eignet sich sehr gut, um die formlose Dimension in dir zu erkennen. Die Wurzel des deutschen Wortes Atem liegt im Wort „Atman“ aus dem Sanskrit. Atman bedeutet göttlich und steht für die Tiefendimension der Dinge. Durch eine einfache Atemübung kannst du dir der Tiefendimension bewusstwerden. Integriere diese Mini-Meditation möglichst häufig in deinen Alltag. Atme einfach bewusst ein und aus. Bleib dabei gegenwärtig. Achte auf die Empfindungen des Atems. Spüre, wie die Luft in deinen Körper einströmt und wieder ausströmt. Bewusstes Atmen bringt dein Denken zum Stillstand. Doch im Gegensatz zu jemand, der in Trance oder halb im Schlaf ist, bist du hellwach und voll da. Du sinkst nicht unter die Schwelle des Denkens, sondern erhebst dich über sie. Und wenn du genau hinschaust, entdeckst du, dass die zwei Dinge – ganz in den gegenwärtigen Augenblick zu kommen und gedankenleer zu werden, ohne das Bewusstsein zu verlieren – im Grunde ein dasselbe sind: das Heraufdämmern des Raumbewusstseins.

(Happinez Kolumne von Eckhart Tolle – Jahrgang 12, Nr. 4 – 2021, Heinrich Bauer Verlag KG)


Die Kunst des Rückzugs

Ein Krieger des Lichts, der zu sehr seiner Intelligenz vertraut, unterschätzt am Ende die Kraft seines Gegners.
Man darf nie vergessen: Es gibt Augenblicke, da ist die Kraft wirkungsvoller als der Scharfsinn. Und wenn wir uns einer bestimmten Form von Gewalt gegenübersehen, wird kein Geistesblitz, kein Argument, wird weder Scharfsinn noch Charme die Tragödie verhindern können.
Daher unterschätzt der Krieger nie die rohe Gewalt: Wenn sie irrational und aggressiv ist, zieht er sich vom Schlachtfeld zurück, bis der Gegner seine Kraft verbraucht hat.
Allerdings sollte eines klar sein: Ein Krieger des Lichts ist niemals feige. Die Flucht kann ein geschickter Verteidigungszug sein, aber sie darf nie angetreten werden, wenn die Angst groß ist.
Im Zweifelsfalle nimmt der Krieger lieber die Niederlage in Kauf und pflegt seine Wunden, denn er weiß, dass er dem Angreifern durch seine Flucht größere Überlegenheit zugesteht, als dieser verdient.
Physische Wunden lassen sich behandeln, doch spirituelle Schwächen verfolgen einen ewig. In schwierigen und schmerzlichen Augenblicken stellt sich der Krieger der ungünstigen Situation entschlossen, heldenhaft und mutig. Um den rechten Geisteszustand zu erreichen (denn der Krieger des Lichts zieht in einen Kampf, in dem er die schlechteren Karten hat und möglicherweise leiden wird), muss er genau wissen, was ihm schaden kann.

Okakura Kasuko schreibt darüber in seinem Buch über die Teezeremonie:

„Wir schauen auf die Bosheit der anderen, weil wir die Bosheit durch unser eigenes Verhalten kennen. Wir verzeihen denen niemals, die uns verletzt haben, weil wir glauben, dass sei uns auch nie verzeihen werden. Wir sagen dem anderen die schmerzliche Wahrheit ins Gesicht, die wir selbst nicht wahrhaben wollen. Wir zeigen unsere Kraft, damit niemand unsere Zerbrechlichkeit sieht.
Daher sei dir immer bewußt, wenn du über deinen Bruder richtest, dass du es bist, der vor Gericht steht.“

Manchmal kann dieses Bewusstsein einen Kampf verhindern, der nur Nachteile bringen würde. Manchmal hingegen gibt es keinen Ausweg, sondern nur den Kampf mit ungleichen Chancen.
Wir wissen, dass wir verlieren werden, der Feind oder die Gewalt lassen uns keine andere Wahl, denn Feigheit kommt für uns nicht in Frage. Dann müssen wir das Schicksal annehmen. Dazu kommen mir jetzt Zeilen aus der großartigen Bhagavadgita (Kapitel II, 20-16) in den Sinn:

„Der Mensch wird nicht geboren, und er stirbt nie. Er ist auf dieser Welt, um zu leben, er hört nie auf zu leben, denn er ist ewig und unvergänglich.
So wie der Mensch die alten Kleider ablegt und neue anlegt, so legt die Seele den alten Körper ab und erhält einen neuen.
Die Seele selbst aber ist unzerstörbar. Schwerter können sie nicht schneiden, Feuer sie nicht verbrennen, Wasser sie nicht nass machen, der Wind sie nicht austrocknen. Sie steht außerhalb der Macht all dieser Dinge.
Da der Mensch unzerstörbar ist, ist er (auch in seinen Niederlagen) immer siegreich, und daher sollte er nie klagen.“

(Paulo Coelho)


Erzähl uns vom Sinn der Stille

Ein einsamer Mönch, der gerade aus einem Brunnen Wasser schöpfte, bekam von einer Gruppe Menschen Besuch. Sie sagten zu ihm: "Erzähl uns vom Sinn der Stille."

Der Mönch antwortete: "Blickt in den Brunnen. Was könnt ihr sehen?"

Die Menschen blickten in den Brunnen, dessen Wasseroberfläche noch sehr bewegt war. Sie antworteten: "Wir sehen nichts."

Nach einer Weile, als sich das Wasser etwas beruhigt hatte, sagte der Mönch: "Blickt noch mal in den Brunnen. Was seht ihr jetzt?"

Die Menschen blickten in den Brunnen und antworteten: "Jetzt sehen wir uns."

Nach einer Weile, die Wasseroberfläche war jetzt ganz ruhig, sagte der Mönch: "Blickt noch einmal in den Brunnen. Was seht ihr jetzt?"

Die Menschen blickten hinein und antworteten: "Jetzt sehen wir den Grund." 

Da lächelte der Mönch und sagte: " Das ist der Sinn der Stille. Sie lässt uns den Grund aller Dinge sehen."

(aus Der Prophet, Patmos Verlag -  von Kahlil Gibran (1883 - 1931), Dichter, Philosoph und Künstler, wurde im Libanon geboren und emigrierte in jungen Jahren  in die USA, Boston. Sein Lebenswerk galt der Versöhnung der westlichen und arabischen Welt. Der Prophet, erschienen 1923 (dt. Erstausgabe 1925)und gilt als Hauptwerk, zugleich  wohl als sein bekanntestes Werk.)



Yoga und Sprialdynamik ®

In Yogakreisen kursieren immer wieder Artikel mit der Aussage, man solle endlich mit dem „Over Alignement“ der Asanas aufhören. Begründet wird dies u. a. damit, dass man durch viel Ausrichtung nur den technisch-körperlichen Aspekt des Yoga bedienen würde. Zudem sei ohnehin jeder Körper anders beschaffen und würde somit eine andere Ausrichtung benötigen. Nach meiner Erfahrung als Yogalehrerin und Dozentin der Spiraldynamik kann ich die Aussagen nicht bestätigen.

Zwar hat jeder Körper seine individuelle Anatomie, dennoch ist der Bauplan des Menschen so universell, dass auch die Ausrichtung des Körpers als universell verstanden werden kann. Die Spiraldynamik bietet ein dreidimensionales anatomisches Konzept der menschlichen Haltungs- und Bewegungskoordination, eine Gebrauchsanweisung für den eigenen Körper. Warum dies von Bedeutung ist, kann man im Fachbuch „Medical Yoga professional“ nachlesen: „Um schließlich in der Meditation die körperliche Hülle loslassen zu können, muss der Yogi zuvor von ihr Besitz ergriffen haben.“ Auch der spirituelle Lehrer Eckehart Tolle beschreibt den Zustand der Bündelung der Aufmerksamkeit im Körper als einen zustand höchster Kraft und Präsenz. Das Wissen darüber, wie der Körper funktioniert, die Ausrichtung der Wahrnehmung und somit des Geistes darauf, zu spüren, ob man den Körper wirklich bestimmungsgemäß gebraucht, bietet die Achtsamkeit, Verletzungsprophylaxe und Entwicklungspotential in einem. Was in der Therapie logisch erscheint, fühlt sich in der Praxis richtig an.

Viele Menschen beginnen mit einer regelmäßigen Yogapraxis, weil sie ihre körperlichen Beschwerden lindern möchte. Sehr häufig ist es der Rücken, der zwickt und zwackt und regelmäßig zu Einschränkungen der Lebensqualität führt. Knie- und Schulterprobleme betreffen ebenfalls einen hohen Anteil der Yoga-Einsteiger. Auch bei Yogaschülern mit langjähriger Praxis treten – meist durch zu viel Ehrgeiz und wiederholt falsche Ausrichtung in den Asanas – körperliche Einschränkungen bzw. Verletzungen auf. Yogalehrer fühlen sich einem hohen Druck ausgesetzt, den unterschiedlichen körperlichen Bedürfnissen ihrer Schüler gerecht zu werden uns ich sicher durch die Asana-Praxis zu leiten. Es gibt eine große Unsicherheit im Umgang mit den verschiedenen Beschwerdebildern.

Die Anatomie des Menschen hat eine klare, nachvollziehbare Systematik, dir durch die Spiraldynamik ® praktisch nutzbar gemacht wurde. Die Kenntnis darüber hilft Yogalehrern wie -schülern. Insbesondere Yogalehrer müssen sich nicht mehr mit verschiedenen Aussagen zur individuellen Ausrichtung der Asanas auseinandersetzen. Wenn man weiß, wie der Körper funktioniert, wenn man die Prinzipien der Spiraldynamik und somit den menschlichen Bauplan verstanden hat, kennt man die anatomisch korrekte Ausrichtung, die auch speziellen Bedürfnissen Rechnung trägt und zur bestmöglichen Ausschöpfung des eigenen Körperpotentials und zur Verfeinerung der Asana-Praxis führt.

Bewegungsintelligenz wieder neu erlernen

Doch warum kommt die körpergerechte Ausrichtung in den Asanas nicht von selbst zustande? Warum benötigen wir überhaupt Anleitung dazu? Dafür gibt es verschiedenen Gründe:

1.     In den verschiedenen Yogastilen bestehen sehr unterschiedliche Meinungen zur Ausrichtung in Köperhaltungen, die oft nicht aus tiefgreifendem anatomischem Wissen heraus entstanden sind, sondern weil unreflektiert veraltetes Wissen übernommen wurde. Der Umfang und die Qualität der Ausbildung auf diesem Gebiet bietet vielfach nur anatomisches Faktenwissen anstelle von funktionellen Zusammenhängen und er Übertragung dieser auf die Ausführung der Asanas.

2.     Wir haben Bewegung verlernt. Schon kleine Kinder bewegen sich zu wenig. Als Baby sitzen sie in Babywippen, später werden Kinder in ihrem Bewegungsdrang ausgebremst – aus Angst, sie könnten sich verletzen. Und spätestens im Schulalter nimmt das Sitzen überhand. Während vor hundert Jahren noch fast alle beruflichen Tätigkeiten mit körperlicher Betätigung verbunden waren, sitzt heute die Mehrzahl der Erwachsenen am Schreibtisch. Unsere Vorfahren sind täglich ca. 20 Kilometer pro Tag gelaufen. Gehen ist ein archaisches Bewegungsmuster, das alle Elemente unserer Bewegungskoordination enthält. Der gesamte Körper wird durchbewegt, und die anatomisch korrekte Bewegungskoordination kann erhalten werden. Heute sind wir im wahrsten Sinne des Wortes sesshaft geworden. Wen wundert es, wenn sich unsere Bewegungsintelligenz nicht mehr entfalten kann und wir in ungesunden Mustern feststecken?

Bewegungsintelligenz ist erlernbar. Wir benötigen dazu Körperwissen und eine gezielte Anleitung. Yoga bietet wunderbare Gelegenheiten dafür. Spiraldynamik ist auf die Bewegungsformen in allen Bewegungsdisziplinen universell anwendbar – so auch auf Yoga. So trifft die alte indische Tradition auf modernes Anatomieverständnis und entfaltet ein hohes therapeutisches Potential zur Gesundung des Körpers und zur Verletzungsprophylaxe. Die Yogastellungen erhalten eine neue Qualität, weil der Körper durchlässiger wird und der Energiefluss sich fei entfalten kann. Mit dem Wissen über die Spiraldynamik ® zu üben, erhöht unsere Sensibilität, Bewegungen anatomisch korrekt auszuführen, und hilft so auch, unsere Bewegungsqualität im Alltag zu verbessern, da die Prinzipien übertragbar sind. Was nützt es, jeden Tag eine Stunde Yoga zu machen und sich den Rest des Tages mit hängenden Schultern und eingeknickten Füssen zu bewegen? Bewegungsintelligenz steckt in allen Menschen. Es gilt sie zu neuem Leben zu erwecken und zu kultivieren.

 

Anwendung der Spiraldynamik – Beispiel Brustwirbelsäule

Viele Probleme mit dem Rücken – sowohl im Alltag als auch im Yoga – lassen sich darauf zurückführen, dass die Brustwirbelsäule und der gesamte Brustkorb zu unbeweglich sind und die Lendenwirbelsäule zu beweglich ist. Dadurch werden die Drehmomente in die Lendenwirbelsäule zwangsverlagert und verursachen auf Dauer Abnutzung und Schmerzen. Die Lendenwirbelsäule ist aber aufgrund der Stellung der Wirbelgelenke in der Pfeilebene (von vorne nach hinten) nicht für das Drehen geschaffen. Sie kann nur um ca. fünf Grad rotieren. Ganz anders die Brustwirbelsäule: Ihre Wirbelgelenke stehen annähernd parallel zur Stirn und gleiten in der Drehbewegung aneinander vorbei. Ist sie gut trainiert, kann sie sich 40-60 Grad drehen, bei Untrainierten sind es gerade mal 10-30 Grad. Selbst jahrelange Yogapraxis hat bei vielen Schülern, die ich in den Yogastudios beobachtet habe, keine große Veränderung gebracht. Im Gegenteil: Die Lendenwirbelsäule wurde immer beweglicher, die Bandscheiben überlastet, die Brustwirbelsäule blieb in der Rotation und Streckung eingeschränkt. Ein Zeichen dafür, dass man in seinen alten Bewegungsgewohnheiten steckengeblieben ist.

Anhand der Rotation der Brustwirbelsäule möchte ich ein Beispiel dafür geben, welche Veränderung die Spiraldynamik bringen kann. Twists sind im Yoga der „Joker“, wenn es darum geht, die Wirbelsäule Aufrichtung und Beweglichkeit zu verleihen und Schmerzfreiheit zu erreichen. Die spiralige Verschraubung der Wirbelsäule erzeugt eine aufrichtende Kraft, die wesentlich effektiver ist, als die Streckung der Brustwirbelsäule z. B. in der Kobra zu üben. Sie führt zu einer dreidimensionalen Mobilisation der Gelenke, Bänder, Faszien und Bandscheiben. Die Anatomie und die Evolution liefern die Begründung dafür: Die Aufrichtung vom Vierbeiner zum Zweibeiner geht mit der Streckung der Wirbelsäule einher. Fortbewegung auf zwei Beinen im Kreuzgang erfordert Rotation. Ca. 80 Prozent der Rückenmuskulatur verläuft schräg. Ein schönes Beispiel dafür sind die Musculi rotatores (die kleinen Muskeln, die unsere Wirbelkörper miteinander verbinden). Durch ihren Verlauf im Körper bewirken ihre Kontraktion immer eine Rotation in Kombination mit Streckung. Sie bilden die tiefste Schicht der Wirbelsäulenmuskulatur und sind die einzigen Muskeln, die jeden Wirbel einzeln drehen können. Es lohnt sich, sie zu wecken. (Es sind auch die Muskeln, die wir benötigen, wenn wir mal eine schnelle Bewegung machen, z. B. Stolpern oder Ausrutschen und schnell die Balance finden müssen.)

 

Perfekt zum Üben des richtigen Drehens: der Drehsitz

Der Drehsitz ist perfekt geeignet, das richtige Drehen zu üben. Er bietet eine große Auflagefläche am Boden und somit hohe Stabilität. Später kann man das Gelernte auf alle gedrehten Asanas übertragen. Die Rotation der Wirbelsäule um die Längsachse profitiert von einer spürbaren Längsspannung. Die beiden Pole Kopf und Becken richten sich auf und bringen die Wirbelsäule unter Zug. (In der Spiraldynamik spricht man von Polen und dem Körpervolumen dazwischen, wie Kopf und Becken oder Schulter und Hand. Immer wenn sich einer der Pole in seiner Lage im Raum verändert, ändert sich auch die Position der anderen.) Die Kraft des geerdeten Beckens leitet sich nur über ein aufgerichtetes Becken weiter nach oben. (Durch die Erdung des Beckens, bleibt das Becken fixiert und die Rotationsbewegung kann wirklich in der Brustwirbelsäule stattfinden.) Die Wirbelsäule wird geschmeidig aufgespannt, wodurch erreicht wird, dass die Wirbelsäule in der Drehbewegung einen Wirbel nach dem anderen erfassen und in die Gesamtrotation mit einbeziehen. Das Kinn verläuft dabei parallel zum Boden. (Das erreicht man am besten, indem man den Blick am Horizont entlang gleiten lässt und erst in der Endposition die Augen schließt, wenn man das machen möchte.) Die Hände können diese Aufrichtung unterstützen. Eine Hand liegt am Knie des aufgestellten Beinen, die andere stützt seitlich auf dem Boden – ohne schon eine Rotation der Wirbelsäule zu erzwingen. Der aufgestellte Fuß hat Bodenkontakt, bildet eine Linie mit dem Unterschenkel und ist somit in Richtung des Knies orientiert.

Für die Rotation startet die Bewegungseinleitung vom Kopf her. Wir drehen immer erst den Kopf, der Körper folgt. (Der Kopf hat beim Drehsitz keine Führungsfunktion, er wird entspannt mit in die Drehung geführt. Die Bewegungen von Aufrichtung und Rotation bekommen ihren Impuls über den Atem. Einatmend betonst du die Aufrichtung und ausatmend sanft die Rotation.)  Nacken bleibt dabei lang und hält die Polspannung. Die Halswirbel haben eine schräg geführte Gelenkmechanik und werden bei der Rotation nacheinander in die Länge der Wirbelsäule geschraubt. Nach ungefähr 45 Grad Körperdrehung wird die Bewegung fließend in die oberen Brustwirbel weitergeleitet. Der Kopf darf nicht mit Kraft weitergedreht werden. Die Rotationsbewegung läuft von oben über die unteren Brustwirbel zur Lendenwirbelsäule. Da sich diese nur begrenzt drehen kann, sollte der Bauchnabel nach vorne gerichtet bleiben. Dafür muss das Becken aktiv gegen die Drehung des Oberkörpers gehalten und verankert so den Neutralpunkt der Verschraubung bei den neunten Brustwirbeln – genau da, wo er hingehört und wo das Potential für die Drehbewegung am größten ist. Die unteren Rippen auf der Vorderseite des Körpers ziehen so weit zurück, bis sie mit dem Bauch eine Linie bilden und in den Stamm (=Rumpf) integriert sind. Auf der Rückseite halten sie einen sanften Zug nach oben. Das hilft, die Gelenke zu öffnen und die Länge der Wirbelsäule zu halten. Die darüberliegenden Rippen folgen der Drehrichtung des Kopfes und schrauben sich eine nach der anderen nach vorn oben um die Längsachse. Durch die körperliche Erfahrung, so zu praktizieren, erlebt man, welches Körperteil bzw. welches Gelenk sich dreht und welches widerlagert (also dem Körper einen Widerstand bietet, gegen den er sich öffnen kann) – was in fortgeschrittenen Stellungen ganz wichtig ist, um das gesamte Spektrum der Beweglichkeit ausschöpfen zu können.

In den meisten Yogastilen wird eine symmetrische Sitzposition bevorzugt. Cleverer ist es, die 3D-Dynamik der Spirale einzubeziehen. Dafür setzt man sich auf die Ferse des eingeschlagen Beines. Die Gegenseite ist somit tief im Boden verankert, die Lende dieser Seite maximal gedreht. Diese Beckenposition entspricht der Position des Beckens auf der Standbeinseite beim Laufen und führt zur Entfaltung der Rotation im Sinne der gesichert, und der Druck im Gelenk wird über die Bänder in Zug umgewandelt, was zu einer deutlichen Entlastung führt.
Da die Rumpfmuskulatur über die Diagonale den ganzen Rumpf umhüllt, schrauben sich die Muskeln wie eine Doppelhelix in entgegengesetzte Richtungen drehend um den Körper. In der Drehung arbeiten die beiden Schrägsysteme gemeinsam. Ein Anteil kraftvoll kontrahierend, während der andere in eine Vordehnung geht. Spürbar wird dies durch ein Gefühl der Zentrierung um die Mitte. Aufrichten und Drehen in Kombination – das ist das Geheimnis der Spirale.

Je besser wir uns in den Asanas u unserer Lotlinie organisieren, umso leichter erreichen wir einen Zustand, der leicht (sukha) und stabil (sthira) gleichzeitig ist. Kraftvoll und dennoch ohne zu viel Anspannung. Die Knochen und Gelenke sind korrekt zueinander organisiert, die Muskuläre Hülle kraftvoll, aber weich im Sinne der Spannungsregulation. Zentrierung, auch wenn sie zuerst rein physisch ist, überträgt sich nach einer gewissen Zeit auf den Geist und die Psyche. Mit der Entwicklung des Körperbewusstseins verändert sich auch das Selbstbewusstsein. Nicht umsonst möchten wir „mit beiden Beinen fest im Leben stehen“, „fest verwurzelt sein“ oder „aufrecht durchs Leben gehen“. All dies sind Qualitäten, die auf den Zusammenhang von Körper und Geist hinweisen. Über die Erkenntnis unseres Körpers, den bestimmungsgemäßen Umgang mit ihn, finden wir Zugang zu einer Weisheit und unseren inneren Qualitäten. Wir werden ein neues Lebensgefühl – präsent, sensibel, selbstbewusst, voller Lebendigkeit und Ausstrahlung. (Oder wie es eine meiner Teilnehmerinnen für sich auf den Punkt brint und  formulierte: „Yoga mach sexy.“)

(aus Yoga aktuell – von Lilla N. Wuttich – Yoga Verlag GmbH)
(Kursive Klammerzusätze von mir hinzugefügt)


Auch dies geht vorbei

Eine der unbezahlbaren Lehren, die Depressionen entgegenwirken, ist gleichzeitig eine der einfachsten. Allerdings aufgepasst: Lehren die einfach erscheinen, kann man sehr leicht missverstehen. Wir können die folgende Geschichte nur dann begreifen, wenn wir tatsächlich von Depressionen befreit sind.

Der neue Häftling im Gefängnis war voller Angst und sehr deprimiert. Die steinernen Wände seiner Zelle saugten jegliche Wärme auf, die harten Eisengitter höhnten dem Mitgefühl, der Klang aufeinander prallenden Stahls ließ erahnen, hinter wie vielen Toren die Hoffnung weggeschlossen wurde. Das Herz des Gefangenen war schwer, denn er hatte viele Jahre abzusitzen. Am Kopfende seines Lagers entdeckte er folgende Worte in die Wand geritzt: AUCH DIES GEHT VORBEI.

Dieser Satz half ihm durch diese schwierige Zeit, genau, wie er wahrscheinlich dem Häftling vor ihm Mut gegeben hatte. Ganz gleich, wie schlimm es wurde. Er sah dann auf die Inschrift und dachte daran: „Auch dies geht vorbei.“ Am Tag seiner Entlassung erkannte er die tiefe Wahrheit hinter diesen Worten. Er hatte seine Strafe abgesessen. Auch die Zeit im Gefängnis war tatsächlich vorbeigegangen.
Als er wieder ins normale Leben zurückkehrte, dachte er oft an diese Botschaft. Er schrieb sie auf Fetzen Papier, die er an seinem Bett, in seinem Auto und auf der Arbeit deponierte. Sogar in ganz schlechten Zeiten erfasste ihn nie wieder eine Depression.
Er entsann sich in scheinbar aussichtslosen Lagen immer der Worte: „Auch dies geht vorbei“ und kämpfte sich durch. Wenn gute Zeiten anbrachen, genoss er sie, aber nie allzu sorglos. Er entsann sich der Worte: „Auch dies geht vorbei“ und arbeitete hart an seinem Leben, ohne auch nur das Geringste als selbstverständlich hinzunehmen. Die guten Zeiten schienen immer ungewöhnlich lange anzudauern.

Dann wurde bei ihm Krebs diagnostiziert. „Auch dies geht vorbei“ gab ihm Hoffnung. Hoffnung gab ihm Kraft und die positive Einstellung, die Krankheit zu besiegen. Eines Tages bestätigte der Facharzt, dass „der Krebs vorbeigegangen war.“
Am Ende seines Lebens flüsterte er seinen Liebsten zu: „Auch dies geht vorbei“, und er fand einen ruhigen Tod. Seine Worte waren der letzte Liebesdienst für Familie und Freunde. Sie hatten von ihm gelernt: „Auch die Trauer geht vorbei“

Depressionen sind ein Gefängnis, in das viele von uns eingeschlossen sind. „Auch das geht vorbei“, hilft uns. Und dieser Spruch sorgt zudem dafür, dass wir eine der großen Ursachen von Depressionen meiden und die guten Zeiten nicht zu selbstverständlich hinnehmen.

(aus „Die Kuh, die weinte“ von Ajahn Brahm – Lotus Verlag)

Blinder Glaube

Wenn wir altern, lassen Augen und Ohren nach, die Haare fallen aus, die dritten Zähne kommen rein, die Beine werden schwach, und manchmal zittern die Hände. Doch unser gesprächiger Mund entwickelt sich mit jedem Jahr kräftiger. Deshalb können sich unsere wortreichen Mitbürger erst in späten Jahren als Politiker profilieren.

Es war einmal ein König, dem seine Minister viel Ärger bereiteten. Sie stritten so heftig miteinander, dass nahezu nichts entschieden werden konnte. Die Minister folgten einer uralten politischen Tradition, denn ein jeder behauptete, dass er allein Recht und alle anderen Unrecht hätten. Doch als der einfallsreiche König ein öffentliches Fest organisierte, waren sich alle darin einig, an diesem Tag frei zu nehmen.

Es war ein spektakuläres Fest, das in einer riesigen Arena abgehalten wurde. Sänger und Tänzer traten auf, Akrobaten, Clowns, Musikbands, Feuerschlucker und noch viel mehr. Dann kam das Finale. Die Minister, die natürlich die besten Plätze ganz vorn in der ersten Reihe innehatten, sahen, wie der König höchstpersönlich seinen Lieblings-Elefanten in den Mittelpunkt der Arena führte. Dem Elefanten folgten sieben blinde Männer. Jeder in der Stadt kannte diese Männer und wusste, dass sie von Geburt an blind waren.

Der König ergriff die Hand des ersten Blinden und führte sie zum Rüssel des Elefanten. Er teilte ihm mit, dass dies ein Elefant sei. Dann legte er die Hand des zweiten Mannes auf einen Stoßzahn und sagte ihm, dass dies ein Elefant sei. Die Hand des Dritten erspürte ein Ohr, die des Vierten den Kopf, der Fünfte erfühlte den Körper, der Sechste die Beine und der Siebte den Schwanz. Jedem Mann wurde versichert, dass er einen Elefanten berührte. Dann wandte sich der König an den ersten Mann und bat ihn, einen Elefanten zu beschreiben.

„Nach meiner gut erwogenen und kundigen Meinung“, sagte der Blinde, der den Rüssel ergriffen hatte, „gehört der Elefant mit absoluter Sicherheit zur Spezies der Schlangen, vornehmlich der Python asiaticus.

„Was für ein hirnrissiger Quatsch!“, rief der zweite Blinde, der einen Stoßzahn in der Hand hielt. „Ein Elefant ist aus viel zu fester Materie, als dass er eine Schlange sein könnte. Tatsächlich, und ich irre mich nie, handelt es sich um einen Bauernpflug.“

„Du machst dich lächerlich“, höhnte der dritte Blinde, der immer noch ein Ohr in der Hand hielt. „Ein Elefant ist ein Palmenblatt-Fächer und sonst nichts.“

„Was seid ihr doch für inkompetente Idioten“, sagte der vierte Blinde lachend, der über den Kopf des Elefanten strich. „Ein Elefant ist ohne jeden Zweifel ein großer Wasserkrug.“

„Unmöglich, völliger Unsinn!“, widersprach der fünfte Blinde und fuhr mit der Hand den Körper entlang. „Ein Elefant ist viel massiver. Er ist ein Felsen.“

„Solchen Blödsinn habe ich mein Lebtag noch nicht gehört!“, brüllte der sechste Blinde, der ein Bein abgetastet hatte. „Ein Elefant ist ein Baumstamm. Ein Idiot, der daran zweifelt!“

„Welch ein Haufen von Ignoranten!“, empörte sich der letzte Blinde, der den Schwanz in der Hand hielt. „Ich kann euch genau sagen, was ein Elefant wirklich ist. Eine Art Fliegenklatsche. Das stimmt ganz gewiss, denn genau das fühle ich.“

„Lächerlich! Er ist eine Schlange!“ – „Unmöglich, es ist ein Krug!“ -  „Was seid ihr doch blöd, es ist …“ Und die Blinden begannen so heftig miteinander zu streiten und brüllten sich gegenseitig so laut an, dass sich ihre Worte miteinander verschmolzen und als ein einziges lautes Gebrüll zu vernehmen waren. Zu Schmähungen und Beleidigungen kamen dann auch noch Handgreiflichkeiten. Die Blinden schlugen um sich, und es schien völlig unwichtig zu sein, wen oder was sie gerade trafen. Sie fochten ums Prinzip, um Integrität und Wahrheit. Um die eigene persönliche Wahrheit.

Nachdem des Königs Soldaten die ziemlich angeschlagenen Blinden voneinander getrennt hatten, amüsierte sich das Publikum im Stadion über die schweigenden Minister, die beschämt auf ihren VIP-Stizen saßen. Alle Anwesenden hatten genau begriffen, wem der König eine Lektion hatte erteilen wollen.

Jeder von uns kann immer nur ein Teil jenes Ganzen nennen, das die Wahrheit darstellt. Wenn wir unser begrenztes Wissen als absolute Wahrheit ausgeben, gleichen wir den blinden Männern, die alle nur ein Stück des Elefanten erfühlten und ihre eigene bruchstückweise Erfahrung zur Wahrheit erhoben und alles andere für falsch hielten.

Statt uns auf blinden Glauben zu verlassen, sollten wir das Gespräch miteinander suchen.

Stellen Sie sich jetzt bitte vor, was dabei herausgekommen wäre, wenn die sieben blinden Männer ihre Erfahrungen zusammengeführt hätten, anstatt den Informationen der anderen nur zu widersprechen. Sie wären zu dem Schluss gekommen, dass ein Elefant einen Felsen ähnelt, der auf vier Baumstümpfen steht, hinten einer Art Fliegenklatsche aufweist und vorn einen großen Wasserkrug, an dessen Seiten sich zwei Palmblatt-Fächer befinden, während an der Unterseite zwei Pflüge stecken und in der Mitte eine lange Pythonschlange hervorragt. Das wäre nicht die schlechteste Beschreibung eines Elefanten von Menschen, die nie einen sehen werden.

(aus „Die Kuh, die weinte“ von Ajahn Brahm – Lotus Verlag)



Wenn ein Mensch, den man liebt, plötzlich tot ist, kommt das meist ohne Vorwarnung.

„Meine Mutter hat sich an dem Abend von meinem Vater getrennt“, erinnert sich Marie-Luise Thoms an die schicksalhafte Nacht. Er erschießt sich Ende 2014. Wie in einem Sonntagabendkrimi, in dem sie nie mitspielen wollte, fühlt sich die damals 17-Jährige. Sie steht unter Schock, ist wie taub. Ihre Trauer ist groß. Doch keiner in der Familie – Mutter, Bruder, Oma - reden darüber. „In der Schule zog ich mich zurück“, erzählt die 23-Jährige. „Ich futtere mir 25 Kilo Schutzpanzer an, verschlang viele Bücher zu dem Thema.“ Monate später erst wird ihr bewusst, dass ihr geliebter Vater nicht mehr wiederkommt.

Dass es so nicht weiter gehen kann, ist ihr klar. Ihr Leben hat sich seit jener Nacht in zwei Hälften geteilt. „Ich wollte immer ganz offen damit umgehen, nahm mir Hilfe, sobald ich nicht mehr allein weiterkam“, sagt die Studentin. Sie hat nie Angst davor, was andere denken. Obwohl ihre Mutter dagegen ist, spricht sie mit einem Therapeuten, um alles zu verarbeiten. „Ich wusste, es würde mich sonst irgendwann einholen.“

Ein Jahr nach dem Vorfall zieht sie aus dem brandenburgischen Heimatdorf nach Berlin, um zu studieren und näher bei ihrer Selbsthilfegruppe zu sein. Sie strahlt, als sie zurückblickt. „Das war wie ein Neustart: Für die Leute im Dorf war ich das Kind mit dem toten Vater, hier kannte mich keiner. In Berlin habe ich mir ein neues Umfeld aufgebaut, konnte einfach nur Marie sein.“ Das Darüber-Reden mit Menschen, die eine ähnlich schmerzhafte Erfahrung gemacht hatten, hilft ihr. Der neue Freundeskreis gibt ihr Halt, den sie in ihrer Familie so sehr vermisst. Mit ihren Freunden unternimmt sie am Todestag ihres Vaters immer etwas Schönes. Das tut ihr gut.
Als sie sich vor drei Jahren besser fühlt, gründet sie ihre eigene Selbsthilfegruppe innerhalb des Vereins „AGUS e.V. – Angehörige um Suizid“. Nun betreut Marie-Luise Thoms junge Erwachsene bis 35 Jahre, die einen Angehörigen verloren haben. „Jetzt kann ich das Ganze aus einer anderen Perspektive betrachten“, erzählt sie. „Es gibt mir zusätzliche Bestätigung.“ Und einen Sinn, denn sie kann anderen mit ähnlichen Erlebnissen helfen. Dass sie ihr eigenes Leben mutig leben kann, zeigt ihr das Studiensemester in Asien: „Ich war stolz, dass ich mich getraut habe, wo weit weg zu gehen. Es gab schwierige Momente, aber ich habe mich durchgebissen.“


Zitate:

"Im Leben geht es nicht darum, gute Karten zu haben, sondern auch mit einem schlechten Blatt gut zu spielen."

(Robert Louis Stevenson, Schottischer Schriftstelle - 1850-1894)

"Auf die Dauer nimmt die Seele die Farben der Gedanken an."

(Marcus Aurelius - Römischer Philosoph - 121-180)


(Herausgeber: dm-drogerie markt GmbH + Co.KG, Kerstin Erbe – Verlag: Arthen Kommunkation GmbH)

Eder Kalif und der Flickschuster

Harum Al Raschid, der Kalif von Bagdad, liebte es, in Verkleidung durch die Straßen seiner Stadt zu gehen und zu hören, was die Nöte und Wünsche seines Volkes seien. Mal trug er das Gewand eines Bettlers, dann eines Kaufmanns, dann eines Schmiedes – doch nie war er erkannt worden und er war stolz darauf.

Nun aber hatte er etwas Besonderes im Sinne: Er suchte einen neuen Ratgeber, der weise und gütig war, und dem er vertrauen konnte. An seinem ganzen Hof hatte er so einen Mann nicht gefunden. Und nun war er in Verkleidung schon eine ganze Woche durch die Stadt gewandert und hatte mit Menschen aller Stände gesprochen – doch keiner dünkte ihn weise genug für diese Aufgabe.

Am Abend des siebten Tages folgte er einem Flickschuster und sprach ihn an. „Lebst du gut von deinem Gewerbe?“, fragte der Pilger.
„Oh ja, ich bin Flickschuster – und auch die besten Schuhe bedürfen einmal der Reparatur. Ich gehe früh jeden Morgen los und, bislang hat sich noch immer genug Arbeit gefunden.“

„Und was ist, wenn du morgen keine Arbeit findest?“

„Ach morgen“, lachte der Flickschuster. „Morgen kommt, und ich werde sehen, was es bringt. Gepriesen sie Allah.“

Der Pilger, der in Wahrheit der Kalif war, bedankte sich bei dem Mann uns schmunzelte. Der Mann war arm, aber er hatte das Herz auf dem rechten Fleck. Doch das redet sich leicht. Der Kalif beschloss, den Mann zu prüfen.

Am nächsten Morgen staunte der Flickschuster nicht schlecht. Überall in der Stadt stand angeschlagen, dass der Kalif die Flickschusterei in der Stadt verboten habe. Welch merkwürdige Einfälle der Kalif hat! Nun, dann werde ich eben Wasser tragen. Wasser brauchen die Menschen noch nötiger als Schuhe!

Am Abend traf er wieder auf den Pilger, der in Wahrheit der Kalif Harun Al-Raschid war. Der Kalif sprach: „Mein guter Mann, ich hatte Sorge um dich – hat nicht der Kalif die Flickschusterei verboten?“

„Oh ja, doch so trage ich nun Wasser und verdiene damit mein Brot.“

„Und was ist, wenn du morgen keine Arbeit findest?“

„Ach morgen“, lachte der Flickschuster. „Morgen kommt, und ich werde sehen, was es bringt. Gepriesen sie Allah.“

Am nächsten Morgen fand der frühere Flickschuster und jetzige Wasserträger, dass nur noch Wasserträger arbeiten durften, die eine besondere Erlaubnis des Kalifen hatten.

Welch merkwürdige Einfälle der Kalif hat! Nun, dann werde ich eben Holz verkaufen. Alte und Schwache brauche Holz zum Kochen, aber sind zu schwach, es zu hacken und zu sammeln. So werde ich Arbeit finden.

Am Abend traf er wieder auf den Pilger, der in Wahrheit der Kalif Al-Raschid war. Der Kalif sprach: „Mein guter Mann, ich hatte Sorge um dich – hat nicht der Kalif das Wassertrage verboten?“

„Oh ja, doch so hacke ich nun Holz und verdiene damit mein Brot.“

„Und was ist, wenn du morgen keine Arbeit findest?“

„Ach morgen“, lachte der Flickschuster. „Morgen kommt, und ich werde sehen, was es bringt. Gepriesen sie Allah.“

Am nächsten Morgen ging der ehemalige Flickschuster und Wasserträger und jetzige Holzhacker zeitig los; doch er kam nicht weit, da hielt ihn der Hauptmann der Wache an: „Hey du: Weißt du nicht, dass jeder, der eine Waffe trägt, einmal die Woche Dienst in der Palastwache tun muss?“ Damit nahm er ihm die Axt ab und gab ihm ein Schwert. „Heute Abend kommst du pünktlich zu Sonnenuntergang zum großen Tor des Palastes unseres Herrn Harun Al-Raschid.“

So stand der Flickschuster auf einmal mit einem Schwert da. Wie sollte er nun etwas zu essen verdienen? Er besann sich ein wenig, dann ging er zum Schmied und gab ihm das Schwert als Pfand für ein paar Münzen für sein Mahl. Daraufhin nahm er ein Stück Holz und schnitzte daraus ein Schwert, das genau in die Scheide passte.

Als er sich zu Sonnenuntergang am großen Palasttor einfand, grüßte ihn der Hauptmann. „Du kommst gerade recht. Ein Gefangener muss hingerichtet werden – und diese Aufgabe kommt immer dem neuesten Diensttuenden zu.“

Der Flickschuster wurde bleich. Er wollte keinen Menschen töten. Er bedachte sich kurz, dann warf er sich zu Boden und rief: „Oh Allah, wenn dieser Mensch den Tod verdient hat, so lass mein Schwert scharfer Stahl sein. Hat er den Tod aber nicht verdient, so lass mein Schwert aus Holz sein!“

Dann zog er sein hölzernes Schwert und alle Anwesenden staunten. Nur der weise Herrscher Harun Al-Raschid nicht, der endlich seinen neuen Ratgeber gefunden hatte.

Drei Eigenschaften sind es, die den Flickschuster vor der Macht des Negativen schützen:

1.   Vertrauen: Der Flickschuster sorgt sich nicht um die Zukunft. Er vertraut auf seine höhere Macht und darauf, dass sich schon immer etwas finden wird. Wer aber frei von Sorgen ist, der ist auch frei von Furcht und kann unbeschwert und gelassen leben.

2.   Flexibilität: Wenn ich keine Schuhe flicken kann, dann trage ich eben Wasser. Wenn ich kein Wasserträger mehr sein darf, dann hacke ich eben Holz. Der Flickschuster ist sehr einfallsreich. Er verhält sich wie ein Fluss: Sobald ein Hindernis auftaucht, fließt er einfach sanft daran vorbei und bleibt somit unbeschadet. So flexibel und anpassungsfähig zu sein, gelingt ihm aber nur, weil er keine inneren Widerstände gegen das Sein aufbaut. Er ist genügsam und lebt nach dem Grundsatz: „Das ist auch in Ordnung.“ Und diese Anspruchslosigkeit ist die Voraussetzung dafür, auch mit schwierigen Umständen kreativ und offen umgehen zu können.

3.   Güte: Am Ende der Geschichte nutzt der Flickschuster seinen Einfallsreichtum, um den Gefangenen nicht töten zu müssen. Der Trick mit dem Holzschwert ist natürlich großartig. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass wir zur richtigen Zeit immer die richtige Idee haben, doch keine Sorge: Mitgefühl ist auch ohne Holzschwert eine wunderbare Sache, die dich wirkungsvoll davor schützt, dass der schwarze Wolf fett und mächtig wird.

 (aus „Füttere den weißen Wolf“ von Ronald Schweppe/Aljoscha Lang – Kösel Verlag München)

"Tempora mutantur, et nos mutamur in illis."
("Die Zieten ändern sich u. wir uns in ihnen")  Kaiser Lother I